Süddeutsche Zeitung

Geretsrieder Entwicklung:Stadtrat will 800 neue Wohnungen gebaut sehen

Planungsausschuss weist vielfältige Kritik am Projekt Banater Straße zurück. Bauer Kompressoren fürchtet um seine Existenz und bekräftigt Klageabsicht

Von Felicitas Amler

Die Ängste und Vorwürfe sind erheblich: Eine "Trabantenstadt" im Stile von Neuperlach drohe zu entstehen, Gartenberg werde im Verkehr ersticken; Gewerbebetriebe müssten um ihre Existenz bangen. Das von der Wolfratshauser Krämmelgruppe geplante und von der Stadt Geretsried gewünschte Groß-Wohnbauprojekt an der Banater Straße bleibt heftig umstritten. Im Entwicklungs- und Planungsausschuss des Stadtrats sind am Dienstagabend 98 dicht beschriebene Seiten mit Einwendungen von Bürgern, Betrieben und Behörden sowie den jeweiligen Stellungnahmen der Stadtverwaltung nicht nur behandelt, sondern en detail vorgelesen worden. Nach viereinhalb Stunden stand für das Gremium dennoch fest: Das im Großraum München derzeit ziemlich alleinständige Vorhaben mit 800 Wohnungen, davon ein Drittel Sozialwohnungen, soll auf den Weg gebracht werden. Dies wurde einstimmig beschlossen. Das letzte Wort hat der Stadtrat. Die Androhung einer Klage steht aber längst im Raum.

Die meisten Einwendungen drehen sich um die immissionsschutzrechtlich heikle Lage des mehr als vier Hektar großen Baugrunds. Denn die Industriebrache zwischen Elbe- und Banater Straße - dort war einst die Spielzeugfabrik Lorenz angesiedelt - liegt inmitten eines Gewerbegebiets.

Frage des Standorts

Das Areal wurde von einem Sondergebiet für großflächigen Einzelhandel in ein allgemeines Wohngebiet umgewidmet. Die Nachbarn - Aldi, Speck Kolbenpumpen, Bauer Kompressoren, Pizzabäcker Franco Fresco und die Feuerwehr - haben jeweils Anspruch auf bestimmte Schallemissionen. Von Anfang an gab es gegen das Wohnbauprojekt den Einwand, es könne das umliegende Gewerbe gefährden, wenn Bewohner über Lärm klagten. Die Sprecher von Bauer, Monika und Philipp Bayat, haben bereits im Dezember im Gespräch mit der SZ eine Klage angekündigt; dies hat nun auch ihr Rechtsanwalt mehrmals betont - verbunden mit dem Hinweis, das Verfahren könne sich dadurch um fünf bis zehn Jahre verzögern. Nach Ansicht des Unternehmens könnte der Mangel an bezahlbaren Wohnungen - ein von der Stadt Geretsried immer wieder hervorgehobenes Argument - auch am Standort Böhmwiese behoben werden. Die Stadt weist dies zurück, da die Böhmwiese erst entwickelt werden soll, wenn der S-Bahnanschluss kommt und die Bundesstraße 11 dorthin verlegt wird: "Planungshorizont 2028 bis 2030." Mithin zu spät, so die Stadt.

Dutzende anderer Kritikpunkte wurden von verschiedenen Seiten vorgebracht. Neben den befürchteten Konflikten zwischen Gewerbe und Wohnen betreffen sie: Verkehr, Altlasten, Ökologie und Naturschutz (Zauneidechse), soziale Infrastruktur, die Wahrung des Industriegleises, Versickerung von Niederschlagswasser und Rad-Anbindungen. Die Stadtverwaltung hat aus Sicht der Stadträte die meisten Einwände ausgeräumt, einige Hinweise sollen in der Planung aber auch noch berücksichtigt werden.

Acht Geschosse

Der in den vier Jahren seit den ersten Überlegungen mehrmals überarbeitete Entwurf aus dem Münchner Architekturbüro Kehrbaum sieht eine nach außen abschottende achtgeschossige, nach innen um ein bis drei Geschosse abgestufte und lockerer angeordnete Bebauung für etwa 1500 Bewohner vor. Im Innern ist viel Grün zu sehen, Treffpunkte und Spielbereiche sind dargestellt, ein halbgeschossig nach unten gelegtes Parkdeck durchzieht das Gelände, das oberirdisch auto- und barrierefrei sein soll. Fest geplant sind ein Haus für Kinder und ein darüberliegendes Boarding-House. "Ergänzende Nutzungen" sind gewünscht, Planer und Investor denken an eine Bäckerei und ein Café, aber auch an Betreutes Wohnen, ein Quartiersmanagement und Kulturtreffs.

Die zwischen Stadt und dem Investor Krämmel vereinbarte Aufteilung in je 30 Prozent geförderten und frei finanzierten Mietwohnungsbau sowie 40 Prozent Eigentumswohnungen soll als "Geretsrieder Modell" auch bei künftigen Vorhaben realisiert werden.

Satzungsbeschluss Banater Straße: Stadtrat, Dienstag, 26. März, 17 Uhr, Rathaussaal

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Quelle:
SZ vom 21.03.2019
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