Sie sind „Taucher, Schwimmer, Wandersleut’“, aber nur wenige Menschen haben Augen für sie: Den heimischen Amphibien ist bis 4. August eine Ausstellung mit Begleitprogramm im Geretsrieder Stadtmuseum gewidmet. Kern der Schau sind elf Roll-ups des Bunds Naturschutz (BN) in Bayern. Monika Schotte, Amphibien-Expertin bei der BN-Kreisgruppe Bad Tölz-Wolfratshausen, hat sie zusammen mit Günther Loiskandl von der Stadt Geretsried und weiteren Engagierten um Audios, Videos und Plakate ergänzt und stellt lokale Bezüge her.
SZ: Frau Schotte, im Märchen wirft die Prinzessin den Frosch an die Wand, bevor er zum Prinzen wird. Hätten Sie ihn gleich geküsst?
Monika Schotte: Puh, nein, eher nicht. Wie die meisten Leute ziehe ich erst einmal gerne Handschuhe an, wenn ich Frösche oder Kröten anfasse. Aber an die Wand hätte ich ihn natürlich auch nicht geworfen.
Frösche, Kröten und Molche sind keine großen Sympathieträger. Warum nicht?
Sie sind weder kuschlig wie Eichhörnchen noch niedlich wie kleine Igel, sondern stehen im Ruf, eklig und schleimig zu sein. Erdkröten können ja auch wirklich ein giftiges Sekret absondern. Aber wenn man sich mit ihnen beschäftigt, kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus. Neulich war ich am Stallauer Weiher, wo es einen Amphibientunnel gibt, und dort waren gerade Scharen von Erdkröten-Hüpferlingen unterwegs, so groß wie ein Daumennagel. Da geht einem das Herz auf! Und man fragt sich: Wie finden sie ihren Weg? Woher wissen sie, dass sie jetzt vom Wasser durch diesen Tunnel zu ihrem Landlebensraum müssen? Da hat die Wissenschaft noch immer nicht das letzte Wort gesprochen.
Was fasziniert Sie am meisten an diesen Lebewesen?
Die Metamorphose, die sie durchlaufen. Sie ändern in ihrer Entwicklung ja nicht nur ihr Aussehen komplett, sondern stellen von Kiemen- auf Lungenatmung um, werden von Vegetariern zu Fleischfressern, bekommen eine neue Haut. Da wiederholt sich die Erdgeschichte im Schnelldurchlauf. Die Amphibien waren die ersten Tiere, die vom Wasser ans Land gegangen sind. Und dabei haben sie ganz unterschiedliche Strategien eingeschlagen.
Welche zum Beispiel?
Erdkröten und Grasfrösche legen im Frühjahr Tausende Eier und vertrauen darauf, dass ein paar Nachkommen überleben werden. Die Gelbbauchunke sucht sich den ganzen Sommer über temporäre Gewässer, in denen es keine Fressfeinde gibt, geht dafür aber das Risiko ein, dass manche dieser Pfützen austrocknen werden. Die Männchen der Geburtshelferkröte wickeln sich die Eierfäden um die Hinterbeine und entlassen die Larven, wenn es so weit ist, ins Wasser.
Die Männchen legen sich also auch ins Zeug?
Und wie! Vor allem während der Laichzeit müssen sie den Weibchen imponieren. Das machen sie zum einen über ganz unterschiedliche Rufe. Zum anderen geben sie ihre Tarnung auf und verändern ihre Farbe: Der Moorfrosch wird hellblau, der kleine Wasserfrosch zitronengelb. Auch Molche bekommen schöne Farben und Kämme. Sie haben keine Stimme, dafür sondern sie Duftstoffe ab, die sie den Weibchen zufächeln. Und sie führen Balztänze auf.
Das kennt man gemeinhin nur von den Vögeln. Amphibien sind dem Menschen wohl fast so fremd wie Fische.
Fakt ist: Amphibien gibt es seit etwa 380 Millionen Jahre auf der Erde, den Homo sapiens gerade einmal 300 000 Jahre – das ist ein Wimpernschlag! Aber indem wir Straßen bauen, die Flüsse in ein Korsett zwängen oder Moore entwässern, drängen wir diese Tiere, die die Dinosaurier überlebt haben, an den Rand des Verschwindens.
In Bayern gibt es laut BN noch 19 Amphibien-Arten, Dreiviertel davon stehen auf der Roten Liste. Wie sieht es rund um Geretsried aus?
Gesichert sind auf Geretsrieder Flur noch neun Arten vertreten – von der Gelbbauchunke über den Springfrosch bis hin zum Teich- und Bergmolch. Den weitaus größten Anteil machen Erdkröten aus, gefolgt vom Grasfrosch. Seine Bestände brechen aber seit einigen Jahren drastisch ein. Das können wir an unseren Sammelstellen im Landkreis genau beobachten.
Was kann man tun, um diesen Trend zu stoppen?
Zu Hause gilt das Übliche: Den Garten nicht zu Tode pflegen, wilde Ecken stehen lassen, Kompost und Reisighaufen anlegen, gerne auch einen kleinen Teich. Hannah Heither, die Diversitätsberaterin am Landratsamt, wird dazu einen Vortrag halten. Sie hat auch die Landnutzer im Blick. Es wäre wichtig, dass Bauern in der Laichzeit keine Gülle ausbringen. Heuer hatten wir den Fall, dass eine Staatsstraße ausgerechnet in dieser Zeit neu geteert wurde. Wir haben viele Tiere, darunter den stark gefährdeten Kammmolch, auf dem Weg zu ihren Laichplätzen am Schutzzaun abgesammelt. Aber wie sollten sie während der Bauarbeiten zurück zum Wald gekommen sein? Andernorts werden hohe Bordsteine den Tieren zum Problem.
Es fehlt also an vielen Stellen noch am nötigen Bewusstsein?
Genau. Und das ist mein Anliegen: Ich werbe für mehr Wertschätzung. Auch die Amphibien-Sammler werden ja noch immer oft belächelt und als tierliebe Spinner abgetan. Wir brauchen sie! Und wir brauchen die Amphibien! Sie stehen für intakte Ökosysteme.
Sie organisieren seit 13 Jahren die Amphibien-Sammelaktion im Landkreis. Haben Sie damit Erfolg?
Am Walchensee wurden heuer 35 000 Tiere gesammelt und über die Mautstraße getragen.
Fünfunddreißigtausend?
Ja, das war ein Spitzenergebnis. An allen anderen 15 Sammelstellen im Landkreis zusammen waren es 15 000 Tiere. Vom Walchensee haben wir schon immer die Meldungen bekommen, dass dort sehr viele Amphibien überfahren werden – nicht nur auf der Mautstraße, sondern auch auf der B 11. Die Wälder am Südufer sind offenkundig noch recht naturnah und intakt. Aber die Mautstraße ist zwölf Kilometer lang, man kann sie nicht ganz abzäunen und vor allem nicht abgehen.
Man könnte sie in der kritischen Zeit nachts sperren.
Ja, das wäre am leichtesten. So wird es auch mit der Alpenstraße zwischen Ruhpolding und Reit im Winkl jedes Jahr gemacht. Das ist im Film „Im Zaubertal der Kröten“ zu sehen, den wir auch zeigen. Bei uns ist das bislang leider nicht gewollt. Aber wir haben Unterstützung bekommen. Die Walchensee-Ranger vom Landratsamt, die mit der Corona-Pandemie eingestellt wurden, als der Ausflugsdruck immer höher wurde, sind auch nachts unterwegs, und die konnten sagen, wo die Hauptströme wandern. So konnten wir gemeinsam zumindest Teilbereiche abzäunen. Mit im Boot sind auch die Bayerischen Staatsforsten, denen die Straße gehört. Sie haben die Zäune gekauft. Bei unserem ersten Einsatz am Walchensee 2021 haben alle Helfer 4000 Tiere eingesammelt, vor einem Jahr dann schon 20 000. Und heuer haben wir es noch systematischer gemacht und den Zaun um einen Kilometer verlängert.
Eine richtige Erfolgsgeschichte!
Das stimmt. Aber es ist wahnsinnig viel Arbeit, genügend Leute zu rekrutieren, die nachts zum Walchensee fahren und dann sammeln – manchmal bis nachts um 2 Uhr. Die Freiwilligen kommen aus Lenggries, Bad Tölz, Benediktbeuern und Kochel, manche auch aus dem Ort Walchensee und der Jachenau. Aber der Gemeinde Jachenau ist bislang offenbar noch nicht ganz bewusst, was für einen Schatz sie hat, den es zu schützen gilt.
„Amphibien – Taucher, Schwimmer, Wandersleut’“, Museum der Stadt Geretsried, Graslitzer Str. 1, bis 4. August, Eintritt frei, Informationen zum Begleitprogramm unter https://www.tourismus.geretsried.de/amphibienausstellung