Das neue Geretsrieder Stadtmuseum füllt sich schon mit Leben. Hunderte Besucher sind an den beiden Tagen der Offenen Tür gekommen, um die neue Visitenkarte ihrer Stadt in Augenschein zu nehmen, darunter viele Bürger, die ihre Wurzeln in den Vertriebenen-Gebieten haben. Das etwas verwinkelt angelegte Museum ersetzt die alte Sammlung im Rathaus-Dachgeschoss und informiert über die Zeit der NS-Rüstungsbetriebe, über die Geschichte der Vertreibung, die Ankunft der Heimatlosen in Geretsried und das karge, aufs Notwendigste beschränkte Barackenleben. Viele Räume sind der Kultur der Vertriebenen gewidmet.
Um dem Museum einen modernen Anstrich zu geben, hat der Museumsgestalter "Die Werft" auf anstrengend zu lesende lange Texte verzichtet und stattdessen auf moderne Museumspädagogik mit Multimedia-Einsatz gesetzt. An Audio-Stationen können Besucher Hörmuscheln von den Wänden nehmen und Stimmen zuhören, die auf lebendige Weise Ausstellungsstücke kommentieren. Ein Durchgang, der die Vertreibung thematisiert, ist nicht temperiert und empfängt den Besucher mit einer unangenehmen Kälte. Durch ein Fenster ist ein Viehwagen zu sehen, in dem die Familien, eng zusammengepfercht, zwangstransportiert wurden.
Im Raum der Egerländer zieht eine große, mittig aufgestellte Vitrine den Blick auf sich, in der Instrumente ausgestellt sind - eine Klarinette, ein Flügelhorn, ein Bariton und eine Tuba, die schon sichtlich ein paar Jahre Dienst getan hat. Ein Tisch, der direkt davor steht, ist mit Knöpfen versehen, wer sie drückt, vernimmt eine Melodie mit dem Instrument. Aufgenommen wurden diese Beiträge erst Ende Juli in den Ratsstuben, und zwar von der Gartenberger Bunkerblasmusik. Helmuth Hahn, Erster Vorsitzender des Fördervereins für das Museum, stieß dabei selbst in die Tuba. Für die Aufnahmen hatte Kulturamts-Chefin Anita Zwicknagl sogar ein mobiles Tonstudio aus Österreich kommen lassen.
Hahn und Zwicknagl standen am Samstag am Tresen in der Eingangshalle und führten Strichliste über die Besucher. Er zähle inzwischen 195 Striche, sagte Hahn eine halbe Stunde vor Ende des ersten Tags der Offenen Tür. "Wir sind uns aber sicher, dass uns am Anfang ein paar entwischt sind." Denn als kurz vor 14 Uhr die Glastür aufgeschlossen wurde, hätten bereits viele Besucher draußen gewartet. "Wir mussten nur das Licht anmachen und schon war das Museum voll."
Das Konzept stammt im Wesentlichen von Zwicknagl, die sich schon vor zehn Jahren darüber Gedanken machte. 1999 hatte sie im alten Museum angefangen, wo sie die ersten drei Jahre ihrer Rathauszeit verbrachte. 2002 stellte sie ihre Ideen für ein neues Museum erstmals vor. Weil damals aus dem Umzug nichts wurde, wechselte sie ins Kulturamt. Erst 2008 entschied sich der Stadtrat schließlich für das Gebäude hinterm Rathaus. Ein Historiker wurde für die Realisierung nicht hinzugezogen. Zwicknagl, die an der Universität Volkskunde im Hauptfach und Geschichte im Nebenfach studiert hatte, arbeitete dafür mit den vielen in Geretsried vertretenen Landesmannschaften zusammen. "Ich bin sehr dankbar, dass der Stadtrat das durchgezogen hat", sagt Zwicknagl. Es freue sie für die Stadt, die das Museum ganz einfach brauche.
Ein Zeitzeuge ist der CSU-Stadtrat Hans Schmuck, Landesvorsitzender der Deutschen aus Ungarn. Auf der großen Landkarte in der Eingangshalle zeigte er auf eine Stelle im Südwesten von Budapest: Dort komme er her, erläuterte Schmuck, Jahrgang 1931. Die Geschichte müsse für die Nachkommen lebendig bleiben, deshalb freue ihn die Eröffnung des Museums so sehr, sagte Schmuck.
Auch wenn es noch unerfüllte Wünsche und Vorstellungen gebe - wie etwa sein Anliegen, dass Exponate, die nicht in die Dauerausstellung aufgenommen wurden, zumindest in Wechselausstellungen gezeigt werden. Diese Stücke sollen zudem ein eigenes Depot bekommen, das etwa im alten Kino unterkommen könnte - derzeit liefen Verhandlungsgespräche. Außerdem stehe noch eine Lösung für den Umgang mit den Dokumenten und Büchern aus, die nach Schmucks Meinung den Bürgern zugänglich gemacht werden sollten, wenn auch ohne Verleih. "Das sind einmalige Bücher, die kriegen wir nie wieder."
Eine alternative Idee für die Frage nach der Unterbringung der übrigen Exponate äußerte am Samstag Helmuth Hahn. Demnach könnte es möglich sein, dass das Museum ein begehbares Depot bekommt. Der Förderverein habe der Stadt angeboten, eine originalgetreue Baracke auf dem Museumsgrundstück zu finanzieren, die unter anderem dann auch für Sonderausstellungen dienen könnte.