Geretsried:Weniger Lenas, viele Vollmers

Geretsried: Elias Vollmer und zwei Lenas aus Leipzig - Lena Neumann und Anna-Lena Panten - bezaubern das Publikum in den Geretsrieder Ratsstuben.

Elias Vollmer und zwei Lenas aus Leipzig - Lena Neumann und Anna-Lena Panten - bezaubern das Publikum in den Geretsrieder Ratsstuben.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Jazz, Blues und Soul beim Isarsommer in den Ratsstuben

Von Arnold Zimprich, Geretsried

Was prasselte in den vergangenen Wochen nicht alles auf die Menschen nieder. Harte Ansagen ist man zu Corona-Zeiten ja gewohnt, aber dass es noch einmal so hart werden würde? Da kommt Elias Vollmer gerade recht. Mit einem ausgeleierten Nineties-Pulli angetan, der den Titel "Lieblingsstück" vermutlich schon von mehreren Trägern verliehen bekommen hat, entert der Geretsrieder Vollmer - Student der Fachrichtung Jazz/Popularmusik mit Hauptfach Jazzpiano an der Hochschule für Musik und Theater Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig - die Ratsstuben-Bühne. Und es beginnt erneut zu prasseln.

Diesmal allerdings wärmt der akustische Niederschlag die Seele - man wähnt sich nicht im nebligen Oberbayern, sondern in einer New Yorker Bar in den Dreißigerjahren. An der Theke sitzend taxiert man die Gäste, Vollmers Spiel wird derweil dynamischer, jazziger, das Tanzbein will nicht stillhalten - doch in den Ratsstuben spontan lostanzen, das geht nun auch wieder nicht. Schade!

Elias Vollmer dürfte ruhig einfach so weitermachen, als One-Man-Show, den ganzen Abend lang, denkt man. Aber was würde man verpassen! Denn er bekommt im Laufe des Konzerts noch einige Verstärkung. Die Lenas sind angekündigt, ein "retro-modernes Vocaltrio", wie sich Lena Hauptmann, Anna-Lena Panten und Lena Neumann aus Leipzig nennen. Leider fällt Hauptmann aus gesundheitlichen Gründen an diesem Abend sehr kurzfristig aus. Panten und Neumann indes treten so überzeugend auf, dass Hauptmanns Abstinenz gar nicht groß auffällt. Egal ob Swing-Klassiker wie "Bei mir bistu schejn" oder selbst komponierte Stücke wie "I See You" und das getragene, balladeske Vokalstück "Crystal Dreams", die Vertonung einer "mysteriösen Geschichte aus dem mittelalterlichen Japan" - Panten und Neumann singen in dieser nebelschwarzen Nacht einfach herzerwärmend.

"Ich liebe schnelle Stücke" sagt Vollmer - und zaubert aus dem Publikum weitere Vollmers hervor, zunächst Vater Titus am Kontrabass und Bruder Viktor an der E-Gitarre. Sie geben ein dynamisches Stück von George Benson auf so mitreißende Weise zum Besten, dass einem fast die Tränen kommen - da ist kein Platz mehr für Corona-Gedanken und andere Schwermut. Das auf einem Stück von Miles Davis basierende "Soul What", eigentlich für drei Stimmen konzipiert, kommt auch zu zweit gesungen unglaublich leger rüber, Fats Wallers "It's a Sin to Tell a Lie" entführt das Publikum in die swingenden Dreißigerjahre, und es wird gescattet, dass sich die Vokale biegen. Plötzlich steht mit Titus junior ein weiterer Vollmer auf der Bühne, der mal eine Soulnummer zum Besten gibt, mal den "Grumpy Boy" mimt und mal eine Hymne an die Völlerei anstimmt - wozu sich noch Mutter Vollmer Paloma am Saxofon zu ihren Männern gesellt.

"Man hört auf, etwas zu wollen, und ist einfach ganz zufrieden mit dem, was man macht", umschreibt Lena Neumann ihr selbst komponiertes Stück "The Moment You Stop", in dem ihr warmes Timbre voll zur Geltung kommt. "Ain't no Mountain High Enough" fehlt an diesem Abend ebenso wenig wie James Taylors "Everybody Has The Blues". Wie passend.

Elias Vollmer bezweifelt, dass es von dieser Art Herz-Erwärmung in nächster Zeit weitere Auffrischungen geben könnte. "Die Befürchtung ist schon da, wie das jetzt weitergeht", sagt der junge Pianist, der eine Musikerkarriere anstrebt, "in der man nicht unterrichten muss". Viele Auftritte hätten sie zuletzt nicht gehabt. "Für uns ist das heute schon ein Highlight", so der 22-Jährige.

Die Lenas hatten ihn zunächst bei einer turnusmäßig stattfindenden Universitätsveranstaltung als Begleitmusiker engagiert. Dass sie einen Abend in einen Lichtblick verwandeln können, haben sie in Geretsried bewiesen.

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