Erdwärme in Geretsried:Hoffnungsträger: Keramiksand

Erdwärme in Geretsried: Forschen an innovativer Technologie: Koordinator Tobias Backers, Krzysztof Lukowski und Rene Serafim vor dem Bohrturm in Gelting.

Forschen an innovativer Technologie: Koordinator Tobias Backers, Krzysztof Lukowski und Rene Serafim vor dem Bohrturm in Gelting.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Die ersten zwei Bohrversuche auf dem Hofgut Breitenbach scheiterten. Das Forschungsprojekt "Zokrates" der Ruhr-Universität Bochum untersucht nun, ob in Gelting nicht doch Geothermie genutzt werden kann - mit einer innovativen Technik. Ein Besuch auf der Bohranlage.

Von Kathrin Müller-Lancé

Vor dem Betreten des Geländes heißt es erst einmal: feste Schuhe anziehen und Schutzhelm aufsetzen - sicher ist sicher. Die Anlage ist schließlich imposant. 56 Meter ragt der Bohrturm in den Himmel. Die Luft riecht ganz leicht nach Öl, im Hintergrund surren die Maschinen. "Das funktioniert im Grunde wie eine Bohrmaschine an einem großen Kran", erklärt Tobias Backers, Professor für Geologie an der Ruhr-Universität Bochum, und zeigt auf den Turm. Im Gegensatz zu den Besuchern hat Backers einen eigenen Helm, sogar mit Namensschild. Er koordiniert das Forschungsprojekt mit dem kryptischen Namen "Zokrates", das, gefördert vom Bundeswirtschaftsministerium, im Moment auf dem Hofgut Breitenbach in Gelting durchgeführt wird.

Im Rahmen des Projektes untersuchen Backers und sein Team, ob in Gelting nicht doch Erdwärme als Energiequelle genutzt werden kann. Schon zwei Mal ist in der Vergangenheit in Gelting gebohrt worden - allerdings ohne Erfolg. Bei den Bohrungen wurden zwar durchaus hohe Temperaturen gefunden, etwa 150 Grad, wie Backers berichtet, aber zu wenig Wasser.

"Wir haben gesehen: Da ist eigentlich was, aber wir kriegen es nicht raus." Durch die Förderung des Wassers hatten sich die bereits im Gestein vorhandenen Risse wieder geschlossen. Es konnte kein Wasser nach oben dringen. Backers und seine Mitarbeiter wollen nun versuchen, die Risse im Gestein mit Keramiksand zu füllen. "Das Prinzip ist ähnlich wie bei einem Türkeil", sagt der Experte. Die Keramikpartikel sollen verhindern, dass sich die Risse schließen - und sie so für Wasser durchlässig halten. "Wir sind die Ersten, die diese Technologie unter diesen Bedingungen in der Geothermie testen", sagt Backers. Ein gewisser Stolz ist ihm durchaus anzuhören.

Erdwärme in Geretsried: Vor dem Kran in Gelting lagern zahlreiche Eisenrohre, die die Forscher nutzen.

Vor dem Kran in Gelting lagern zahlreiche Eisenrohre, die die Forscher nutzen.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

An diesem Vormittag Anfang September ist von den Untersuchungen allerdings noch nichts zu sehen. Momentan werden auf der Anlage die Reinigungsarbeiten abgeschlossen: Der Kran, ausgestattet mit einer Hebelast von etwa 350 Tonnen, zieht ein Eisenrohr nach dem anderen aus der Tiefe. Mehr als fünf Kilometer tief ist das Bohrloch. Durch das Gestänge wurde zuvor Wasser gespült, um unerwünschte Bestandteile im Bohrloch zu entfernen. In etwa zwei Wochen soll die Testphase beginnen. Die Versuche mit dem Keramiksand sollen dann in insgesamt vier Abschnitten des Lochs durchgeführt werden.

In der Regel arbeiten pro Tag etwa acht Menschen auf dem Gelände, erklärt Bohringenieur Krzysztof Lukowski bei einer Führung durch den Turm. Auch er hat einen Helm mit eigenem Namensschild. Die Anlage ist 24 Stunden in Betrieb. "Da kann man nicht einfach schlafen", sagt Lukowski und lacht. Die Mitarbeiter haben Schichtdienst. Nach zwölf Stunden wechselt die Mannschaft, alle zwei Wochen gibt es zwei Wochen Urlaub. Während der Arbeitswochen schlafen die Mitarbeiter in Containern, die unweit der Anlage aufgestellt sind.

In etwa sechs Wochen könnte die Testphase abgeschlossen sein, schätzt Projektkoordinator Backers. Dann gehe es an die Auswertung der Ergebnisse. "Wenn sich diese Technologie bewährt, wäre das für die Geothermie in Bayern, vor allem südlich von München, extrem interessant", sagt Backers. Während die Erdwärme in der Landeshauptstadt relativ problemlos genutzt werden kann, ist es im Umland deutlich schwieriger. Die Geologie ist nämlich eine andere: "Das Gestein, das für Geothermie interessant ist, liegt hier deutlich tiefer", erklärt Backers. Er hat eine Skizze mitgebracht, die den genauen Aufbau des Bohrlochs zeigt. Mit einem Stift deutet er auf die Abschnitte, in denen die Untersuchungen vorgenommen werden sollen.

Erdwärme in Geretsried: Der Kran zieht das Gestänge aus der Tiefe.

Der Kran zieht das Gestänge aus der Tiefe.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Sollten die Versuche mit dem Keramiksand so funktionieren wie angenommen, könnte das für viele zunächst gescheiterte Geothermie-Projekte neue Hoffnung bedeuten, prognostiziert Backers. Dass bei Bohrungen zu wenig Wasser nach oben gepumpt werden könne, sei ein häufiges Problem. "Diese Technologie wäre dann eine Möglichkeit, das Investment zu retten. Da geht es ja oft um enorme Summen."

Dass die Bohrungen zu Rissen in Häusern führen könnten, wie sie im badischen Staufen zu beobachten sind, fürchtet der Experte übrigens nicht: "Sonst wäre das hier schon längst passiert." In Gelting sei die für Geothermie entscheidende Schicht, anders als in Staufen, aus Kalkstein - und der nehme durch Wasser nicht an Volumen zu und hebe sich nicht.

Wie es mit dem Geltinger Gelände weitergeht, wenn die Mitarbeiter des Forschungsprojektes abziehen, steht schon fest. Um die Jahreswende soll ganz in der Nähe etwas nördlich des jetzigen Bohrlochs ein zweiter Bohrplatz eingerichtet werden. Dort wollen die Energieunternehmen Enex und Eavor ein weiteres neues Verfahren ausprobieren: den sogenannten Eavor Loop. Dabei handelt es sich um eine Art riesigen Wärmetauscher, der nur auf die hohen Temperaturen und nicht auf das Wasser in der Tiefe angewiesen ist. In einem Kreislaufverfahren wird Wasser in den Boden gepumpt, das sich dann erwärmen und anschließend wieder nach oben geleitet werden soll.

Erdwärme in Geretsried: Ein Blick ins Cockpit.

Ein Blick ins Cockpit.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Sollte das Zokrates-Projekt die gewünschten Ergebnisse liefern, wäre es sogar auch denkbar, auf dem Gelände ein klassisches Geothermiekraftwerk zu errichten, sagt Tobias Backers. Dann käme man schließlich an das Wasser in der Tiefe ran. Wie hoch er die Erfolgschancen einschätzt? "Mein Bauch sagt mir, dass es funktioniert."

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