Sieber:Metzgerei ohne Fleisch

Lesezeit: 1 min

Insolvenzverwalter Josef Hingerl erhebt Vorwürfe: Im Fall Sieber sei "auf höchster politischer Ebene" entschieden worden - in fachlicher Unkenntnis. (Foto: Hartmut Pöstges)

Der Insolvenzverwalter fordert eine Million Euro vom Verbraucherschutzministerium, um wieder Wurst und Wammerl produzieren zu können. Doch im Hintergrund wächst das Interesse am Grundstück.

Von David Costanzo, Geretsried

Um Wurst zu produzieren, braucht man eine Metzgerei, Mitarbeiter und natürlich Fleisch. Der Insolvenzverwalter von Sieber in Geretsried, Josef Hingerl, hat fast alles: Der gesamte Großbetrieb ist nach den Funden von Listerien auf Wurst und Wammerl Ende Mai gereinigt, umgebaut und von den Behörden wieder freigegeben. Die rund 100 Mitarbeiter könnten sofort mit der Produktion loslegen. Nur: Sieber ist derzeit eine Metzgerei ohne Fleisch und ohne Geld. Nun fordert Hingerl vom Freistaat Bares.

Dem Insolvenzverwalter fehlt ein Investor oder das Geld für den Einkauf. Der Kontostand? "Null", sagt Hingerl. "Ich hoffe tagtäglich, dass etwas passiert." Die Mitarbeiter stehen bald auf der Straße. Verbraucherschutzministerium und Landratsamt weisen alle Forderungen zurück.

Eine Million Euro verlangt Hingerl vom Ministerium sowie eine Bürgschaft über zwei Millionen Euro, um Sieber zu retten. Der Insolvenzverwalter versteht den Betrag als "Schadensausgleich" für das in seinen Augen überzogene und womöglich rechtswidrige Vorgehen der Behörden. Mit dem Geld könne das Unternehmen fortbestehen: Die Million würde den drohenden Verlust bis Mitte kommenden Jahres ausgleichen, mit der Bürgschaft würde Hingerl neue Kredite besorgen, um Fleisch für die Produktion einzukaufen und um die Mitarbeiter zu bezahlen. Die Zeit ist knapp: Im August haben die Angestellten noch Lohn aus dem Insolvenzgeld erhalten - im September läuft das aus.

Sollte die Produktion gar nicht wieder aufgenommen werden, käme es noch dicker: Dann entstehe ein Schaden von zehn Millionen Euro. Es drohten lange Prozesse.

Die Gesundheitsbehörden hatten den Betrieb Ende Mai gesperrt und alle Waren aus dem Handel zurückgerufen, nachdem in Wurst und Wammerl Listerien gefunden worden waren. Die Bakterien stehen aus Sicht der Experten mit hoher Wahrscheinlichkeit im Zusammenhang mit einer Listeriose-Erkrankungswelle in Süddeutschland mit 76 Infektionen und acht Todesfällen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen das Lebensmittelgesetz.

Verbraucherschutzministerium und Landratsamt verweisen auf die Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts zu ihren Gunsten. Forderungen an den Freistaat seien unbegründet: "Die Gewährung von Aufbauhilfen für insolvente Betriebe ist ungeachtet ihrer rechtlichen Zulässigkeit nicht Aufgabe des Verbraucherschutzministeriums", erklärt eine Sprecherin.

Wenn der Freistaat nicht zahlt und sich auch kein Investor findet, skizziert Insolvenzverwalter Hingerl einen dritten Weg: Dann werde er die Immobilie verkaufen müssen. Er wisse, dass es großes Interesse am Grundstück gebe. Schließlich plant die Stadt nebenan ein neues Quartier mit rund 600 Wohnungen.

© SZ vom 02.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: