Ein dringender Appell aus GeretsriedNeue Bundesregierung soll Städte entlasten

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Geretsried kommt dieses Jahr noch ohne neue Kreditaufnahme aus, dann aber nicht mehr.
Geretsried kommt dieses Jahr noch ohne neue Kreditaufnahme aus, dann aber nicht mehr. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Bürgermeister Michael Müller beklagt in seiner Haushaltsrede, dass die Kommunen ein Viertel der staatlichen Aufgaben trügen, aber nur ein Siebtel der Einnahmen erhielten.

Von Felicitas Amler, Geretsried

Der Geretsrieder Bürgermeister Michael Müller (CSU) hat dringend und nachdrücklich eine neue Finanzverteilung zwischen Bund, Ländern und Städten gefordert. In einer ungewöhnlich grundsätzlichen Haushaltsrede sprach er am Dienstag im Stadtrat von der „Stunde der Wahrheit“. Heftig kritisierte er die „strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen“ bei gleichzeitig ständigem Aufgabenzuwachs. Zwei Tage nach der Bundestagswahl fragte er: „Wagt sich die neue Regierung in Berlin an eine Reform der Kommunalfinanzen, die den Namen Reform verdient?“

Der Haushaltsentwurf, den Müller und die Kämmerei vorlegten, wurde diesmal zunächst in die Fraktionen verwiesen; erst danach soll er im Haupt- und Finanzausschuss beraten und schließlich im Stadtrat verabschiedet werden. Einzig Patrick Kohlert sagte für seine Fraktion der Geretsrieder Liste: „Wenn es nach uns ginge, könnten wir das Ding jetzt abstimmen.“ Doch schließlich votierten alle dafür, den von Müller vorgeschlagenen Weg zu gehen.

Kämmerei rät zu Überprüfung freiwilliger Leistungen

Manja Frieße trug als Sprecherin der Kämmerei die Eckdaten des Haushalts vor (siehe Kasten) und empfahl schließlich zur Stabilisierung der Lage folgende Schritte: „Einsparungen bei laufenden Verwaltungsausgaben; kritische Überprüfung und Priorisierung von Investitionen; Vermeidung überhöhter Investitionsvorhaben sowie eine detaillierte Analyse freiwilliger Aufgaben zur Reduzierung der finanziellen Belastung“.

Bürgermeister Michael Müller hat Forderungen an die neue Bundesregierung formuliert.
Bürgermeister Michael Müller hat Forderungen an die neue Bundesregierung formuliert. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Die Kommunen trügen, so legte der Bürgermeister in seiner Rede dar, etwa ein Viertel der gesamtstaatlichen Aufgaben, hätten aber nur ein Siebtel der Steuereinnahmen. Müller schlug als eine – wenn auch seiner Ansicht nach nicht ausreichende – Verbesserung einen größeren Anteil der Städte an den Gemeinschaftssteuern vor, zum Beispiel an der Umsatzsteuer.

Sozialleistungen infrage gestellt

Vor allem aber dürfe es von Bund und Ländern keine zusätzlichen Aufgaben mehr für die Städte geben, die nicht ausfinanziert sind. Mit Blick auf den Kreishaushalt sowie die Kreis- und die Bezirksumlage forderte Müller, die Städte bei den Sozialausgaben zu entlasten. Die Kinder- und Jugendhilfe sei in den vergangenen zehn Jahren um 105 Prozent und die der Eingliederungshilfe um 66 Prozent gestiegen. „Das ist im jetzigen System auf Dauer nicht finanzierbar.“ Neue Rechtsansprüche in der Sozialpolitik seien nicht umsetzbar; selbst den „Status quo von Standards und Leistungen“ stellte er infrage.

Stellvertretend für alle sagte der Geretsrieder Bürgermeister, die Kommunen klagten nicht, weil Klappern oder Jammern zum Handwerk gehöre, sondern weil sie wegen fehlender Mittel daran gehindert würden, ihre Aufgaben angemessen zu erfüllen. „Die Kommunen gestalten das Leben vor Ort, aber man versagt ihnen eine vernünftige Finanzausstattung.“

Kinderbetreuung und Bildung sollen einen Schwerpunkt des Haushalts bilden.
Kinderbetreuung und Bildung sollen einen Schwerpunkt des Haushalts bilden. (Foto: Manfred Neubauer)

Als wesentliche Ziele des neuen Haushalts nannte Müller Wohnen, Familie und Stadtentwicklung, Wirtschaft und Zusammenarbeit, Mobilität und Umwelt sowie Lebensqualität, Sport und Kultur. Wie schon in früheren Jahren hob er hervor: „Kindergärten und Schulen haben Vorrang.“ Dies schlägt sich im Haushalt 2025 und in der längerfristigen Finanzplanung in folgenden Investitionen nieder: Neubau der Kita Johann-Sebastian-Bach-Straße, Sanierung und Erweiterung der Mittelschule, Aufstockung der Mittagsbetreuungen in der Karl-Lederer- und der Isardamm-Grundschule; dazu komme das von 2026 an als Rechtsanspruch festgelegte Ganztagsangebot an Grundschulen.

Zum Klimaschutz verwies Müller auf das Geothermie-Projekt von Eavor Deutschland in Gelting mit der dazu bereits gegründeten Isar-Loisach-Naturwärme GmbH und auf das Mobilitätskonzept der Stadt.

Müller, der sich seit Jahren stets positiv über die notwendige Unterbringung von Flüchtlingen äußert, ergänzte dies nun um den expliziten Hinweis: „Integration verbessern, ungesteuerte Migration begrenzen“. Migration und Integration müssten differenziert betrachtet werden, sagte er und verband auch dies mit einem Appell in Richtung Hauptstadt: „Die neue Bundesregierung muss die Städte finanziell wie organisatorisch besser bei allen Integrationsaufgaben unterstützen.“

Haushalt in Zahlen

Die Stadt Geretsried plant laut Kämmerei-Mitarbeiterin Manja Frieße bis zum Jahr 2028 Investitionen in Höhe von 54 Millionen Euro. Eine Kreditaufnahme von drei Millionen Euro sei im Jahr 2027 nötig, eine weitere von fünf Millionen Euro im Jahr 2028.

Nach Frießes Überblick liegen die ordentlichen Erträge im aktuellen Haushalt bei 64,75 Millionen Euro. Zu den ordentlichen Aufwendungen von 68,35 Millionen Euro tragen ein Anstieg der Personal- und Versorgungsaufwendungen um 6,4 Prozent auf 11,2 Millionen Euro, höhere Transferaufwendungen von 1,53 Millionen Euro und die Erhöhung der Kreisumlage um 9,53 Prozent auf 19,3 Millionen Euro bei.

Der Personalhaushalt schlüsselt sich wie folgt auf: Erhöhung der Kapazität in diesem Jahr um 6,33 Stellen. Insgesamt beschäftigt die Stadt Beamte auf 22,15 Stellen, Angestellte auf 127 Stellen und fünf Arbeitnehmer/innen im Sozial- oder Erziehungsdienst.

Als wichtige Investitionen nannte sie unter dem Stichwort „Bildung & Betreuung“den Erweiterungsbau und die Generalsanierung der Adalbert-Stifter-Mittelschule, die Aufstockung der Mittagsbetreuungen an der Isardamm- und der Karl-Lederer- Grundschule und den Bau einer neuen zehngruppigen Kindertagesstätte.

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