Süddeutsche Zeitung

Geretsried:Jugendliche erträumen sich ihre Stadt

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In einer moderierten Zukunftswerkstatt wünschen sich Teenager einen Treffpunkt mit Dach und Grillstelle und einen Festival-Platz - "gerne auch in der Pampa".

Von Thekla Krausseneck

Auf den blauen Kartonkarten, welche die Jugendlichen an die Stellwände pinnen, stehen die ausgefallensten Forderungen. Hochhäuser mit mehr als 20 Stockwerken, ein Hotspot am "Kalleplatz" genannten Karl-Lederer-Platz und dass Geretsried zur Hansestadt wird: Am Freitagabend dürfen sich die sieben Teilnehmer der Zukunftswerkstatt für 14- bis 27-Jährige kreativ austoben. Es soll, ja es muss verrückt sein, hat Moderator Michael Mock zur Bedingung gemacht: "Es ist sogar verboten, zu überlegen: Geht das überhaupt?"

Der Abend gliedert sich in drei Phasen, die Kritik-, die Fantasie- und die Verwirklichungsphase. Von 17 bis 21.15 Uhr wird geschimpft, gesammelt und nachgedacht, bis die Köpfe rauchen. Geschimpft wird über zu kurze Öffnungszeiten der Geschäfte, die Kürzung des Jugendetats und den Mangel an öffentlichen Treffpunkten für Jugendliche. Gesammelt werden Ideen wie die eines 24-Stunden-Shops, einer Techno-Parade und einer Bunkerführung - sogar ein Schlager-Café schafft es an die Stellwand, an der bald kaum noch Platz für ein weiteres Kärtchen ist. Und nachgedacht wird über die Frage, wie diese Ideen realisiert werden könnten. Der Düsseldorfer Michael Mock, seit Sommer Mobiler Jugendarbeiter in Geretsried, bezeichnet diese Phase als Praxis-Schock: "Da ist plötzlich Verstand gefragt."

Sieben Geretsrieder Jugendliche haben sich am Freitagabend im Rathaus eingefunden, um unter dem Motto "So wünsche ich mir Geretsried" ihre vielseitigen Vorstellungen auf vier zentrale Forderungen zu verdichten. Die wichtigste von denen ist für die Jugendlichen ein Open-Air-Treffpunkt, der im Wesentlichen aus einer überdachten Bank, einer Lampe, einem Mülleimer und einer Grillstelle besteht. Am liebsten wäre ihnen ein solcher Treffpunkt in jedem Stadtteil, aber auch einer an der Isar, wo das Grillen bislang nicht erlaubt ist. Bestehende Treffpunkte lösen sich derzeit allmählich in Luft auf: Die Pergola vor dem Jugendzentrum Saftladen soll in eine Garage verwandelt werden, sagt Mock, und ein Treffpunkt am Verkehrsübungsplatz ist seit geraumer Zeit abgesperrt. Überdachte Treffpunkte wären auch aus Sicht der Jugendarbeit sinnvoll, sagt Mock. So hätte er als Streetworker feste Anlaufstellen, und die Gefahr, dass die Jugendlichen Zigaretten und Alkohol in der Abgeschiedenheit einer Wohnung konsumierten, sei geringer.

Wunsch Nummer zwei ist ein Festival-Platz, wegen der Gefahr der Lärmbelästigung "gerne auch in der Pampa". Der dritte Punkt betrifft bessere Einkaufsmöglichkeiten - eine Verlängerung der Öffnungszeiten der Tankstellen etwa, und Modegeschäfte mit einem besseren Angebot für Jüngere. Zur Überraschung wird die vierte Forderung: Die Jugendlichen wünschen sich Bunkerführungen und stadtgeschichtliche Vorträge in den Ratsstuben.

Der 20-jährige Vorsitzende der Jungen Union Geretsried, Markus Poschenrieder, der für die CSU zum Stadtrat kandidiert, und Michael Hohn, 24-jähriger Stadtratskandidat der Piraten, setzen sich vorübergehend mit an den Tisch. Hohn, der im Jugendzentrum Ein-Stein gearbeitet hat, kritisiert, dass der städtische Jugendetat in den vergangen Jahren gekürzt worden sei. Außerdem herrsche in der Stadt ein Mangel an Freizeitangeboten für Jugendliche.

Mock lobt die gute Stimmung im Workshop und das große Interesse der Teilnehmer. Dass so wenige gekommen seien, bedauere er zwar. "Aber lieber weniger und es kommt was bei rum." Die Ergebnisse will der 14-jährige Felix Leipold, Jugendbeiratsmitglied, mit Freunden Bürgermeisterin Cornelia Irmer (parteilos) präsentieren. Ein besonderes Anliegen Mocks: dass die Jugendlichen selbst am Ball bleiben. Wann der nächste Workshop anberaumt wird, wisse er noch nicht. Im Frühjahr 2014 stehe zunächst ein anderer Termin auf der Agenda: die Einladung der Bürgermeisterkandidaten in den Saftladen.

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Quelle:
SZ vom 19.11.2013
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