Holzrücken auf traditionelle Art:Ein Zugpferd für Geretsried

Holzrücken auf traditionelle Art: Jetzt aber schnell "wist!", also nach links, um an dem Bäumchen vorbeizukommen: Manfred Schmid mit seinem Holzrückepferd Felix.

Jetzt aber schnell "wist!", also nach links, um an dem Bäumchen vorbeizukommen: Manfred Schmid mit seinem Holzrückepferd Felix.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Der Kaltblut-Wallach Felix holt 80 Kubikmeter Fichte aus dem Geretsrieder Stadtwald. Förster erproben mit Hilfe seines Besitzers Manfred Schmid die Einsatzmöglichkeit dieses schonenden Verfahrens.

Von Felicitas Amler

Felix hat die Ruhe weg. Fest steht er auf seinen strammen Beinen. Fast unbewegt wartet er. Und wartet. Bis er endlich das Kommando "Hüa!" zum Losmarschieren hört. Dann gehen die 900 Kilo Wallach energischen Schrittes mit etwa 600 Kilo Fracht im Geschirr los. Felix, das sieben Jahre alte Süddeutsche Kaltblut, ist ein Holzrückepferd und als solches gerade im Geretsrieder Stadtwald engagiert. Sein Besitzer Manfred Schmid lotst Felix durch unwegsames Gelände, mal mit einem "Hott!" nach rechts, mal mit einem "Wist!" nach links, und hin und wieder muss er ihn mit einem raschen "Brrr!" abbremsen.

Es ist das erste Mal seit zehn Jahren, dass die Stadt, Besitzerin des Waldes, und das Forstamt, das ihn bewirtschaftet, ein Pferd zur Entnahme von Nutzholz einsetzen. Revierförster Sebastian Schlenz und Christian Webert, Leiter des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Holzkirchen, erklären an Ort und Stelle den Sinn. Es sei keineswegs Romantik, ein Pferd für diese Arbeit einzusetzen, sagen sie. Vielmehr sei es eine schonende und damit nachhaltige Arbeitsweise. Anders als Maschinen brauchten Pferde keine Rückegassen, um die Holzstämme rauszuziehen. Das bedeutet, dass wertvolle Flächen erhalten bleiben und gleichzeitig der Boden nicht verdichtet wird. Ein Aspekt, den Inken Domany, im Rathaus für alle Umweltfragen zuständig, hervorhebt.

Der Wald sei ja überhaupt der Stolz der Stadt, betont Bürgermeister Michael Müller (CSU). Er habe "Seltenheitswert" für eine Kommune dieser Größenordnung - Geretsried hat rund 26 000 Einwohner -, biete Erholung, sei schön, ökologisch und liefere einen nachwachsenden, also "klimafreundlichen" Rohstoff, so Müller.

Wertvoller Rohstoff

Der Rohstoff Fichte, der gerade mit Felix' Hilfe gewonnen wird, würde laut Forstamtschef Webert reichen, um zwei Einfamilienhäuser zu bauen. Etwa 80 Kubikmeter holt der Wallach von der 2,5 Hektar großen Fläche mitten im Stadtwald zwischen Adalbert-Stifter-Straße und Bundesstraße 11. Dies sei ein Pilotprojekt, erklärt Revierförster Schlenz. Mit Pferd koste die Maßnahme 60 bis 70 Prozent mehr als mit Maschinen. Doch für das Holz gebe es "Abnehmer in Nah und Fern", sagt Florian Lohrer, Geschäftsführer der Waldbesitzervereinigung (WBV) Wolfratshausen. Die WBV betreut den Geretsrieder Wald in Sachen Verwertung. Lohrer sagt, der Holzbau sei ja "groß im Kommen", und Fichte sei ein sehr hochwertiges Bauholz - in Gewicht und Tragfähigkeit sogar "einzigartig". Die WBV habe Kunden von Dietramszell bis nach Oberösterreich. Der Einsatz von Pferden sei zwar unter den hiesigen Waldbesitzern nicht verbreitet. Doch Lohrer würdigt ihn als "wirkliche Handwerkskunst".

Wie gut er und Felix sie beherrschen, demonstriert Manfred Schmid beim Ortstermin mit einem besonders großen und damit schweren Holzstamm. Der Wallach könne natürlich nicht einen ganzen Einsatz lang 600 Kilo schwere Lasten ziehen, sagt er. Auf Dauer schaffe er 300 Kilo, und die durchschnittliche Leistung liege bei vier bis sechs Kubikmeter pro Stunde. "Eigentlich könnte das jedes Pferd", sagt Schmid. Aber es habe schon einen Grund, warum man Kaltblüter für diese Arbeit verwende: Sie sind eben nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen. Das scheint auch auf Felix' Besitzer zuzutreffen. Er leitet sein Tier besonnen durchs unebene Gelände, vorbei an vielen kleinen Hindernissen wie den herumliegenden Stämmen und den dünnen Bäumen allenthalben. Auf die Frage nach dem Lohn der Mühen antwortet Schmid: Felix bekomme Hafer und er selbst werde im Gasthof Geiger einkehren.

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