Geretsried:Hilfe unter Nachbarn

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Die Oberland-Werkstätten und die Staatliche Feuerwehrschule in Geretsried kooperieren miteinander. Aus einem Außenarbeitsplatz könnte eine zweite Festanstellung für einen lernbehinderten Menschen werden

Von Felicitas Amler, Geretsried

Bianca Augustin und Andreas Lettner sind bei der Feuerwehrschule Geretsried in Küche und Hausmeisterei beschäftigt. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Die Teeküche sauber machen, Frühstücksteller und Besteck wegräumen, Glastüren und Treppen putzen - all das könne sie jetzt schon selbständig erledigen: Bianca Augustin schaut ihr Gegenüber mit wachen Augen und kerzengeradem Blick an. Die 38-Jährige ist lernbehindert und bei den Oberland-Werkstätten in Geretsried angestellt. Seit sieben Monaten aber ist ihr Haupteinsatzgebiet nur zehn Minuten Fußweg entfernt in der Staatlichen Feuerwehrschule Geretsried, der größten von drei Einrichtungen ihrer Art in Bayern. Die Schule und die Werkstätten kooperieren seit 1. Januar miteinander; Bianca Augustin hat einen sogenannten Außenarbeitsplatz. Auf die Idee ist Augustin durch einen Bekannten gekommen: "Seine Oma hat in der Küche der Feuerwehrschule gearbeitet", erklärt sie.

Schulleiter Christian Schwarz und Verwaltungsleiter Heinrich Klein sind stolz auf diese Neuerung. Gerade der öffentliche Dienst müsse in der Inklusion "vorbildhaft vorangehen", findet Schwarz. Klein äußert die Hoffnung, dass die Regierung von Oberbayern, die fürs Personal der staatlichen Schule zuständig ist, einen weiteren festen Inklusionsarbeitsplatz schafft. Einen hat die Feuerwehrschule nämlich bereits.

Seit November 2006 ist Andreas Lettner Mitarbeiter im Service der Feuerwehrschule. Der 35-Jährige ist ebenfalls lernbehindert, und auch er kam über die Oberland-Werkstätten zu seinem neuen Job. Er hatte zuvor im Gaißacher Betrieb der Werkstätten in der Wäscherei gearbeitet. Schulleiter Schwarz erinnert sich gern an die Anfänge: Andreas Lettners Vater, selbst als Lehrer an der Feuerwehrschule beschäftigt, habe gefragt, ob dort nicht auch Menschen mit Behinderung beschäftigt werden könnten. Zwei Jahre später sei alles soweit gewesen. Und heute, 14 Jahre danach, sagt Schwarz: "Andreas ist für uns unverzichtbar, eine ganz wichtige Kraft." Und nebenbei auch ein Quell guter Laune: "Er ist ein fröhlicher Mensch, der hier viel Witz reinbringt."

Das beweist der junge Mann ungefragt. Auf den kleinen Elektrotransporter angesprochen, mit dem er Handtuchrollen, Seifenspender und anderes Verbrauchsmaterial über das zehn Hektar große Gelände kutschiert, sagt er lachend: Der Wagen dürfe ja nur 25 Stundenkilometer fahren, aber er sei gewiss nicht der einzige, der gern mehr aufdrehen würde. Er grinst verschmitzt: "Ich nenne jetzt keine Namen."

Die Schule wächst

An der Feuerwehrschule Geretsried werden jährlich 6000 Haupt- und Ehrenamtliche in Brandschutz und Krisenmanagement ausgebildet. Die Einrichtung an der Sudetenstraße 81 verfügt über mehr als 40 Fahrzeuge und etliche übers Gelände verstreute Gebäude, betreibt die größte Eisenbahn-Übungsanlage Deutschlands, hat einen Hotelbetrieb mit 114 Betten, beschäftigt 85 Mitarbeiter in Lehre und Service, gibt in ihrer Kantine jährlich mehr als 70 000 Essensportionen aus - und wird in den kommenden Jahren noch deutlich wachsen. Genau vor einem Jahr wurde das neue Seminargebäude mit Fahrzeughalle und das Übungsobjekt Lagerhaus mit Rampe eingeweiht. Innenstaatssekretär Gerhard Eck versprach nach dieser fünf Millionen Euro teuren Maßnahme weitere Investitionen.

Bis 2023 soll nun erst einmal die Anzahl der Betten um 86 und die der Personalstellen um 29 erhöht werden. Abrisse und Neubauten sind zudem im Gespräch. "Wir haben ein großes Wachstum vor uns", sagt der Schulleiter. Und der Verwaltungschef erklärt: "In einigen Jahren wird auf dem Gelände in Geretsried eine der modernsten Ausbildungseinrichtungen Deutschlands entstanden sein." Mehrere Ausbaustufen seien in Planung oder Umsetzung. Und auch unter diesem Aspekt wünschen er und Schwarz sich mehr Inklusionsarbeitsplätze. Klein sagte am Donnerstag beim Pressegespräch zur Illustration: "Heute Mittag haben wir 250 Essen, die innerhalb einer Stunde rausmüssen, da ist jede helfende Hand überlebensnotwendig."

Wie hilfreich Menschen wie Bianca Augustin und Andreas Lettner sind, erklärt Klein am Beispiel der Mülltrennung: Bad Tölz-Wolfratshausen habe da ja sein eigenes System, aber die Lehrgangsteilnehmer der Schule kämen aus verschiedenen Landkreisen Bayerns, wo es eben auch anders gehandhabt werde. Lettner sei hier die ordnende Hand, und wehe, wenn er in Urlaub sei ... Da kann wiederum Bianca Augustin nur hoffen, dass sich ihr Wunsch erfüllt, bei der Feuerwehrschule einen festen Arbeitsplatz zu bekommen - dann könne sie doch die Urlaubsvertretung übernehmen, meint sie.

Die Feuerwehrschule Geretsried hat sich für den Inklusionspreis "Job-Erfolg 2018 - Menschen mit Behinderung" am Arbeitsplatz beworben. Dieser wird gegen Ende des Jahres vom Landtag, dem bayerischen Sozialministerium und der Beauftragten der Staatsregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung verliehen.

© SZ vom 20.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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