Geretsried:Wege zur Flucht

Im Festzelt an der Jahnstraße laufen die Vorbereitungen für den "Kulturherbst". Auf der Bühne spielt ein Stück über Flüchtlinge eine wichtige Rolle, dahinter der Brandschutz

Von Felicitas Amler, Geretsried

Konstantin Wecker trinkt nach seinem Auftritt gern mal einen Chablis, die Vier von Quadro Nuevo sind Vegetarier, und Gerhard Polt freut sich, wenn hinter der Bühne eine Brotzeit bereit steht. Es sind zwar keine Geheimnisse, die Inge Hammerschmied da im Backstage-Bereich des Festivalzelts am Geretsrieder Eisstadion erzählt. Aber eben doch die kleinen Feinheiten, die den "Kulturherbst", der dort heuer zum zweiten Mal stattfindet, zu einem Festival der eigenen Art machen. Hammerschmied und Impresario Günter Wagner betreuen die Künstler zusammen mit vielen Ehrenamtlichen sorgsam, und das hat sich offenbar herumgesprochen. Er habe es schon erlebt, berichtet Wagner, dass er bei einer Agentur angerufen und dort die Antwort erhalten habe: Ach, ihr seid der Kulturherbst - da kommen wir gern.

Und das tun sie von diesem Donnerstag an: Konstantin Wecker und Werner Schneyder, Martina Schwarzmann, die Spider Murphy Gang, Gerhard Polt, die Well-Buam und nicht zuletzt das Ensemble aus Laien und Profis, das Wagners aktuell geschriebenes Stück "Flucht" auf die Bühne bringt, zu dem Wecker die Musik geschrieben hat.

Im Festzelt laufen seit Sonntag die Vorbereitungen, am Dienstag führten Wagner und Annette Hilpert, bei der Stadt Geretsried fürs Marketing zuständig, übers Festivalgelände. Dazu gehören außer dem zehn Meter hohen Zelt mit Sternenhimmel, das 850 Zuschauern Platz bietet, ein Gastronomiezelt, eine Merchandising-Bude, die Sanitäranlagen und jede Menge Technik. "Ich träume mittlerweile von dem Wort Fluchtweg", sagt Wagner lachend. Tatsächlich seien die Anforderungen diesmal deutlich strenger und präziser als beim ersten Zelt-Festival vor zwei Jahren.

Geretsrieder Kulturherbst 2014

Einmalige Performance: Der Auftritt dieses Technikers im Geretsrieder Kulturzelt gehört nicht zum offiziellen Programm.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Das 65 mal 85 Meter große Areal ist mit einem Bauzaun abgegrenzt, die beiden Fluchtausgänge aus dem Zelt werden während der Vorführungen jeweils von zwei Leuten bewacht, alles ist mit massiven Lichtanlagen ausgerüstet, damit im Fall einer Panik die Fluchtwege erkennbar sind. Am Dienstag wurden mit Hilfe der Feuerwehr vier extra starke Scheinwerfer über dem Zelt angebracht, die im Ernstfall eingeschaltet werden.

Wagner, der in der Hauptsache für die Programmgestaltung des städtischen Festivals engagiert ist, beaufsichtigt auch die technischen Details. "Gestern war ich um acht Uhr hier und bin nachts um elf gegangen", sagt er. Den Spaß an der Arbeit verliert er offenkundig nicht. Mit allen hauptberuflich oder ehrenamtlich herumwuselnden Helfern pflegt er einen freundlich-scherzenden Kontakt. Und als er nach Anekdoten aus der Vorbereitungsphase gefragt wird, fällt ihm bald eine ein, die den seit Jahrzehnten auf einen S-Bahnanschluss wartenden Geretsriedern gefallen dürfte: Die Agentursprecherin des österreichischen Kabarettisten Werner Schneyder, der mit dem Zug anreisen möchte, habe ihn verwundert angerufen: "Ich schau immer: Geretsried, Geretsried und finde keinen Bahnhof."

Kurz vor einer Probe zum Theaterstück "Flucht", das am Samstag Premiere hat, lieferte der Bauhof am Dienstag noch die letzten Stühle fürs Zelt an. Derweil befasste sich Regisseur Harald Helfrich mit Beleuchtungseinstellungen. Das Licht werde in dem Stück ebenso zur Gestaltung von Räumen dienen wie die drei Bühnenebenen, erklärte er. Helfrich selbst wird im Bühnenhintergrund die große Trommel schlagen, mit der in einer Szene ein faschistisches Lied untermalt wird. Wagner will mit seinem Stück am Beispiel einer bayerischen Durchschnittsfamilie, an deren Haustür eines Tages ein Flüchtling klingelt, ein Thema inszenieren, das gerade in Geretsried mindestens von zwei Seiten beleuchtet werden kann: Die Stadt ist aus der Ansiedlung Heimatvertriebener nach dem Zweiten Weltkrieg erwachsen. Und sie beherbergt heute die erste zentrale Asylbewerberunterkunft des Landkreises.

heinz stoewer - paintings

Heinz Stoewer gibt Einblick in sein Wackersberger Atelier.

(Foto: Neubauer)

www.kulturherbst-geretsried.de

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