Geretsried:Nach der Kulturherbst-Pleite drohen der Stadt Zahlungen

Geretsried: Zum Kulturherbst 2015 lachten noch alle (v.l.): Werner Rampfel, Bürgermeister Michael Müller, Florian Zwipf-Zaharia und Harald Helfrich.

Zum Kulturherbst 2015 lachten noch alle (v.l.): Werner Rampfel, Bürgermeister Michael Müller, Florian Zwipf-Zaharia und Harald Helfrich.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Nun wird die Bürgschaft rechtlich geprüft - und Kartenkäufer verlangen ihr Geld zurück. Andere Veranstalter rätseln über die Ursachen.

Von Stephanie Schwaderer und Ingrid Hügenell

Claudia Koreck, Konstantin Wecker, Christian Springer - das Programm des Kulturherbstes ist nicht gerade arm an prominenten Namen. Dennoch lief der Vorverkauf für das Festival, das am 1. Oktober hätte beginnen sollen, sehr mäßig, mit dramatischen Folgen: Veranstalter Florian Zwipf-Zaharia hat am Freitag einen Insolvenzantrag für seine Cultus Production GmbH gestellt, die von ihm organisierten Veranstaltungen fallen aus.

Nun fragt sich Zwipf-Zaharia, woran das mangelnde Interesse liegt. Denn: "Mit den Leuten hab' ich anderswo volles Haus", sagt der Füssener Kulturveranstalter. Beispielsweise mit "Momo", einer Produktion des Kultursommers Garmisch-Partenkirchen. "Momo" allerdings war diesen Sommer schon in einer sehr erfolgreichen Produktion des Tölzer Gymnasiums zu sehen. Was das Publikum wo sehen wolle, sei extrem schwer einzuschätzen, sagt Zwipf-Zaharia: "Alles ist so heterogen."

War das Konzept der Stadt also falsch gestrickt? "Wenn ich es als falsch gestrickt gesehen hätte, hätte ich es nicht gemacht", sagt der 58-Jährige. Schwierig sei allerdings der Zeitpunkt der Ausschreibung gewesen. Denn nach dem Zuschlag sei es zu spät gewesen, um noch Zuschüsse etwa beim Bezirk Oberbayern oder dem Kulturfonds zu beantragen. "Ein bissl früher hätte man auch noch den ein oder anderen Künstler bekommen können, dessen Terminplan schon voll war." Andererseits: "Wenn zehn Veranstaltungen nicht laufen, dann stimmt's woanders nicht." Wo? "Wenn ich das wüsste!" Wie es nun weiter geht, weiß der Veranstalter nicht. Es wird ein Insolvenzverwalter bestellt, dann geht es an die rechtliche Klärung. Unter anderem darum, ob Zwipf-Zaharia die 80 000 Euro Ausfallbürgschaft der Stadt Geretsried zustehen. Das wisse die Stadt auch nicht, sagt Pressesprecher Thomas Loibl.

Unterdessen fordern die ersten Kartenkäufer ihr Geld zurück. "Wenn von der insolventen Cultus Production nichts zu holen ist, werden wir an die Stadt herantreten", teilt etwa der Verein Caminata mit. Zwipf-Zaharia vergibt bei seinen Veranstaltungen vergünstigte Karten an Vereine, wenn bestimmte Mindestmengen abgenommen werden; das tat er auch in Geretsried. Ebenso bot er eine kostenlose "Kulturherbst Card" an, mit der es Rabatte gegeben hätte. Mehr als hundert seien ausgegeben worden.

Betroffenheit und Mitgefühl herrschen unter den Veranstaltern im Landkreis. "Das wünscht man keinem Kollegen", sagt Peter Frech aus Bad Tölz. Er hat am Freitag mit dem Königsdorfer Veranstalter Christian Gutmair telefoniert und "überlegt, ob wir irgendwie noch helfen können". Aber innerhalb von ein paar Tagen, so ihr Fazit, sei nichts mehr zu retten. "Das ist traurig", sagt Frech, "sehr schade". Woher die Geretsrieder Pleite rührt, darüber gehen die Ansichten auseinander. Gutmair macht ein kulturelles Überangebot mitverantwortlich. "Bis vor ein paar Jahren sind alle Leute im Sommer nach Benediktbeuern gepilgert, weil es dort das einzige Festival weit und breit gab." Mittlerweile biete von April bis Oktober jede Stadt ein eigenes Kulturfestival mit einem mehr oder weniger identischen Programm an. "Die Anzahl der Veranstaltungen hat sich vervielfacht, aber leider nicht die Kaufkraft." Das Geschäft werde von Jahr zu Jahr schwieriger.

Dem widerspricht sein Ickinger Kollege Wolfgang Ramadan. Er hat zwölf Abo-Reihen im Programm, eine davon in Icking, eine in Bad Tölz. Ramadan zitiert einen Slogan der Wiener Werkstätte: "Es gibt genügend Künstler, und es gibt genügend Publikum. Die Kunst liegt darin, beide zusammenzuführen." Ihm gelinge das seit 30 Jahren: "Ich werde nicht mit Steuergeldern subventioniert, ich zahle Steuern." Das Geretsrieder Programm hat seiner Ansicht nach "Hand und Fuß" gehabt, "aber die sind zu spät in die Werbung gegangen".

Der Tölzer Unternehmer Frech, der einen Sicherheitsdienst und die Gaststätte "Jailhouse" am Moraltpark betreibt, hat mit dem "Summer Village" im Juli ein Defizit von 100 000 Euro eingefahren. Er hofft, es in der Gesamtbilanz bis zum Jahresende ausbügeln zu können - und will weitermachen. "Weil ich aus Tölz bin und will, dass sich hier etwas rührt." Dass andere Kommunen ihre Kulturfestivals mit fünf- bis sechsstelligen Beträgen fördern, sei richtig und wichtig: "Das gehört auch zu den Aufgaben einer Stadt."

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