Süddeutsche Zeitung

Geplantes Pumpspeicherwerk:Petition gegen Jochberg-Projekt

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Der Lenggrieser Gemeinderat Stephan Bammer hat bis jetzt 230 Unterstützer im Kampf gegen das 600 Millionen Euro teure Großprojekt gefunden. Er sieht darin eine riesige Naturzerstörung im Interesse des Profits.

Von Isabel Meixner

Wer den Jochberg hinaufwandert, hat vom Gipfel einen guten Blick auf Kochelsee, Walchensee - und möglicherweise in elf Jahren auf den Pumpspeichersee, den die Energieallianz Bayern, ein Verbund kommunaler Energieversorger, dort bauen möchte. Von 2024 an könnte Wasser zu Zeiten, in denen der Strom billig ist, auf 1400 Meter Höhe gepumpt und während der Phasen, in denen er teurer ist, wieder abgelassen werden. Der Lenggrieser Gemeinderat Stephan Bammer (FWG) will das geplante Großprojekt verhindern: Seit einer Woche sammelt er mit einer Petition im Internet Unterschriften gegen das auf 600 Millionen Euro bezifferte Pumpspeicherwerk.

230 Unterstützer haben sich bis Montagnachmittag online eingetragen. Viele seien das nicht angesichts jener Zehntausende, die vom Bau am Jochberg betroffen seien, gibt Bammer nüchtern zu, aber viele seien froh, sich äußern zu können. "Ich glaube, dass die schweigende Mehrheit sich denkt: 'Das ist jetzt so, das muss man jetzt dulden.'" Dagegen will der Lenggrieser Gemeinderat sich wehren: "Ich habe den Eindruck, dass das Projekt einfach geplant wird, ohne die Leute vor Ort zu fragen." Die Lokalpolitiker, so sein Eindruck, fühlen sich der Herausforderung nicht gewachsen. Er habe an einen Faschingsscherz gedacht, als er am Unsinnigen Donnerstag erstmals von dem Projekt las, sagt Bammer: "Seit das publik ist, liegt mir das Jochberg-Thema im Magen."

Die Pläne zum Pumpspeicherwerk waren Anfang Februar bekannt geworden. Demnach könnte ein drei Millionen Kubikmeter Wasser fassendes künstliches Becken mit einer Gesamtfläche von 30 Hektar genau dort entstehen, wo jetzt die Jocher-Alm liegt. Auf der Hütte war Stephan Bammer noch nie, auf dem Jochberg ebenso wenig. Doch darum, sagt er, gehe es auch nicht: "Es ist egal, welcher Berg das ist. Das ist ein massiver Eingriff in die Natur."

Bammer stört nach eigenen Aussagen vor allem der Profit, den die Energieallianz mit dem Pumpspeicherwerk auf Kosten der Allgemeinheit erreichen will. Das Wasser wird zu Zeiten, in denen wenig Strom benötigt wird, in das über dem Walchensee gelegene Becken gepumpt. Wenn zu Spitzenlastzeiten der Strombedarf und damit der Preis steigt, fließt das Wasser über Turbinen im Inneren des Bergs zurück in den Walchensee. Die Energieallianz glaubt, so das Pumpspeicherwerk profitabel betreiben zu können. Stephan Bammer ist das zu riskant: "Das betriebswirtschaftliche Wohl dieser Investition hängt an ein paar Euro-Cent Preisunterschied pro Kilowattstunde zwischen billigem und teurem Strom." Er warnt davor, dass die Energieallianz jetzt mit Energiekosten plane, die in zehn Jahren "bestimmt ganz anders aussehen".

Auch vermutet der Lenggrieser Gemeinderat, dass sich in den kommenden zehn Jahren einiges ändern werde in puncto Energiespeicherung. Unterstützer auf der Petitionsseite sehen das ähnlich. "Weil ich gegen diese profitorientierte und sich unter dem Deckmäntelchen 'Ökostrom' verbergende gigantische Naturzerstörung bin", so begründet etwa Sepp Murböck seine Eintragen. Und Thomas Dietl schreibt: "Auch die nächsten Generationen sollen noch eine unberührte und ursprüngliche Natur vorfinden können. Wie soll die Jugend den Respekt vor der Natur lernen, wenn es andere nicht vorleben?"

Dass Pumpspeicherwerke die Energiewende voranbringen können, möchte Stephan Bammer indes nicht in Abrede stellen. Aber dafür muss das Becken seiner Ansicht nach nicht so geplant werden wie am Jochberg: offen in der Landschaft. Bammer befürwortet, den See im Inneren des Berges anzulegen. Ihn ärgert, dass über die Landschaft "einfach so" verfügt werde. Was er mit seiner Petition, die sich an Politiker auf Kreis-, Bezirks-, Landes- und Bundesebene richtet, überhaupt erreichen wird, ist offen: "Mit 220 Unterschriften geh' ich nicht zum Freistaat."

Die Petition findet sich im Internet unter www.change.org, Stichwort Jochberg

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Quelle:
SZ vom 11.06.2013
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