Geretsried:Jubel im hohen Fis

Entertainer Martin Schmitt entfesselt sein Publikum im Hinterhalt

Von Petra Schneider, Geretsried

Martin Schmitt, den Namen hat man schon mal gehört. Im gut besuchten Hinterhalt tritt am Donnerstag freilich nicht der Skispringer auf, sondern der musikalische Überflieger aus Gräfelfing. Ein großartiger Pianist und augenzwinkernder Reimer, der sympathisch und unverstellt grandioses Entertainment bietet. Nicht nur Hinterhalt-Chefin Assunta Tammelleo ist vor Begeisterung kaum zu bremsen. "Assunta, des is übrigens ein Fis, des du da immer johlst", sagt Schmitt trocken.

"Von Kopf bis Blues" heißt das Programm des 48-Jährigen. Die Liste seiner Auftritte ist beeindruckend: Opening-Act für Tom Jones, internationale Jazzfestivals, Support von Jerry Lee Lewis in der Münchner Philharmonie, Fernsehauftritte etwa als Co-Moderator mit Monika Gruber beim Kabarettpreis, zwölf CDs. Trotzdem hat ihn erst neulich der Hausmeister einer Dresdener Konzerthalle gefragt: "Ach, sind Sie des, der Martin Schmitt? Probier'n Sie's nu mitm Piano?" Eine wunderbare Anekdote, wie sie viele an diesem Abend gibt.

Doch zuallererst ist Schmitt ein fulminanter Boogie- und Jazzpianist. Ein Tasten-Derwisch, der präzise und druckvoll spielt, zum Beispiel beim "Russian Rag", einer Klassik-Jazz Melange aus Rachmaninoffs Prelude in cis-Moll und Duke Ellington. Aber Schmitt kann auch ruhiger, wie er etwa bei einer Ballade von Tom Waits in der getexteten Version von Wolfgang Ambros unter dem Titel "Heimatserenade" beweist. Oder bei seinen eigenen Songs. "Wie kann man das überleben" heißt seine Hommage an alte Zeiten, als man Kassetten noch mit dem Bleistift zurückdrehte und sich beim Festnetztelefonieren die Frage "Wo bist du?" erübrigte.

Melancholisch wird es bei seinem Blues "Nimmer dahoam". 90 Prozent aller amerikanischen Bluesstücke kreisten um das Thema "My woman left me", erklärt er. Sieben Prozent um "I lost all my money." Und der Rest: "My woman left me and took all my money." Schmitt reiht sich mit seinem bairischen Blues in diese Tradition ein. Musikalischer Höhepunkt ist eine Nummer aus dem Jahr 1938, der "Boogie-Woogie-Jump" des Benny Goodman Trios. Die New York Times schrieb damals: "Nach dem Boogie Woogie mussten die Leute aus den Kronleuchtern geholt werden." Nun, im Hinterhalt gibt es keine Kronleuchter, und das Publikum wirkt bei diesem Wahnsinnsritt wie paralysiert. Beinah unbeteiligt blickt Schmitt ins Publikum während die Hände in schwindelerregendem Tempo über die Tasten fegen, als wären sie Teil des Instruments. Piano und Pianist verschmelzen, Schmitt spielt mit einer Selbstverständlichkeit, wie andere gehen. Oder atmen.

Das Publikum jubelt mindestens im hohen Fis, Schmitt steht ein leichter Schweißfilm auf der Stirn. Vor allem der Harlem Stride Piano Style aus den 20-er Jahren, zum Beispiel bei "Here Comes the Band" von Willie "The Lion" Smith, ist Schwerstarbeit. Die linke Hand springt zwischen Basstönen und Akkorden, während die rechte Hand die Melodie darüber spielt. Dazu braucht es nicht nur technische Perfektion, sondern auch genügend lange Finger. Das überwiegend ältere Publikum kann das offenkundig einschätzen, die meisten kennen Schmitt von früheren Konzerten. Heuer feiert er sein 30-jähriges Bühnenjubiläum, im Hinterhalt spielt er zum dritten Mal. Nach drei Zugaben schließt er mit einer Parodie: "Sex Bomb" von Tom Jones - bei Schmitt eine Möchtegern-Machonummer für Verklemmte. Umwerfend.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: