Gerhard Beham:Das Schöne im Hässlichen

Tassilo Preis 2016

Gerhard Beham glaubt, dass "die Gesellschaft, die im Hochglanz lebt, das Schlechte gar nicht mehr sieht".

(Foto: Hartmut Pöstges)

Gerhard Beham verwandelt Foto-Motive mit Computer und Wachsmalkreiden. Er sieht sich als politischen Konzeptkünstler.

Von Benjamin Engel, Münsing

Am Ostufer des Starnberger Sees fällt es leicht, nur das Idyllische zu sehen: Häuser verstecken sich unter mächtigen grünen Bäumen. Der See glitzert im abendlichen Gegenlicht. Und doch sucht der Ammerlander Konzeptkünstler Gerhard Beham genau dort nach dem vordergründig Hässlichen - und verwandelt es in ästhetisch Schönes. So fotografiert der 71-Jährige beispielsweise ein verschmutztes Fenster, bearbeitet es an seinem Computer, lässt es großformatig drucken, um es dann mit Wachsmalkreiden zu bemalen. Das Ergebnis: psychedelisch anmutende Bilder mit kontrastreichen Farbakzenten. Ein anderes Mal bearbeitet er auf diese Weise verkalkte Spülbecken, verdreckte Verpackungsreste oder Schlechtwetter-Wolken.

Warum er gerade in der Idylle das Hässliche sucht? Beham zögert ein wenig mit der Antwort und gibt dann doch einen Erklärungsversuch: "Womöglich, weil die Gesellschaft, die im Hochglanz lebt, das Schlechte gar nicht mehr sieht." Doch es wäre zu kurz gegriffen, Behams Kunst auf den Dualismus von schön und hässlich zu reduzieren. Er selbst versteht sich als politischen Menschen. So nennt er seine nächste Werkserie von Drucken "Vorurteil". Alle Gesellschaftsschichten litten unter solchen einseitigen Zuschreibungen, sagt er. Deshalb wolle er mit seiner Kunst den Betrachter dazu anregen, sich nicht vom ersten Anschein täuschen zu lassen und stattdessen vorurteilsfrei zu denken.

Bevor Beham sich vor rund zehn Jahren ganz der Konzeptkunst widmete, war er Produktionsleiter, Autor und Regisseur. Er drehte Werbefilme für namhafte deutsche Unternehmen. Unter anderem war er für die Redaktion Jugend, Schule und Familie des Bayerischen Fernsehens tätig. Für die BR-Produktion "Von der Kutsche bis zur Eisenbahn" gewann er den Silver Award beim Internationalen Film- und Fernseh-Festival in New York. Doch irgendwann schien ihm der Sinn seiner Arbeit als Autor und Regisseur verloren. Die Budgets wurden kleiner und seine Interessen für gesellschaftspolitische Filmstoffe konnte er immer weniger umsetzen.

Seine Kritik an gesellschaftlichen Missständen verarbeitete er deshalb in seiner Kunst. Ein Vortrag der Friedrich-Ebert-Stiftung über Zwangsprostituierte inspirierte ihn zu einem seiner ersten Projekte. Um auf das Schicksal der ausgebeuteten Frauen aufmerksam zu machen, gestaltete er großflächige Plakate mit gezeichneten Gesichtern junger Frauen. Dazu stellte er kleine Szenen mit Darstellungen sexueller Ausbeutung, von Scham und Verzweiflung. Die Friedrich-Ebert-Stiftung, der Deutsche Katholische Frauenbund und Jugendzentren stellten die Plakate aus. Vor sieben Jahren hängte Beham Plakate seiner Serie "Kein Frühling für Faschisten" einfach an das Geländer des Wolfratshauser Sebastianistegs. Im vergangenen Jahr organisierte er eine Benefizaktion mit einer Auswahl seiner Werke im Ammerlander Gasthaus Gerer zugunsten der Flüchtlinge in der Gemeinde.

Über Computer und Internet verfolgt Beham das Weltgeschehen. Und mit dem Computer will er auch weiterhin künstlerisch arbeiten. Kurzzeitig habe er zwar überlegt, wieder mehr zu zeichnen. Doch das habe er verworfen. Und schließlich habe er für seine neuesten Drucke auch mit Wachsmalkreiden gearbeitet. Das sei spannend. Schließlich werde jeder Druck damit zum Original. Und außerdem fasziniere ihn der Gegensatz von moderner Technik und der Einsatz von Wachsmalkreiden.

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