Süddeutsche Zeitung

Geretsried:Die weißen Buchstaben sind ein Schwarzbau

Die Stadt hat den Schriftzug ohne Genehmigung errichtet. Inzwischen sammeln Bürger Unterschriften für eine Petition.

Von Thekla Krausseneck

Der Schriftzug an der Bundesstraße 11 muss anders als bisher angenommen zumindest formal nicht auf Anordnung des Landratsamts abgebaut werden. Die Stadt Geretsried hatte ihren Bauantrag zurückgezogen, nachdem ihr von der Kreisbaubehörde signalisiert worden war, dass er abgelehnt werden würde. Hätte die Stadt den Antrag nicht zurückgezogen, hätte sie einen kostenpflichtigen Bescheid erhalten. Gegen diesen Bescheid hätte sie klagen können. Dieser Weg bleibt ihr nun versperrt. Darauf hat Landrats Josef Niedermaier (Freie Wähler) hingewiesen. Genau genommen handele es sich bei dem Metallschriftzug in der sogenannten Hollywood-Kurve nun um einen Schwarzbau.

Dritter Bürgermeister Robert Lug (Freie Wähler) sagt, dass ein Bescheid ohnehin nichts an der Situation geändert hätte. Bürgermeisterin Cornelia Irmer (parteilos) zufolge wollte sich die Stadt durch die Rücknahme des Antrags die Möglichkeit offen halten wollen, den Antrag später unter Berücksichtigung der "straßenverkehrrechtlichen Erfordernisse" erneut zu stellen.

Niedermaier kann die Kritik nicht verstehen, unter der er seit der Bekanntgabe, dass der Schriftzug abgebaut werden müsse, gestanden habe: "Wenn da einer einen Schwarzbau aufgestellt, dann verfolge ich das." Ihm wurde - etwa auf dem Geretsrieder CSU-Stammtisch am Sonntag - vorgeworfen, sich auffallend lange nicht um den Schriftzug geschert zu haben. Niedermaier dementiert das. Anders als behauptet sei der Stadt gleich nach der Errichtung gesagt worden, "dass das nicht geht". Die Stadt habe direkt danach einen Bauantrag gestellt. Und während eines laufenden Verfahrens werde niemand zum Abbau aufgefordert, sagt Niedermaier.

Bürgermeisterin Irmer zufolge hat es telefonische Kontakte mit dem Landratsamt schon seit Herbst 2012 gegeben: "Es wurde der Stadtverwaltung zum damaligen Zeitpunkt informell signalisiert, dass die Buchstaben zunächst toleriert werden würden." Das Stadtbauamt sei aufgrund der mündlichen Absprachen irrtümlich davon ausgegangen, dass diese Toleranz für die Buchstaben allgemein gelte. Im Juli 2013 sei die Stadt dann dazu aufgefordert worden, den Bauantrag zu stellen.

"Ein ablehnender Bescheid hätte sowieso nichts geändert", sagt Dritter Bürgermeister Lug. Der Bescheid hätte die Stadt zwar dazu befähigt zu klagen. Der Fall wäre dann vor das Verwaltungsgericht gegangen - "und erst in zwei Jahren hätten wir uns dort gesehen". Schneller arbeite das Verwaltungsgericht nicht, sagt der Bürgermeisterkandidat. Irmer bestätigt: Der Klageweg hätte "keine Aussicht auf Erfolg" versprochen. In der Zwischenzeit hätte der Schriftzug abgebaut werden müssen, weil es sich um einen Schwarzbau gehandelt hätte, sagt Lug. Außerdem "kann es nicht sein, dass sich das Landratsamt und Geretsried vor Gericht treffen".

Die Stadt befinde sich jetzt in Verhandlungen mit der Behörde. Ziel sei es, das Argument zu entschärfen, dass die Kurve ein Unfallschwerpunkt sei. Ist das Argument beseitigt, könnte eine Ausnahmegenehmigung erwirkt werden. Die wäre nötig, weil der Schriftzug baurechtlich als Werbeanlage gilt und daher 20 Meter von der Straße entfernt errichtet werden müsste. Hilfreich wäre ein Tempo-60-Limit, sagt Lug. So ließe sich auch die B 11-Ausfahrt am Rathaus entschärfen, wo vor drei Jahren eine Frau zu Tode gekommen war. Eine Leitplanke soll verhindern, dass Motorradfahrer in den Schriftzug rasen, was etwa Landrat Niedermaier befürchtet: "Da ist ein Baum harmlos gegen das Ding." Eine Leitplanke werde aber nichts an der Tatsache ändern, dass der Schriftzug die Verkehrsbeteiligten immer noch ablenken könnte.

Die Stadt will die angestrebten Veränderungen erst beantragen, wenn ihr signalisiert worden ist, dass der neue Bauantrag positiv beschieden werden würde. Sie werde den Schriftzug auch nicht sofort abbauen, sagt Lug. Es gebe eine Vereinbarung mit dem Amt, dass er bis Ende des Jahres stehen bleiben könne. Sollten die Bemühungen der Stadt nicht fruchten, bliebe nur Plan B: ein alternativer Standort. Irmer betont, dass die Stadt ihr Möglichstes tue. "Wir wollen unsere Geretsried-Buchstaben auf jeden Fall behalten und sei es an einem anderen Standort."

Unter den Bürgern regt sich weiter Widerstand. Die Facebook-Seite von Sebastian Steinbeis hat bereits 2270 Unterstützer. 704 Menschen haben eine Online-Petition unterschrieben. Jetzt werden Unterschriften auch in Papierform gesammelt: im Rathaus Geretsried, in den Schmid-Bäck-Filialen, im Fullhouse IT, im Café Waldmann am Karl-Lederer-Platz und in den Steiner Backstubn.

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Quelle:
SZ vom 27.11.2013
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