Süddeutsche Zeitung

Geretsried:Begeisterter Zwischenapplaus

Die "Mixed Voices" überzeugen mit einem geistlichen Programm - von klassischen Stücken bis Sister Act

Von Sabine Näher, Geretsried

Schon 45 Minuten vor Konzertbeginn steht ein großer Pulk Menschen vor der Kirche Maria Hilf. Das erwartungsfrohe Publikum und die mehr oder weniger aufgeregten Ensemblemitglieder warten gemeinsam auf das Ende des Gottesdienstes. Als sich endlich die Türen öffnen, ist die Kirche im Nu komplett gefüllt. Die gute halbe Stunde bis zum Auftritt der "Mixed Voices" bietet Gelegenheit zum Plausch mit den Sitznachbarn. Die meisten hier kennen sich; fast jeder hat einen Angehörigen im Chor. Das Ensemble, dem derzeit 34 Sängerinnen und Sänger im Alter von 20 bis 55 Jahren angehören, besteht immerhin schon seit 1992 und konzertiert regelmäßig. Das Stammpublikum weiß also, was es erwarten darf. Immer im Wechsel studiert der Chor ein weltliches und darauf ein geistliches Programm ein. Am Wochenende ist die geistliche Literatur dran, weshalb der Kirchenraum als passender Rahmen ausgewählt wurde. Die Vorfreude steigt!

Endlich ein lässiger Auftritt der in schwarz plus gelb, pink, rot oder grün gewandeten Choristen. Ein farbenfrohes Bild, das anders als die übliche Schwarz-Weiß-Kombination programmatische Bedeutung hat: Bei den "Mixed Voices" geht es bunt zu; sie sind für ihr weit gespanntes Repertoire, das keine musikalische Grenze kennt, bekannt. Ein locker-beschwingt vorgetragenes Spiritual ist genau richtig zum Aufwärmen. Ensemblegründer und -leiter Roland Hammerschmied, groß, schlank, schwarzhaarig und mit obligatorischer Pferdeschwanzfrisur, dirigiert mit großen, weichen Gesten und ist immerfort in tänzerischer Bewegung. Diese Lockerheit strahlt spürbar auf die Sänger aus. Ein verkrampfter Dirigent schnürt deren Kehlen dagegen zu. Aber hier haben alle erkennbar großen Spaß an ihrem Tun.

Und das wiederum strahlt auf die Zuhörer aus. Es gibt begeisterten Applaus nach jeder Nummer: Sei es ein indisches Stück, das nach dem Besuch eines Gastchores aus Indien in das Geretsrieder Repertoire aufgenommen wurde, sei es das mit vollem italienischen Schmelz vorgetragene "Pater noster" von Verdi, der in der Tat neben all seinen Opern auch geistliche Werke geschrieben hat, sei es Bruckners "Locus iste", das die den Komponisten auch in seinem sinfonischen Schaffen auszeichnende ernste Feierlichkeit zelebriert.

Das erste große Highlight aber ist der Auftritt von fünf Sängerinnen als, wie Hammerschmied verkündet, bereits von vorigen Konzerten bewährtes "Damen-Ensemble": Mit Klavierbegleitung bieten sie ein pfiffiges Arrangement einer Nummer aus dem Film "Sister act", der für jeden Chorsänger Kultstatus hat. Mit selbstbewusst dargebotenen Soli und gut choreographierter Aktion fetzt das (fast) wie bei Whoopi Goldberg... Einzig Johannes Brahms' herrliches Chorstück "Vineta", das der sagenumwobenen, im Meer versunkenen Stadt mit wie im Zwielicht changierenden, zauberhaften Klängen huldigt, fällt aus dem Rahmen: Es ist kein geistliches Werk. Atmosphärisch aber zweifelsohne eine Bereicherung.

Das Hauptwerk des Abends ist die "Gospel Mass" von Robert Ray, die von einer Combo, bestehend aus Klavier, Bass und Schlagzeug, begleitet wird. Obwohl Hammerschmied zuvor darauf hinwies, das Werk bestehe aus sechs Teilen, ist das Publikum so begeistert, dass es nach jeder Nummer in Beifall ausbricht, was der Dirigent vergebens mit einer Handbewegung zu stoppen versucht. Sei's drum - beim vierten Mal gibt er es auf und nimmt die unerwünschte Unterbrechung hin. Trotz dieser kann das Ensemble hier sowohl mit warmen, weichen Wohlfühl-Klängen als auch mit fetzigen, rhythmisch geprägten Passagen überzeugen. Die Combo bereitet dazu den Teppich, auf dem die Sänger hinschreiten können. Nach großem Schlussapplaus zwei Zugaben: "Angels" von Robbie Williams bleibt etwas beliebig, aber "Heast as net", in dessen zarten Beginn tatsächlich ein Handyton jodelt, der jedoch alsbald von kunstvollem Jodelgesang des Ensembles übertönt wird, entpuppt sich als eine ganz starke Nummer mit sehr speziellem alpenländischen Kolorit. Davon gerne mehr...

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Quelle:
SZ vom 09.11.2015
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