Süddeutsche Zeitung

Geretsrieder Investitionen:Wo bleibt die Kultur?

Für den Sport hat die Stadt in den vergangenen Jahren rund 40 Millionen Euro ausgegeben. Beim kulturellen Leben wurden viele Chancen, etwas zu verbessern, verpasst

Von Felicitas Amler

Wenn das keine Steilvorlage für den Wahlkampf ist: Die Stadt Geretsried hat in den vergangenen neun Jahren fast vierzig Millionen Euro in den Sport investiert. Es wurden Hallen und Plätze geschaffen; das Geld wurde in Flutlicht und ein Loipenspurgerät gesteckt; ein komplettes Eisstadion wurde saniert und überdacht. Schön und gut. Für den Sport. Nur, wo ist in all dieser Zeit die Kultur geblieben?

Kultur, so hat Bürgermeister Michael Müller (CSU) nach seinem Amtsantritt vor bald sechs Jahren in einem SZ-Gespräch erklärt, sei ein wichtiger integrativer Faktor in einem Gemeinwesen. Sie gehöre, so Müller damals wörtlich, "zur Marke Geretsried". Hört sich gut an. Und tatsächlich hat Geretsried ein zweijährliches Kulturfestival, eine sehr gute Musikschule und ein hervorragend konzipiertes Stadtmuseum. Was die Stadt aber nach wie vor nicht hat, ist Infrastruktur für das ganze Spektrum kulturellen Schaffens und Erlebens.

Es fehlen angemessene Räume für bildende Kunst, Theater, Literatur, Musik. Eine Galerie für zeitgenössische Kunst könnte ein Geretsrieder Alleinstellungsmerkmal sein. Ein moderner Stadtsaal mit Bühne und Podium könnte wenigstens Kammermusik in einem schönen Rahmen ermöglichen, wenn schon nicht - aber warum eigentlich nicht?! - ganze Orchesterwerke.

All das, so hat Müller versprochen, soll geschaffen werden, wenn eines Tages die Bundesstraße 11 verlegt und in diesem Zusammenhang der Stadtteil rund ums Rathaus neu gestaltet wird. Wie lange das wohl noch dauert?

Die Stadtpolitik hat es am Karl-Lederer-Platz einem Privatinvestor ermöglicht, ein äußerst raumgreifendes, neues Gebäude zu errichten, damit sage und schreibe 1750 Quadratmeter Verkaufsfläche für einen Supermarkt und 66 Wohnungen zu Marktpreisen entstehen konnten. Der Platz soll urbaner, lebendiger werden, so die Zielvorgabe. Doch in dem ganzen, großen, siebengeschossigen Haus hat sich die Stadt nicht einen einzigen Quadratmeter für jenes Element reserviert, das wirklich Leben in ein Zentrum bringt: Kunst und Kultur. Weder die Volkshochschule noch das Stadtarchiv finden dort Platz. Alles auf später vertagt. Und gleichzeitig werden im Stadtrat die Stimmen lauter, die erklären, es müsse jetzt aber mal Schluss sein mit den hohen Ausgaben.

Es steht also zu befürchten: Der Sport ist durchgestartet, die Kultur bleibt auf der Strecke.

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Quelle:
SZ vom 04.12.2019
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