Süddeutsche Zeitung

Geretsried:1100 Menschen demonstrieren für Flüchtlinge - und gegen die AfD

  • In Geretsried haben sich etwa 150 Menschen an einer Kundgebung der AfD beteiligt.
  • Ihnen gegenüber standen nach Polizeischätzungen 1100 Menschen, die sich mit Flüchtlingen solidarisierten.
  • Einige Demonstranten wurden vorläufig festgenommen, weil sie Taschenmesser und Pfeffersprays mit sich führten.

Von David Costanzo

Schon das Transparent ist rekordverdächtig: "Wer Hilfe braucht, ist bei uns willkommen", steht auf dem 80 Meter langen Laken. Mehrere hundert Menschen haben sich am Samstagnachmittag in Geretsried gegen eine Kundgebung der Alternative für Deutschland gestellt. Nach Polizeiangaben solidarisierten sich 1100 Menschen auf dem Neuen Platz mit Flüchtlingen. An der Demonstration der AfD beteiligten sich den Angaben zufolge rund 150 Menschen. Die Partei hatte 500 erwartet.

"Diese Stadt wurde von Vertriebenen und Flüchtlingen aufgebaut", sagte der Veranstalter der Gegendemonstration, Robert Lug, Stadtrat der Freien Wähler. "Dass die AfD hier demonstriert, ist ein Treppenwitz der Geschichte." An dem Protest beteiligte sich ein Bündnis aus allen Parteien im Rathaus sowie aus Sozial-, Kultur- und Sportvereinen. Auch der Bundestagsabgeordnete Klaus Barthel (SPD) sowie die Landtagsabgeordneten Florian Streibl (Freie Wähler) und Florian von Brunn (SPD) nahmen teil. Veranstalter Lug zeigte sich überwältigt. "Mit dieser wahnsinnigen Begeisterung habe ich nicht gerechnet."

"Geretsried ist bunt", steht auf Plakaten der Protestierenden, "Nazis raus" oder "Menschenrechte für alle Menschen." Bunte Friedensfahnen wehen. Mit Trillerpfeifen und Sprechchören versuchten Teilnehmer der Gegendemo die AfD-Kundegbung zu stören.

Keine gewaltsamen Zusammenstöße

Die Polizei war mit einem Großaufgebot vor Ort und trennte die Lager. Größere Zwischenfälle gab es nicht. Nach einer ersten Bilanz nahm die Polizei einige Teilnehmer vorläufig fest, weil sie etwa Taschenmesser und Pfeffersprays dabei hatten - laut Polizei eher unter den AfD-Demonstranten. Auch ein Demonstrationsteilnehmer, der ein "polizeibeleidigendes" T-Shirt mit der Aufschrift "A.C.A.B." ("All cops are bastards", deutsch: "Alle Polizisten sind Bastarde") trug, wurde festgenommen.

Die AfD machte sich am Tag vor den drei Landtagswahlen Mut. "Willkommen bei der drittstärksten Partei Deutschlands", rief der Landesvorsitzende Petr Bystron. Die Bundesregierung habe sich in erster Linie um die deutsche Bevölkerung zu kümmern und nicht um die Welt.

Die meisten Asylbewerber seien Auswanderer und nicht Flüchtlinge, sagte AfD-Kreischef Mario Buchner. "Merkel muss weg", skandierten die Teilnehmer. Derweil hatte die Partei mit der Organisation der Kundgebung zu kämpfen: Ein angekündigter Redner der FPÖ sagte ab - genau wie die engagierte Blaskapelle, der die Veranstaltung nach eigenen Worten zu politisch geworden sei.

Die Gegendemonstranten meldeten sich erst nach der AfD-Demo lautstark zu Wort. "Geretsried ist eine weltoffene Stadt", sagte etwa Bürgermeister Michael Müller (CSU). "Da lassen wir uns keine braune Soße drüberschütten." Anschließend schrubbten die AfD-Gegner den Platz symbolisch mit Wasser und Besen.

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