Geretsried:Der Kampf der tapferen Gentlemen

Beim Integrations-Boxturnier des Edelweiß-Vereins zählt nicht nur das Gewinnen. Junge Sportler aus 30 Vereinen traten in den Ring und boxten um den Stoiber-Pokal.

Franziska Felber

"Hände hoch! Hände hoch!" brüllen die jungen Männer, die sich in der Mitte der Turnhalle des Geretsrieder Gymnasiums zusammengerottet haben. Sie alle blicken auf Igor, der oben im Boxring auf seinen Gegner eindrischt, dazwischen aber immer wieder die schützenden Hände sinken lässt.

Boxturnier Integrations Boxturnier Edelweiß

Valdemar Bieber schnauft während seines Papiergewicht-Kampfes kurz mal durch. Junge Sportler aus 30 Vereinen boxten in Geretsried.

(Foto: man)

Dann entsteht ein "Igor, Igor"-Sprechchor, der in begeistertes Jubeln übergeht, als der 15-Jährige seinen Kopfschutz abnimmt und als Sieger aus dem Ring steigt. Von der Freundin gibt's ein Bussi, von Trainer Waleri Weinert einen freundschaftlichen Klaps auf den Rücken.

Weinert, 50, Trainer des Geretsrieder Integrations-Sportvereins Edelweiß, ist seit acht Uhr morgens in der Turnhalle, um alle Vorbereitungen zum dritten und bisher größten Integrations-Boxturnier zu treffen. "Wir haben etwa 30 Vereine aus ganz Bayern dabei, zwei kommen sogar aus Österreich - damit sind wir sozusagen international", sagt er.

Dabei war das von vornherein klar. Allein im Edelweiß-Verein sind 15 Nationen vertreten, es kommen Jugendliche aus Afrika bis Osteuropa, aus dem Kongo und aus Serbien. Es wird spät werden, bis alle 41 Kämpfe ausgefochten sind. Bis dahin hat Weinert eine Menge Handschläge auszuteilen, Schultern zu massieren, Wadeln zu klopfen. Überhaupt ist er der Gefragteste in der Halle, er scheint alle zu kennen, auch die Eltern, die Freundin, die Geschwister, die gekommen sind.

"Wir sind nicht nur eine Mannschaft, wir sind wie eine zweite Familie", sagt Vadim Fongrad, 16, vom Edelweiß-Verein. Er sitzt mit seiner Freundin in den Zuschauerreihen. Als er zehn Jahre alt war, kam Vadims Familie aus Kasachstan nach Geretsried.

Anfangs hat er sich nur seinem Vater zuliebe in den Boxverein geschleppt, irgendwann erschien er aber auch samstags zum Training. 2009 wurde er Bayerischer Meister und Süddeutscher Vize-Meister. In jüngster Zeit tritt er wegen seiner Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker aber kürzer. Darum kämpft er an diesem Samstag auch nicht.

Heute ist er für die anderen da, um sie anzufeuern. Besonders seinem Kumpel Maximilian Lanzl, 17, möchte er zur Seite stehen. Der kämpft den 40. und vorletzten Kampf des Turniers. Da kann man leicht nervös werden, aber Maximilian sagt: "Durch das Boxen und die vielen Freunde im Verein bin ich gelassener geworden."

Auch Johannes Frank wartet noch auf seinen Kampf. Für ihn wurde ein weitaus erfahrenerer Gegner vorgeschlagen, doch er bestand darauf, den Kampf anzunehmen. "Hätte ich eine Tapferkeitsmedaille zu vergeben, er würde sie bekommen", sagt Weinert.

Der große Preis ist greifbar nahe, hinter dem Boxring ist ein Tisch mit funkelnden Pokalen platziert. Neben dem Tisch, dafür im Zentrum des Interesses, steht ein polierter silberner Gigant: Der Wanderpokal, den Edmund Stoiber 2008 gestiftet hat. Seit 2009 stand der imposante Humpen in den Vereinsräumen des BC Piccolo in Fürstenfeldbruck.

Zwar hatten Weinert und seine Mannschaft damals das Turnier für sich entschieden, doch der Wanderpokal geht an die bestplazierte Gastmannschaft. Da ließ Stoiber kurzerhand eine Kopie anfertigen, die der Zweite Bürgermeister Gerhard Meinl im Vereinshaus in der Jeschkenstraße vorbeibrachte. Bürgermeisterin Cornelia Irmer gehört zu den Unterstützern des Vereins: Sie ist fast bis zum Ende unter den Zuschauern-"obwohl sie gerade Urlaub hat", sagt Weinert.

Maximilian tritt knapp vor Mitternacht als Gewinner aus dem Ring. Der Wanderpokal geht dennoch an das Team aus Peißenberg, das mit sieben Siegen einen Gewinner mehr hat als die Geretsrieder. Johannes Frank hat seinen Kampf gegen den erfahreneren Gegner verloren, doch Weinert sagt: "Wenn du einen starken Kampf lieferst, kann ein verlorener Kampf mehr wert sein als ein gewonnener." Boxen sei eben was für Gentlemen.

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