Aktion an Geretsrieder Schule:Schülers Liebling

Weil die Anmeldungen immer weiter zurückgehen, sollen am Geretsrieder Gymnasium die Stunden eines Lehrers gekürzt werden. Mit Unterschriftenaktionen kämpfen nun 1000 Schüler, Ehemalige und Eltern für den beliebten Pädagogen

Von Viktoria Spinrad, Geretsried

Aktion an Geretsrieder Schule: Trotz Ferien hängt im Geretsrieder Gymnasium der Haussegen schief.

Trotz Ferien hängt im Geretsrieder Gymnasium der Haussegen schief.

(Foto: Hartmut Pöstges)

"Großvater dieser Schulfamilie", "unentbehrlicher Teil unseres Wurzelwerks", "unser Herzstück": Ohne ihn könne man sich die Schule nicht vorstellen. Es ist eine wahre Hommage, die Schüler des Geretsrieder Gymnasiums kürzlich über ihren Religions- und Vertrauenslehrer zu Papier gebracht haben - und einer von drei Briefen, die Schulleiter Christoph Strödecke kürzlich erhalten hat. Der einstimmige Appell von 1000 Schülern, Eltern und Ehemaligen: Der 58-jährige Richard Neumeier soll unbedingt an der Schule bleiben. Was ist da los in Geretsried?

Die Vorgänge an der Schule zeigen, was passiert, wenn sich Gerüchte per Flüsterpost verbreiten. Wenn mehr Emotion als Information im Spiel ist. Wenn Menschen Angst haben, einen hoch geschätzten Pädagogen zu verlieren. Deshalb hilft es, die Vorgänge am Gymnasium Geretsried genau zu rekonstruieren.

Mitte Juli. Wie ein Lauffeuer geht die Nachricht durch die Schule, dass der seit zwölf Jahren von der Erzdiözese als Religionslehrer ausgeliehene Seelsorger Richard Neumeier im kommenden Schuljahr deutlich weniger Stunden unterrichten und im Schuljahr 2020/21 eventuell sogar gar keinen neuen Vertrag mehr bekommen soll. Der Elternbeirat macht sich Sorgen um den Verbleib des Lehrers. Ein Mann, der an der Schule einen Meditationsraum eingerichtet hat, Yoga-Kurse anbietet und mit Abiturienten Mediationswochenenden auf der Fraueninsel veranstaltet. Die Eltern formulieren einen Appell an die Diözese und den Schulleiter.

Ende Juli. Nun ziehen auch die Schüler nach. Die Schülervertreter sammeln insgesamt 697 Unterschriften für den Verbleib von Neumeier. In ihrem Brief an den Schulleiter betonen sie seine Rolle in der Schulfamilie und spekulieren über den Grund für Neumeiers vermeintlich auslaufende Stelle. Unter anderem kommt die Frage auf, ob der als Freigeist bekannte Neumeier nicht dem Unterrichtsideal des Ministeriums entspreche. Zudem lässt sich aus dem Brief herauslesen, wer hinter der vermeintlichen Entscheidung stehen soll: "Wir bitten Sie daher, noch einmal über Ihre Entscheidung nachzudenken", appellieren die Schüler an Ihren Schulleiter. Hat Strödecke den Vertrauenslehrer geschasst?

War es überhaupt Thema, den Lehrer nicht mehr einzustellen? Der Schulleiter dementiert das

Davon scheinen nun auch ehemalige Schüler auszugehen, als sie von der Petition der Schülersprecher hören. Zwei Tage nach Beginn der Sommerferien starten sie eine eigene Unterschriftenaktion auf Facebook. Man habe gehört, dass Neumeiers Stelle langfristig nicht verlängert werden solle, worüber man "zutiefst betrübt" sei, schreiben sie. Bis zum 7. August sammeln sie 272 Unterschriften von ehemaligen Schülern - nun sind es knapp 1000 Unterschriften für den Verbleib von Richard Neumeier. Aber war es überhaupt jemals Thema, dass Neumeier nach dem kommenden Schuljahr die Schule verlassen muss?

Fest steht nur: Wegen gesunkener Schülerzahlen soll der Religionslehrer im kommenden Schuljahr kürzer treten. Das bestätigen sowohl das Kultusministerium als auch der Schulleiter. Letzterer erklärt am Donnerstag schriftlich das Anstellungsverhältnis Neumeiers: Demnach hat dieser einen sogenannten Abstellungsvertrag, also einen Vertrag zwischen der Erzdiözese und dem Freistaat. Ein solcher sei immer auf ein Jahr befristet, es handle sich um Aushilfstätigkeiten. Entsprechend richte sich die Stundenzahl immer nach dem aktuellen Bedarf an der Schule. Dieser falle im Schuljahr 2019/20 geringer aus. Tatsächlich ist die Schülerzahl in den vergangenen fünf Jahren um ein Fünftel geschrumpft - von 1252 auf zuletzt 1006 Schüler. Ein möglicher Grund dafür könnte die Generalsanierung sein, die seit 2017 läuft. Dazu kommt: Als einer der nicht-verbeamteten Lehrer im Landkreis, die knapp ein Prozent von allen ausmachen, genießt Neumeier nicht den entsprechenden Schutzstatus.

Bleibt die Frage: Hat man dem "ausgeliehenen" Religionslehrer mitgeteilt, dass er 2020/21 gar nicht mehr gebraucht werde, wie es gerüchteweise heißt? Nein, sagen sowohl das Kultusministerium als auch der Schulleiter. Strödecke schreibt, es gebe "keine Absprache, dass Herr Neumeier im Schuljahr 2020/21 nicht mehr am Gymnasium Geretsried unterrichten soll". Bezüglich des Schuljahrs ließen sich im Augenblick überhaupt keine Prognosen treffen, wie sich der Bedarf weiterentwickelt. Daher machten Aussagen darüber keinen Sinn. War also alles ein Missverständnis?

Eine Antwort ist schwierig zu bekommen - Richard Neumeier möchte sich zu den Vorgängen nicht äußern. Wohl aber wollen Schüler und Eltern darüber reden, wie wichtig Neumeier für ihre "Schulfamilie" ist. "Er nimmt den Stress raus", sagt Daniela Marthaler vom Elternbeirat. "Er ist ein unglaublich wichtiger Mensch für uns", sagt Schülersprecherin Antonia Pavlas. "Er hat der Schule einen Familiencharakter verliehen", sagt der ehemalige Schüler Julien Bota.

Beteiligte mutmaßen, dass der als Freigeist bekannte Neumeier und der als vorsichtig geltende Schulleiter sich über die Ausrichtung der Arbeit an der Schule nicht einig waren. Gab es hier Uneinigkeiten? Auf die Frage antwortet Strödecke: "Auch ich schätze Herrn Neumeier und seinen Einsatz für die Schule."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: