Geothermieanlage in IckingMit Hilfe von oben nach ganz tief unten

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In Attenhausen bei Icking ist der Bohrturm aufgebaut, wo Deutschlands größte Geothermieanlage entstehen soll. Bei der Weihe der Meißel unterstreichen die Anwesenden die Bedeutung des Projekts zur Energiewende. Im Spätherbst wird klar sein, ob die Bohrung erfolgreich war.

Von Susanne Hauck, Icking

Der 60 Meter hohe Turm auf dem Höhenzug zwischen Attenhausen und Dorfen ist weithin sichtbar. Am Mittwoch beginnen die Bohrarbeiten, die 24 Stunden am Tag durchlaufen werden, um 4000 Meter tief in die Erde zu graben. Zur Meißelweihe am Dienstag waren rund 40 Anwohner, Gemeinderäte und Honoratioren auf den Bohrplatz gekommen.
Der 60 Meter hohe Turm auf dem Höhenzug zwischen Attenhausen und Dorfen ist weithin sichtbar. Am Mittwoch beginnen die Bohrarbeiten, die 24 Stunden am Tag durchlaufen werden, um 4000 Meter tief in die Erde zu graben. Zur Meißelweihe am Dienstag waren rund 40 Anwohner, Gemeinderäte und Honoratioren auf den Bohrplatz gekommen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Mit himmlischem Segen in die Erde - ein Schelm, wer dabei denkt, dass die Geothermie-Investoren auf einen besonderen Draht nach oben hoffen, um in der Tiefe heißes Wasser zu finden und es in klingende Münze zu verwandeln. "Unter Bergleuten ist es ein alter Brauch, um Schutz zu bitten", erklärte Markus Wiendieck, Geschäftsführer der Projektgesellschaft Erdwärme Isar. Die Heilige Barbara soll die Arbeiter auf der Bohrstelle vor Unfällen bewahren. Am Dienstag wurde mit einer Meißelweihe der Bohrturm in Betrieb genommen.

Rund 40 Gäste waren zum gigantischen Bohrplatz am Waldrand in Attenhausen gekommen - Anwohner, Gemeinderäte und Honoratioren. Wiendieck dankte der Gemeinde für die "gemeinsame Arbeit an einer guten Lösung" und bot der Bevölkerung Besichtigungsrundgänge an, wenn die Anlage in Betrieb ist. Um die Kommunikation mit den Nachbarn zeigte er sich bemüht, bat um Verständnis für Belästigungen und forderte sie auf, bei Problemen auf ihn zuzukommen.

Bevor Ickings evangelische Pfarrerin Sabine Sommer zusammen mit ihrem katholischen Kollegen Albert Zott aus Höhenrain die Segnung vornahm, hatten Kommunalpolitiker das Wort. Sie unterstrichen die Bedeutung der Geothermie für die Energiewende. Bürgermeisterin Margit Menrad (UBI) erinnerte zwar an historische Versuche der Erdwärmegewinnung, was als "Angraben der Hölle" in Verruf geriet, brachte aber mit einem chinesischen Sprichwort zum Ausdruck, dass sich die Gemeinde dem Projekt nicht verschließe: "Wenn der Wind der Veränderung bläst, bauen die einen Mauern, die andern Windmühlen." Und Mauern wolle man nicht bauen. Der Gemeinderat habe sich in den letzten Jahren in nahezu jeder Sitzung mit dem Projekt beschäftigt, mit dem Vorteil, "dass wir es begleiten und nicht nur über uns ergehen lassen". Die Lösung sei für Icking tragbar. Landrat Josef Niedermaier (FW) dankte angesichts des "ambitionierten Ziels", 2035 die Energie-Autarkheit im Landkreis anzustreben, den Investoren "für ihren Mut, das anzugehen".

Die Bohrungen sollen am Mittwoch beginnen und 24 Stunden am Tag durchlaufen, kündigte Wiendieck an, der damit rechnet, in vier Monaten am Ziel angekommen zu sein. Was das kostet, dazu wollte er keine Aussage treffen. 4000 Meter tief gräbt sich der Bohrkopf vertikal in die Tiefe, bohrt sich erst durch den Schutt, das die Alpen abgelagert haben und sprengt dabei Gesteins-Chips ab, das so genannte Bohrklein. Dann wird der Bohrkopf unter der Autobahn durch in Richtung Münsing abgelenkt und trifft dort, so hofft es die Erdwärme Isar, auf die Kalksteinschicht mit heißem Wasser. 5000 Meter ist die Strecke insgesamt lang. Beim Rundgang über den Bohrplatz, auf dem etwa 100 Arbeiter im Schichtbetrieb beschäftigt sind, erläuterte der geologische Leiter Winfried Büchl das Vorgehen. "Im Spätherbst wissen wir Bescheid, ob die Bohrung erfolgreich war", sagte er. Denn wenn der Bohrkopf am Ziel angekommen ist, wird zwei Wochen lang getestet, ob das Wasser die erhofften 150 Grad Celsius hat und intensiv genug sprudelt. "Wir rechnen mit einer Schüttung von deutlich über 100 Litern pro Sekunde", gab sich Büchl optimistisch. Reicht das Wasser, zieht das Bohrgerät auf einen zweiten Bohrplatz in Walchstadt. Der 60 Meter hohe Bohrturm muss dafür auf- und wieder abgebaut werden. Ob Bohrklein oder Wasser: alles, was nach oben kommt, werde von Entsorgungsfirmen sortiert, auf Schadstoffe geprüft und verarbeitet.

Sollte die Bohrung misslingen, versicherte Büchl, werde alles wieder abgebaut. Das sei "doppelt gesichert", denn auch die Gemeinde habe eine Sicherheit verlangt, zusätzlich zur Bürgschaft beim Bergamt. Er geht jedoch vom Erfolg aus, "unter 50 Bohrungen gab es nur eine Handvoll, die nicht funktioniert haben". Mehrfach wurde im Ickinger Gemeinderat bemängelt, dass die geothermische Wärme nur in die Luft geblasen werde. Doch die Nutzung außerhalb der Stromerzeugung ist noch nicht vom Tisch. "Wir denken daran, Fernwärme anzubieten, aber können es erst konkret sagen, wenn wir eine fündige Bohrung haben", sagte Büchl dazu auf Nachfrage. Attenhausen sei als Abnehmer zu klein, "der Markt liegt in Wolfratshausen".

© SZ vom 27.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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