Geretsried:Der Tiger bleibt draußen

Lesezeit: 2 min

Stadträte lehnen Gastspiele von Zirkussen mit Elefanten, Löwen und Tigern ab - und begeben sich bewusst auf rechtlich unsicheres Terrain.

Wolfgang Schäl

Die Kontroverse um den Circus Crocofant hat am Dienstag im Geretsrieder Rathaus eine lebhafte Debatte ausgelöst, die streckenweise Züge eines juristischen Seminars annahm. An der bisherigen Haltung der Stadt ändert sich indessen im Prinzip nichts: Der Haupt- und Finanzausschuss lehnt es ab, Zirkusunternehmen gastieren zu lassen, die für ihre Dressuren Wildtiere einsetzt - sehr zum Ärger von Zirkusdirektor François Meise, der sich durch das Veto von Bürgermeisterin Cornelia Irmer (parteilos) in seinem Grundrecht auf freie Gewerbeausübung unzulässig behindert fühlt.

Bürgermeisterin Cornelia Irmer zeigte ihre Ablehnung von Zirkussen mit wilden Tieren deutlich: "Vorführungen mit abgerichteten Tieren sind unverantwortlich." (Foto: Manfred Neubauer)

Formal wurde der Beschluss des Ausschusses in die Formel gefasst, dass die Stadt auf entsprechenden Antrag hin jeweils einen Platzüberlassungsvertrag schließt und Auftritte nur genehmigt, wenn auf Wildtiervorführungen im Sinne des sogenannten "Heidelberger Modells" verzichtet wird. Dieses Modell umfasst eine lange Liste von wildlebenden Arten, die von Menschenaffen über Antilopen, Delfine, Krokodile, Giraffen bis hin zu Wölfen, Flusspferden, Lamas und Riesenschlangen reicht.

Die Reaktionen auf das im November von der Rathausverwaltung ausgesprochene Auftrittsverbot für den Circus Crocofant am Eisstadion waren weit emotionaler als erwartet ausgefallen. Der Fall habe "erstaunliche Wellen geschlagen", wunderte sich Bürgermeisterin Irmer, sie habe in diesem Zusammenhang "viele lehrreiche E-Mails erhalten".

Als "sehr würzig" empfand der Zweite Bürgermeister Gerhard Meinl (CSU) die an ihn gerichteten Zuschriften: "Da hauen sich die Leute den Schädel ein." Robert Lug (Freie Wähler) erkannte gar "religiöse Züge" in der Diskussion. Er sei "mit Briefen bombardiert worden" und habe den Eindruck gewonnen, da seien "nur noch Fanatiker und Irre unterwegs".

Um den Ausschuss für die Diskussion zu munitionieren, hatte Rainer Kopnicky, Leiter des Liegenschaftsamts, im Vorfeld der Sitzung eine detaillierte rechtliche Einordnung erarbeitet, ein vierseitiges Papier, dessen Verlesung allein einen beachtlichen Teil der Sitzung beanspruchte. Kopnicky listete bereits ergangene Urteile in ähnlich gelagerten Fällen auf und ging auch auf die Forderung der Bundestierärztekammer ein, die ein generelles Verbot von Wildtieren im Zirkus fordert.

Denn die Tiere leiden nach Überzeugung der Veterinäre unter der nicht artgerechten Haltung schwer und reagieren mit Verhaltensstörungen, Erkrankungen und erhöhter Sterblichkeit. Auch der Sicherheitsaspekt spielt mit Blick darauf, dass wilde Tiere ausbrechen können, juristisch eine Rolle. Maßgeblich ist dem Exposé Kopnickys zufolge letztlich aber das Tierschutzgesetz des Bundes, das eine Haltung von Tieren nur unter der Voraussetzung erlaubt, dass diesen keine vermeidbaren Leiden, Schmerzen oder Schäden zugefügt werden.

Weil die von Kopnicky zitierten Urteile nicht höchstinstanzlich waren, stellte sich für die Stadträte die Frage, ob man sich auf rechtlich unsicheres Terrain begeben sollte oder ob es nicht der einfachere Weg wäre, das für März avisierte Zirkusgastspiel mit dem Hinweis auf den laufenden Sportbetrieb im Stadion zu unterbinden.

Bewusst entschied sich das Gremium für den ersten Weg. Dies sei eine Chance, einmal von der unteren Ebene her auf den Gesetzgeber Einfluss zu nehmen, befand Meinl, schließlich müsse man nicht immer vorauseilenden Gehorsam üben. So sah es auch Irmer. "Vorführungen mit abgerichteten Tieren sind unverantwortlich, und da muss man eben auch mal wider den Stachel löcken."

© SZ vom 09.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: