Geretsried:Stadtrat beschließt den Turmbau am Karl-Lederer-Platz

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Allerdings kritisiert CSU-Sprecher Volker Reeh den Umgang mit den Gegnern des Projekts. Die Anwohnergemeinschaft erwägt Klagen und ein Bürgerbegehren.

Von Thekla Kraußeneck, Geretsried

Ein großer Schritt hin zum Turm ist getan: Der Geretsrieder Stadtrat hat in seiner Sitzung am Dienstag den vorhabenbezogenen Bebauungsplan für den Neubau am Karl-Lederer-Platz beschlossen. Bürgermeister Michael Müller (CSU) hielt zuvor eine Grundsatzrede, in der er noch einmal für den Turm warb. CSU-Fraktionssprecher Volker Reeh beklagte den Umgang mit den Gegnern des Projekts, zu denen er ebenfalls zählt. Die Anwohnergemeinschaft, die Anfang März die Demonstration am Karl-Lederer-Platz initiiert hatte, erklärte im Anschluss an die Sitzung der Süddeutschen Zeitung, sie wolle entweder vor Gericht ziehen oder ein Bürgerbegehren einleiten.

Fast eine halbe Stunde lang appellierte Müller an den Stadtrat. Was mache die Stadt attraktiv, und wie könne man verdeutlichen, über welches Potenzial sie verfüge? Die "Antworten von gestern" seien heute überholt: Familien zögen nicht mehr ins Eigenheim im Grünen, weil sie sich das nicht mehr leisten könnten. Weil Geretsried ohnehin nicht mehr ins Grüne dringen könne, müsse es sich im Zentrum entwickeln. Dieses solle zum Wohn- und Einkaufsort für die ganze Region werden, "zu einem beliebten Aufenthaltsort". Zuvor hatte der Stadtrat formell die Entwicklung der Böhmwiese nach dem Masterplan von 2013 eingestellt, um bald einen neuen Masterplan anzustreben. Hätte das Gremium nach den alten Plänen die Böhmwiese und das Lorenzareal zu Geschäftszentren entwickelt, "hätte das jede Zentrumsentwicklung in der T-Zone totgemacht". Gemeint waren die Egerlandstraße und der Karl-Lederer-Platz mit ihrem T-förmigen Grundriss. Es reiche nicht, dort nur die Fassaden zu sanieren, sagte der Bürgermeister.

Die Interessengemeinschaft der Anwohner und Eigentümer hatte vor zwei Wochen 1266 Unterschriften gegen den Bau im Rathaus abgegeben. Diese Meinungsbekundung sei "sehr ernst genommen" worden, sagte Müller. Die Stadt habe auch prüfen lassen, ob die Formulierung des Protests die Voraussetzungen für ein Bürgerbegehren erfülle, dies sei aber nicht der Fall gewesen. Die Projektgegner reagierten nach der Sitzung mit Wut auf diese Feststellung: Die Liste sei nie als Antrag auf ein Bürgerbegehren gedacht gewesen, sondern in den Tagen vor der Demo sehr spontan formuliert worden, sagte Anwohner-Sprecherin Eva Eberhardt. Als die Liste im Rathaus überreicht wurde, habe es geheißen, man habe den Bürgermeister überfallen. Das stimme nicht: Man habe ganz bewusst nicht mit Bürgermeister Müller reden wollen, da dieser bei einem vorherigen Gespräch mit Architekt Klaus Kehrbaum und den Anwohnern die meiste Zeit mit seinem Handy beschäftigt gewesen sei. Wut äußerten die Projektgegner auch über die Besprechung der Einwendungen im Entwicklungs- und Planungsausschuss am Montag: Entscheidende Passagen in den Briefen seien beim Vorlesen ausgelassen und nicht näher behandelt worden. Ruhe geben wollen die Anwohner nun nicht. "Wir klagen bis zum höchsten Gericht", hieß es. Allerdings ist auch die Idee eines Bürgerbegehrens noch nicht vom Tisch. Dass sie genügend Unterschriften dafür bekämen, bezweifelt Eberhardt nicht: Noch heute, Wochen nach der Demo, klingelten Bürger bei ihr, die unterschreiben wollten - Studenten genauso wie Senioren.

Im Stadtrat wurde zum Teil eine andere Auffassung deutlich. "Wir haben uns mit allen Bedenken auseinandergesetzt", sagte Dritter Bürgermeister Gerhard Meinl. "Die CSU steht für diese epochale Entwicklung unserer Stadt." Allerdings, schickte er voraus, gebe es in der CSU "gegen viele Gerüchte" keinen Fraktionszwang. Fraktionssprecher Reeh, auch betroffener Eigentümer, nahm den Faden auf. "Ich wurde als Neider bezichtigt, weil ich gegen die Höhe war", sagte er. Das habe ihn getroffen, er sei deshalb immer noch verärgert. Den Umgang mit den Gegnern des Turms kritisierte Reeh scharf, Sorgen seien mit teils anmaßenden Aussagen weggewischt worden. Aus Gesprächen mit Architekt Kehrbaum sei er bisweilen nicht schlau geworden: "Aber so ein Künstler aus München ist natürlich was anderes als so ein Provinzfischhändler." Kehrbaum habe einmal zu ihm gesagt, es sei ganz einfach, einen Bebauungsplan nach den Vorstellungen eines Planers zu ändern; "das habe ich mir sogar aufgeschrieben", sagte Reeh. Mit einer Veränderung am Karl-Lederer-Platz sei er zwar einverstanden. "Aber dieses Vorhaben ist mir zu hoch und zu breit." Neben Reeh stimmten Sabine Lorenz (CSU) und Arthur Wolfseher (SPD) gegen den Bebauungsplan.

Zum Abschluss ging Meinl auf die anonymen Wutbriefe ein, die jemand an die Presse und das Rathaus geschickt hatte. Dem Stadtrat sei es immer "um das Wohl der Stadt" gegangen. Der Vorwurf der kriminellen Handlung sei eine "Ehrabschneidung"; eine solche Unterstellung in der Öffentlichkeit lasse sich der Stadtrat nicht gefallen. Das Gremium stimmte zu, indem es auf die Tische klopfte.

© SZ vom 30.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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