Geretsried:Perfekte Symbiose

Geretsried: Gregor und Raphael Mayrhofer sind "Imbrothersation". Die beiden Musiker geben immer wieder Konzerte im Geretsrieder Gymnasium.

Gregor und Raphael Mayrhofer sind "Imbrothersation". Die beiden Musiker geben immer wieder Konzerte im Geretsrieder Gymnasium.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Raphael und Gregor Mayrhofer begeistern als "Imbrothersation" in der Aula des Geretsrieder Gymnasiums einmal mehr das Publikum. Dabei mischen sie (höheren) Blödsinn mit ganz großer Kunst.

Von Reinhard Szyszka, Geretsried

Tief in Gedanken versunken, die Hand grüblerisch auf die Stirne gelegt: So betritt der junge Mann die Bühne. Er nimmt am Klavier Platz, versucht mehrfach, mit großer Geste loszulegen, bricht aber dann doch wieder ab: Das Urbild eines bedauernswerten Komponisten, dem nichts einfällt. "Da sitzt man stundenlang da", erläutert er, "ach, was sage ich: tagelang, jahrelang - und wenn man was geschrieben hat, wer will das dann hören?" Immer nur Dur-Akkorde wollen die Leute. Fast widerwillig schlägt der junge Mann zwei Dur-Akkorde an; eine jodelnde Stimme aus den Kulissen antwortet. Dann zwei Moll-Akkorde, wieder mit gejodelter Antwort. Und ganz unmerklich löst sich aus den scheinbar so ziellos hingeworfenen Tönen die Ouvertüre zu Mozarts "Zauberflöte". Man merkt: hier sitzt kein Möchtegern-Musiker am Flügel, sondern jemand, der wirklich spielen kann. Und improvisieren. Und komponieren. Ein musikalischer Tausendsassa.

Dann kommt ein zweiter junger Mann aufs Podium. "Mozart ist ja kein schlechter Komponist - für den Klassenunterricht", erklärt er. Aha, ein Musiklehrer. Während der Lehrer spricht, spielt der Pianist munter weiter, wechselt nahtlos von Mozart zu Jazz. Und dann setzt sich der Musiklehrer ans Schlagzeug und zeigt, dass er mit großer Trommel, Tomtom und Becken ebenso sicher und virtuos umgehen kann wie sein musikalischer Gegenpart mit den Klaviertasten. Mehr noch: Aus dem Zusammenspiel von Pianist und Perkussionist erwächst etwas Neues, eine Symbiose tiefer, jahrzehntelanger Vertrautheit, wie sie nur aus einer gemeinsamen Lebensgeschichte entstehen kann.

Die Brüder Gregor Mayrhofer (Klavier) und Raphael Mayrhofer (Schlagzeug), als Duo unter dem Namen "Imbrothersation" unterwegs, sind spätestens seit 2010, als sie einen Hauptpreis beim Tassilo-Preis der Süddeutschen Zeitung gewonnen haben, ein Begriff. Am Freitag präsentierten sie ihr aktuelles Programm "A Bavarian in New York" in der Aula des Geretsrieder Gymnasiums. Ein Heimspiel, denn beide haben einst an diesem Gymnasium ihr Abitur abgelegt. Die Aula war gut besucht, aber nicht brechend voll, und das Publikum bot einen erfreulichen Querschnitt durch alle Altersklassen.

Die beiden hatten ein abwechslungsreiches, amüsantes Programm zusammengestellt, das träumerisch-sanfte Klänge ebenso bot wie stürmisch-virtuose Passagen. Das Zusammenspiel der Brüder ist von einer unglaublichen Präzision geprägt. Hinzu kam die witzige, fast kabarettistische Modulation. Dass die Wörter "Floßlände" und "Stromschnelle" so ähnlich klingen wie die Namen der Rheintöchter bei Richard Wagner - darauf muss man erst einmal kommen. Und als Gregor Mayrhofer dann einen Opernzyklus ankündigte unter dem Titel "Der S-Bahn-Ring, der nie gelungen" - in Anlehnung an Wagners "Ring des Nibelungen" -, jubelte das Publikum vor Begeisterung.

Freilich waren nicht alle Scherze von dieser Qualität. Raphael Mayrhofer ließ sich aus dem Publikum die Stichworte "erschöpft" und "Kroatien" zurufen und nahm sie zum Anlass, beim nächsten Stück immer wieder mit Fistelstimme "Erschöpft in Kroatien" einzuwerfen - ein recht magerer Witz. Und die ausgedehnte Pantomime zu Beginn des zweiten Teils, von Gregor vorgeführt und von Raphael mit Geräuschen untermalt, amüsierte den jüngeren Teil der Zuhörerschaft königlich, zog sich aber arg in die Länge. Dabei haben die beiden Brüder solche Ausflüge in die Niederungen der Komik doch gar nicht nötig. Viel besser gerieten die Gags, die aus der Musik selbst erwuchsen. Etwa, als die Brüder am Klavier einen leidenschaftlichen Tango hinlegten und es bei allen Drehungen und Wendungen schafften, dass immer zwei Hände an den Tasten waren, so dass die Musik nahtlos weiterlief: Das war wirklich höherer Blödsinn und zugleich ganz große Kunst.

Gegen Ende des Konzerts "durfte" auch das Publikum mitmusizieren und den Rhythmus durch Klatschen, Stampfen und Fingerschnipsen verstärken. Und während die Zuhörer schnipsten und Gregor leise in die Tasten griff, verlas Raphael die Danksagungen: an Regie, Technik, Catering-Service, aber auch an die Eltern der beiden, ohne die es "Imbrothersation" nicht gäbe. Und er vergaß auch nicht, sich bei den Herren Bach, Mozart, Wagner, Gershwin & Co. zu bedanken, bei denen die Brüder immer wieder Anleihen gemacht hatten, nur um jedes Mal bald in eigenes Fahrwasser einzuschwenken. Mit einer letzten, ruhig-verhaltenen Zugabe klang der viel umjubelte Auftritt von "Imbrothersation" dann aus.

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