Corona in Bad Tölz-Wolfratshausen:Wenn die Eigenverantwortung versagt

Vor allem der Corona-Ausbruch in einem Geretsrieder Heim ist für die weiterhin hohe Inzidenz im Landkreis verantwortlich.

Von Felix Haselsteiner, Bad Tölz-Wolfratshausen

Die magische 50 als Inzidenzwert: Davon scheint der Landkreis in diesen Tagen noch weit entfernt zu sein. Stand Montag hätten es 53,2 weniger Infizierte auf 100 000 Einwohner sein müssen, um zumindest regional wieder auf den bundesweit angestrebten Sieben-Tage-Wert zu kommen, der die Nachverfolgung und Eindämmung der Corona-Fälle ermöglichen soll. Die Frage, die sich deshalb stellt, ist: Wie kommt das hohe Infektionsgeschehen aktuell zustande? Und: Könnte die Inzidenz im Landkreis nicht längst deutlich niedriger sein?

52 aktive Infektionen gibt es derzeit in einem Pflegeheim in Geretsried, wie die Kreisbehörde am Montag bekanntgegeben hat. 101 Infektionen seien in dem nicht näher benannten Heim insgesamt seit Mitte Januar aufgetreten, so die Auskunft von Marlis Peischer, der Sprecherin des Landratsamts. 38 Bewohner seien in der Einrichtung momentan akut infiziert sowie 14 Personen aus dem Personal, stationär behandelt würden sieben Patienten. Zwei der Bewohner sind inzwischen während einer Corona-Infektion gestorben.

Für die aktuellen Inzidenz-Werte zählen nur die Neuinfektionen, aus denen sich immer noch ein deutliches Bild ergibt: Der Hauptgrund, warum der Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen im Vergleich zu den umliegenden Regionen weiterhin fast gleichbleibend hohe Sieben-Tage-Werte aufweist, ist der Ausbruch in dem einzelnen Pflegeheim. Würden dort keine Infektionen auftreten, würde sich Bad Tölz-Wolfratshausen wohl irgendwo im Umfeld der Inzidenzwerte in Miesbach (61) und Weilheim-Schongau (31) bewegen.

"Die Verordnungen und Hygienekonzepte sind in ganz Bayern gleich klar formuliert", sagt Marlis Peischer auf die Frage, wie es sein kann, dass weiterhin solche Häufungen von Infektionen in Pflegeheimen auftreten. Die Bundeswehr sei bereits im Einsatz, in der Region allerdings nur in den Ämtern zur Unterstützung bei der Nachverfolgung, nicht etwa als zusätzliche Tester vor den Pflegeheimen. Diese sind nach wie vor eigenverantwortlich dafür zuständig, ihr Personal zu testen und die Heimbewohner vor einem Krankheitseintrag zu bewahren.

In welchem Pflegeheim in Geretsried es zu diesem massiven Infektionsgeschehen gekommen ist, diese Information gab das Landratsamt am Montag unter Verweis auf den Datenschutz nicht bekannt. Die Kreisbehörde betonte lediglich, dass die betroffene Einrichtung den Betrieb nach wie vor gewährleisten könne - das Gesundheitsamt stehe weiterhin in Kontakt, in der Einrichtung seien "Pandemie- und Quarantänezonen" eingerichtet worden.

Die Häufung von Corona-Fällen lässt allerdings auch deshalb Fragen offen, weil explizit Heimbewohner als erste im Landkreis per Impfung hätten geschützt werden sollen. Nach Angaben von Peischer hätten 51 Personen, die nun positiv getestet wurden, am 12. Januar ihre Erstimpfung erhalten. Da der Impfstoff seine volle Wirksamkeit allerdings erst 14 Tage nach der Zweitimpfung entfaltet, ist davon auszugehen, dass bei der Mehrheit der Infizierten die Immunisierung offenbar noch keine Wirkung gezeigt hat. Dass es sich um eine Virus-Mutante handeln könnte, das immerhin kann die Kreisbehörde aktuell ausschließen. Eine solche hätte sich in den standardmäßig getesteten fünf Prozent der positiven Proben nicht abgezeichnet.

Die Debatte um die Pflege- und Altenheime dürfte jedoch in den kommenden Wochen und Monaten noch einmal an Fahrt aufnehmen. Aktuell nämlich mag die Inzidenz ein Wert sein, der "nur" einen Vergleich zwischen Regionen ermöglicht. Bald könnte der Sieben-Tage-Wert aber auch über vereinzelte Öffnungsschritte entscheiden, wie es schon bei der 15-Kilometer-Regel der Fall war. Wenn dann einzelne Ausbrüche in Heimen dazu führen, dass das Leben aller im Landkreis weiterhin eingeschränkt werden muss, dürfte der Infektionsschutz dort noch breiter diskutiert werden. Verhindert wird diese Debatte aktuell aber noch durch die Infektionsschutzverordnung in Bayern, die ein einheitliches Vorgehen im ganzen Freistaat festlegt - und dadurch, dass die Zahlen zu hoch sind. Selbst wenn man den Heimausbruch herausrechnet.

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