Rechtsextreme Schmierereien in Geretsried:„Ich fürchte die braune Bande nicht“

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„Für Demokratie und Vielfalt“: Resi Harth lebt diese Überzeugung. (Foto: Hartmut Pöstges)

Resi Harth zeigt sich nach dem Sprühangriff auf ihr Haus unerschrocken. Die Initiative „Gemeinsam für Demokratie und Vielfalt“ ruft zur demonstrativen Unterstützung auf.

Von Felicitas Amler, Geretsried

Es lebt gar kein Jude in Resi Harths Haus. Nur Christen wie die 74-jährige Besitzerin und die beiden Frauen aus Eritrea; außerdem zwei Hindus – ein nepalesisches Paar. Sie alle zusammen wohnen friedlich unter dem Dach des Reihenhauses an der Jeschkenstraße in Geretsried. Die Parole „Scheiß Jude“, mit der die Fassade von Resi Harths Heim in der Nacht auf den 19. Dezember 2024 besprüht wurde, unterstreicht nur die rechtsextreme Energie der bisher unbekannten Täter. Genauso wie die SS-Runen, der „Heil“-Schriftzug und die Hakenkreuze auf Tür und Mauer.

Das Transparent der Initiative „Gemeinsam für Demokratie und Vielfalt“ wurde besonders intensiv mit grauen Hakenkreuzen besprüht. (Foto: Privat /oh)
Und über der Eingangstür die antisemitische Parole, die an Anschläge in der Nazi-Zeit erinnert. (Foto: Privat/oh)

Die Bilder, die Harths Tochter von dem Sprühfarben-Anschlag gemacht hat, sind schockierend. Viele, die sie gesehen haben, waren sprachlos. Resi Harth aber hat ihre Fassung nicht verloren. Sie wirkt völlig unerschrocken, wenn sie sagt, vor der „braunen Bande“ werde sie sich nicht verstecken. „Ich fürchte die nicht.“ Nur könne sie sich nicht erklären, warum die Attacke von rechts gerade sie getroffen habe. „Ich bin keinesfalls links außen“, sagt sie. Allerdings ist die zierliche Frau in und um Geretsried sehr bekannt als ökologisch und demokratisch engagierte, äußerst beherzt auftretende Person. So ist sie für das letztlich erfolgreiche Bürgerbegehren zur Rettung des Stadtwalds, gegen den dort geplanten Standort eines privaten Sportgymnasiums immer wieder in Erscheinung getreten. Eher schmunzelnd erzählt sie, dass ihr nun schon öfter eine Gruppe Jugendlicher nachgerufen habe: „Zwecks eich Oide kriagn mia koa supercooles Gymnasium.“ Das nimmt sie nicht schwer.

Für ihre Überzeugungen tritt Resi Harth von jeher ein. Sei es im Bund Naturschutz, in der Kolping-Familie, in der Katholischen Arbeiter-Bewegung, im Radlerclub ADFC oder im Hospizverein. Und seit ein einigen Monaten in der Initiative „Gemeinsam für Demokratie und Vielfalt“, die regelmäßig mit Veranstaltungen in Wolfratshausen und Geretsried auftritt. Und die sich dezidiert gegen Rechtsextremismus richtet. Resi Harth ist dort immer in vorderster Reihe dabei. So fuhr sie im März bei einer Demonstration mit ihrer Rikscha vorneweg, die ein Transparent mit der Aufschrift „Keine Stimme für Neonazis“ trug. Am Ende dieser Fahrt durch Geretsried erinnerte Werner Sebb vom Arbeitskreis Historisches Geretsried in einem Vortrag an die menschenverachtende Zwangsarbeit in der Nazizeit – Resi Harth hielt ihm dabei das Mikro.

Laut Polizei „eine politisch motivierte Straftat“

So gesehen darf man wohl unterstellen, dass Harths Haus gezielt für die Nazi-Schmierereien ausgewählt wurde. Die Polizei äußert sich zu solchen Fragen nicht. Zwar betont Daniel Katz, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Rosenheim, dass der Fall „sehr, sehr ernst genommen“ werde. Es handle sich um „eine politisch motivierte Straftat“, sagt er, weswegen der Staatsschutz der Kriminalpolizei Weilheim ermittle.

Auf die Frage nach einer Einordnung der Tat sagt er, so etwas sei „in dieser Gegend nicht der Normalfall, nichts Alltägliches“. Die kriminalpolizeilichen Ermittlungen wie Vernehmungen und Spurenauswertung dauerten aber noch an, mit Ergebnissen sei „erst in mehreren Wochen“ zu rechnen. Die Polizei weist auch darauf hin, dass eine ausführliche Berichterstattung nicht in ihrem Sinn sei: „Das mediale Aufgreifen macht es uns ein bisschen schwieriger.“

Der Grund ihrer Unerschrockenheit liegt in der Familie

Ganz anders Resi Harth. Sie will nichts geheimhalten, nennt ganz entschlossen auch ihre konkrete Adresse – gern zur Veröffentlichung, wie sie betont. „Ich bin als eines von zehn Kindern aufgewachsen, drum bin ich so unerschrocken“, sagt sie lachend. Sie ist überzeugt: „Ich habe keine Feinde.“ Vielmehr sei sie rundum bekannt als hilfsbereit. „Die Mutter Teresa der Jeschkenstraße – das habe ich schon über mich gehört.“

Diesem großen Herzen haben schon einige Menschen eine Bleibe verdankt, die auf dem freien Wohnungsmarkt vergeblich gesucht hätten. Im ausgebauten Dachgeschoss und im ersten Stock ihres Hauses nimmt Harth, deren Mann verstorben ist und deren Kinder erwachsen sind, immer wieder Geflüchtete auf, seien sie anerkannt oder im Status der Duldung. „Alle arbeiten“, das betont sie. Und hebt auch hervor, dass ihre Offenheit nicht nur den Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern zugutekomme. Sie habe schon auch etwas davon: „Ich liebe es, wenn andere Leute mir aus ihrem Kulturkreis etwas ins Haus bringen“, sagt sie. Ein Jude oder eine Jüdin waren zwar noch nie unter den Aufgenommenen. Aber Resi Harth würde sich auch für deren Religion und Kultur interessieren: „Schließlich stammt unsere christliche Religion vom Judentum ab.“

Diese Fahne ist zu kaufen. (Foto: Privat/oh)

Als Reaktion auf den Vorfall in der Jeschkenstraße hat nun die Initiative „Gemeinsam für Demokratie und Vielfalt“ eine Aktion gestartet, „die es vielen Bürgerinnen und Bürgern erlaubt, sich gegen demokratiefeindliche Kräfte zu positionieren und sich solidarisch zu zeigen mit jenen, die sich für Demokratie und Vielfalt einsetzen“. Sie bietet Banner in den Regenbogenfarben und mit dem Aufdruck „Gemeinsam für Demokratie und Vielfalt“ zum Kauf an. Die von Martin Lorenz vertretene Gruppe greift damit die Idee der Achmühler Bürgerinnen und Bürger auf, „die mit ihrer Banneraktion bereits ein sehr deutliches Zeichen gegen Rechtsextremismus gesetzt haben“. Martin Lorenz erklärt: „Schmierereien wie im Fall Resi Harth dienen dazu, aktive Bürgerinnen und Bürger einzuschüchtern und Meinungsmonopole zu implementieren.“ Die Fahne ist 50 mal 100 Zentimeter groß und zu bestellen per Mail an smartin83@gmx.de

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