Geretsrieder Komponisten:Partituren und Süßigkeiten

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Till Oberländer bei der Arbeit in seinem heimischen Studio. Seit der Uraufführung in der Musikschule Geretsried geht es für ihn mit dem Komponieren erst richtig los. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Anfang Februar wurden die Kompositionen von Tim Wandke und Till Oberländer in der Musikschule Geretsried uraufgeführt. Die beiden sind Schüler des Jazzpianisten Peter Wegele und haben trotz unterschiedlicher Biografien den Weg zur Musik gefunden.

Von Sophia Coper, Geretsried

Zum Musizieren gehört mehr als die richtigen Handgriffe zu finden oder Noten vom Blatt abzulesen. Melodien verbinden und berühren, können trösten und Brücken schlagen. Alter und Wissensstand sind erstmal egal. Wer einen Blick in die Räumlichkeiten der Musikschule Geretsried wirft, erspäht klimpernde Kleinkinder und probende Orchesterensemble.

Letztere hatten um den Jahreswechsel herum taufrische Partituren auf dem Notenständer. Die Kompositionen der Geretsrieder Till Oberländer und Tim Wandke wurden Anfang Februar bei einem gemeinsamen Konzert in der Musikschule uraufgeführt. Beide sind Schüler des Jazzpianisten und Lehrers Peter Wegele, doch da hören die Gemeinsamkeiten bereits auf.

Die Musik als Ausgleich zu Hörsaal und Labor

Wandke ist 23 Jahre alt und schon von Kindesbeinen an mit der Musikschule Geretsried verbandelt, vom Jugendchor führte es ihn in eine Jazzband, der er immer noch treu verbunden ist. Schon früh packte ihn die Lust, sich nebenher auszuprobieren und spontane Eingebungen auf Notenblättern zu bündeln. Was am Ende auf dem Papier landet, sei Ergebnis unterschiedlicher Herangehensweisen. "Manchmal sind es Gefühle, die ich verarbeiten möchte, oft spiele ich aber auch einfach nur drauflos und improvisiere", erklärt er. Wandke studiert in München Chemie, die Verbindung aus analytischer Denkweise und Kreativität reizt ihn: "Das Kombinieren von Materialien und Elementen, um gewisse Relationen herbeizuführen, ist eine ähnlich kreative Arbeit wie das Komponieren."

Nach der Schule gab es die Überlegung, das Hobby zum Beruf zu machen, doch die ungewissen Aussichten in der Künstlerbranche hatten ihn schlussendlich den sicheren Pfad einschlagen lassen. Zudem wollte er sich die Freude an der Musik nicht durch Alltagstrott nehmen lassen, er sehe die Gefahr, "zu viele Süßigkeiten zu essen und dann keinen Hunger mehr zu haben". Nun nehme die Beschäftigung mit Harmonien und Dissonanzen eben den Hauptteil seiner Freizeit ein und bilde einen Ausgleich zu Labor und Hörsaal.

Tim Wandke ist seit Kindesbeinen an mit der Musikschule Geretsried verbandelt und findet im Komponieren einen Ausgleich zu Hörsaal und Labor. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Auch Till Oberländer verbringt die meisten seiner Mußestunden an der Tastatur. Wie Wandke probierte er sich als Jugendlicher im Knabenchor aus, doch ab dem dreizehnten Lebensjahr habe er "Musik nur noch konsumiert". Nach der Schule hatten Beruf und Familie erstmal lange Priorität, doch als die Kinder flügge wurden, erinnerte sich Oberländer an seine musikalischen Anfänge und schrieb sich mit Ende 40 in der Musikschule Geretsried ein. Gemeinsam mit Peter Wegele begann er, die herumflatternden Kompositionen seines Großvaters zu entziffern und einzustudieren - dessen in den Dreißigerjahren entstandene Klavierstücken hatte Oberländers Mutter ihm als kleinen Jungen häufig vorgespielt. Schnell aber dürstete es ihn nach mehr. "Ich hatte Bock auf etwas, was richtig wumms macht", erzählt der Hard-Rock-Fan und schildert, wie er über eine Online-Anzeige bei der Hobbyband Kung Fu Garage eine vorübergehende Heimat fand. "Brachial laut" sei es im Probenraum teilweise gewesen, das "Inferno an Dezibel" habe zu "totalen Erlebnissen" geführt.

Viele Puzzleteile führten Oberländer zur Musik

Oberländer spricht gern und ausführlich über seinen musikalischen Werdegang, den Kaffee vor sich trinkt er erst kalt aus. Die detaillierte Schilderung hat jedoch ihren Grund: "In meinem Leben gibt es viele Puzzleteile, die aufeinander aufgebaut haben." Ohne die familiäre Prägung, die Musikschule und die Rockband wäre er nicht zum Komponieren gekommen. "Ich habe nie verstanden, wie Musik funktioniert, bis ich plötzlich einfach die erste Melodie im Kopf hatte." Ende 2021 setzte er sich wieder mit Peter Wegele zusammen, um die Klänge zu Papier zu bringen: "Als er meinte, wir müssen eine Partitur schreiben, wusste ich erstmal gar nicht, was das ist." Ein Jahr voller Nachjustierungen und Feinschliffe später lag sie dann fertig auf den Pulten des bunt zusammengesetzten Orchester der Musikschule Geretsried. Spannend und aufregend sei es gewesen, das eigene Werk auf einer großen Bühne zu hören. Er werde auf jeden Fall am Ball bleiben: "Jetzt geht's erst richtig los."

Tim Wandke schwirren ebenfalls noch weitere Melodien im Kopf - bei einer einzigen Uraufführung wird es bei beiden also nicht bleiben. Wandkes und Oberländers Schilderungen zeigen, wie unterschiedliche Pfade zum gleichen Ziel führen können. Komponieren kann man mit Anfang 20 oder Mitte 50 und manchmal macht der Weg zum klassischen Orchesterstück einen Schlenker über eine Rockband. Hauptsache, man ist mit Leidenschaft dabei.

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