Geretsried:"Nicht so dramatisch"

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Lokalpolitiker weisen die Aussage des Jugendamts zurück, beim Ortsteil Stein handle es sich wegen der hohen Zahl von Heimkindern um einen "sozialen Brennpunkt". Gleichwohl räumen sie Schwierigkeiten ein.

Von Thekla Krausseneck

Ulrich Reiner hat in Geretsried Empörung ausgelöst, als er den Geretsrieder Ortsteil Stein als Brennpunkt bezeichnete. Mitte Juli hatte der Leiter des Amts für Jugend und Familie im Kreisausschuss über die Situation in den vier Sozialräumen berichtet und bei dieser Gelegenheit alarmierende Zahlen auf den Tisch gelegt. Die zeigten auf, dass eine vergleichsweise hohe Anzahl Kinder, die in Heimen untergebracht werden müssen, aus Geretsried-Stein kommt. Die Bewohner des Ortsteils wiederum stammten zu einem Großteil aus Osteuropa und zeigten wegen schlechter Erfahrungen mit Behörden wenig Bereitschaft, mit dem Jugendamt des Landkreises zu kooperieren.

Bürgermeisterin Cornelia Irmer (parteifrei) äußerte sich unlängst in einer Stadtratssitzung verärgert über die Bezeichnung des Ortsteils als Brennpunkt. Sie erinnerte daran, dass die Stadt sich sehr aktiv in der Jugendarbeit engagiere, da die Bevölkerung stark von Menschen mit Migrationshintergrund geprägt sei. Robert Lug (FW), Dritter Bürgermeister, schloss sich Irmers Haltung an. "Ein Brennpunkt ist für mich Berlin-Kreuzberg. Das steckt ja im Namen: Brennpunkt. In Stein brennt nichts." Unter dem Begriff sozialer Brennpunkt verstehe er eine Ballung von Kriminalität und sozialen Problemen, die auf keine Weise in den Griff zu bekommen sei. In Stein sehe er nichts dergleichen. Gleichwohl registriere die Stadt, dass man es dort mit sozialen Probleme zu tun habe.

Dass viele Heimkinder aus Stein kommen, sei schon immer so gewesen. In dem südlichsten Ortsteil Geretsrieds gibt es ungewöhnlich viele Sozialwohnungen. Unter den 2422 Einwohnern von Stein sind 38,6 Prozent aller Geretsrieder Hartz-IV-Empfänger. Der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund liegt bei 10,9 Prozent. Diese Zahlen wurden im vergangenen Jahr im Zusammenhang mit dem Projekt "Integration Aktiv Geretsried - gemeinsam geht's besser" des Trägervereins Jugendarbeit genannt. Zu einem Brennpunkt werde der Stadtteil dadurch nicht, findet der Dritte Bürgermeister Lug.

Der Landkreis ist mittlerweile in sogenannte Sozialräume unterteilt: Neben Nord, Süd und Loisachtal gibt es den Sozialraum Mitte, der Geretsried umfasst. Durch diese dezentrale Jugendarbeit sollen soziale Problemfälle früher erkannt und Heimeinweisungen durch gezielte Hilfe verhindert werden können. Geretsried stellte sich nun als Problemzone heraus. Nach einer Prognose von Hans Gey, der zweimal im Jahr für den Landkreis einen Controlling-Bericht liefert, muss der Kreis heuer 200 000 Euro und im kommenden Jahr 458 000 Euro mehr für die Unterbringung von Kindern in Heimen zahlen. Auffallend viele dieser Kinder sollen nach den Unterlagen des Jugendamtes aus Stein kommen.

"Von einem Brennpunkt würde ich in Geretsried nicht sprechen", sagt aber auch Michael Müller, der Vorsitzende des Trägervereins Jugendarbeit. "Ich sehe es nicht so dramatisch." Müller verweist mit Nachdruck auf die Arbeit des vor zehn Jahren gegründeten Jugendzentrums "Ein-Stein". Diese Einrichtung legt ihren Schwerpunkt weniger darauf, den Jugendlichen einen freien Raum zur Entfaltung zu geben, wie dies dem Konzept des Jugendzentrums "Saftladen" entspricht - im "Ein-Stein" steht mehr die Integrationsarbeit im Vordergrund. Um das Zusammenleben der vielen Nationalitäten zu fördern, die sich in Stein angesiedelt haben, wurde vergangenes Jahr eigens das Projekt "Integration aktiv - gemeinsam geht's besser" vom Trägerverein ins Leben gerufen. Es handelt sich um ein Projekt, das vom Bundesinnenministerium gefördert wird. "Es gibt Einzelfälle in Stein, auch heute noch", räumt Müller ein. Der Ortsteil dürfe deshalb jedoch nicht "stigmatisiert" werden. "Es ist schon so, dass die soziale Struktur eine andere ist als im Blumenviertel", sagt Müller. Die Bezeichnung Brennpunkt sei jedoch "zu stark".

© SZ vom 20.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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