Geretsried:Die Last der Vergangenheit

Aus der Zeit der NS-Rüstungsbetriebe sind nicht nur Bunker, sondern auch Schadstoffe in Böden zurückgeblieben.

Von Thekla Krausseneck

Geretsried: Hinter den Ruinen des ehemaligen NS-Sprengstofflagers, dessen Untergrund noch heute stark mit Blei verunreinigt ist und von der Stadt Geretsried nie saniert, sondern 2007 mit einer 50 Zentimeter hohen Kies-Deckschicht gesichert wurde, soll das interkommunale Hallenbad entstehen.

Hinter den Ruinen des ehemaligen NS-Sprengstofflagers, dessen Untergrund noch heute stark mit Blei verunreinigt ist und von der Stadt Geretsried nie saniert, sondern 2007 mit einer 50 Zentimeter hohen Kies-Deckschicht gesichert wurde, soll das interkommunale Hallenbad entstehen.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Der Boden, auf dem das interkommunale Hallenbad in Geretsried entstehen soll, ist nie auf Altlasten untersucht worden. Und das, obwohl es in unmittelbarer Nähe zu zwei Arealen gebaut werden soll, auf denen in der NS-Zeit Sprengstoffe nicht nur gelagert, sondern auch erprobt wurden. Quecksilber, Blei und Sprengstoffreste wurden bei Untersuchungen Anfang der 1990er Jahre gefunden, anstelle von Sanierungs- hat es nur Sicherungsmaßnahmen gegeben.

Dass Schadstoffe von den Rüstungsverdachtsflächen in den Bereich gelangt sein könnten, auf dem das Hallenbad gebaut werden soll, halten Thomas Schwaighofer, Leiter des Fachbereichs Bodenschutzrecht im Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen, und Inken Domany, Umweltamtsleiterin der Stadt Geretsried, nahezu für ausgeschlossen. In ihren Augen gibt es nichts zu befürchten, da das Gebiet des neuen Hallenbads nicht in die belasteten Flächen hineinreiche, in eine von beiden nur geringfügig.

Wer nahe dem Schulzentrum durch den Geretsrieder Bannwald streift, findet zwei Hügel, die nicht natürlich entstanden sind. Unter ihnen befinden sich die Ruinen des Bunkers 388, der als Sprengstofflager diente, und des Kleinen Schießplatzes, auf dem der Sprengstoff ausprobiert wurde. Beide wurden 1948 von den Alliierten gesprengt. Durch den Wald führt eine Straße aus Betonplatten, über die das Material angeliefert und abtransportiert wurde.

Noch heute sind die Böden der beiden Rüstungsverdachtsflächen mit Blei, Quecksilber und Sprengstoffresten verunreinigt, wie das Landratsamt auf Basis des Preuß-Gutachtens mitteilt. Das Gutachten hatte die Regierung von Oberbayern März 1992 für fünf Millionen Mark in Auftrag gegeben. Der Kleine Schießplatz im Süden wird vom Landratsamt nicht berücksichtigt, weil er das Bauareal des Hallenbads nicht berührt. Anders ist das bei den Bunkerresten im Westen, die in einer Rüstungsverdachtsfläche liegen, in die das Hallenbad hineinreichen würde.

Die Analysen wurden im Umkreis von 60 bis 80 Metern um den Bunker vorgenommen. Die Bleibelastung stellte sich als enorm heraus: mit 3,4 Gramm Blei je Kilogramm Bodenaushub übersteigt sie die vom Bayerischen Landesamt für Wasserwirtschaft vorgegebene Obergrenze von 0,5 Gramm je Kilo Aushub fast um das Siebenfache. Bei so hohen Werten sind in der Regel Sanierungsmaßnahmen angezeigt.

Eine Sanierung wurde jedoch auf keiner der beiden Verdachtsflächen durchgeführt. Dafür eine sogenannte Sicherung, bei der ein halber Meter Boden ausgehoben und mit einer Deckschicht aus Kies aufgefüllt wurde. Die Sanierung wäre die Stadt wesentlich teurer gekommen. Auf dem Lagerbunker erfolgte die Sicherung 2007 ihm Zuge des Projekts "Grünes Klassenzimmer": Regelmäßig werden auf diesem Bunker Klassen der Mittelschule unterrichtet.

Grundsätzlich sei es zwar immer besser, wenn der Schaden ganz beseitigt werde, sagt Domany. Aber das sei auch immer eine Kostenfrage. Die Stadt verlasse sich bei ihren Maßnahmen auf die Aussagen der Fachbehörden, die damals dem Preuß-Gutachten zuarbeiteten. Für die Verdachtsflächen im Bannwald habe es geheißen, dass eine Sicherung ausreiche.

Im Bereich des Sprengstofflagers wurden Proben innerhalb der Bunkerumwallung genommen. Dieser Bereich reicht nicht in das Gebiet an der Adalbert-Stifter-Straße heran, der Baugrund des Hallenbads ist also nicht betroffen. Die Analyse wurde anhand von Mischproben durchgeführt: Dabei wurden bis zu zehn Bodenproben vermengt. Wenn die Mischung einen Richtwert überschritt, wurden die Proben einzeln analysiert, sonst nicht. Eine unbelastete Bodenprobe relativierte also eine belastete Bodenprobe.

Dass das Gelände, auf dem das Hallenbad entstehen soll, nicht analysiert wurde, hat seinen Grund darin, dass es nie für die Munitionsbetriebe genutzt wurde. Einen Unfall beim Transport, durch den Schadstoffe in diesen Bereich gelangt sein könnten, halten Domany und das Landratsamt für unwahrscheinlich.

Innerhalb der Umwallung des Sprengstofflagers soll die Stadt während des Hallenbad-Baus ihren Aushub überbewachen lassen. Die Umwallung ist ein den Bunker mit einigen Metern Abstand umfassender Erdwall, der seinerzeit Explosionen im Bunker abfangen sollte. Was über die Bunkerumwallung hinausgeht, gilt für den Hallenbadbau als uninteressant.

Hundertprozentig ausgeschlossen werden könne eine Kontamination des künftigen Hallenbad-Geländes nicht, sagt Bürgermeisterin Cornelia Irmer. "Wenn wir eine Fliegerbombe finden, ist das auch eine Altlast." Sanierungsmaßnahmen werden nach Irmers Überzeugung nicht nötig sein. Deshalb seien sie auch nicht in der Kostenplanung für das Hallenbad berücksichtigt worden. Wohl aber werde die Stadt den Aushub überwachen lassen. Sollten dabei Schadstoffe gefunden werden, müsste die Stadt als Bauherrin und Grundstückseigentümerin die Kosten tragen.

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