Süddeutsche Zeitung

Geothermie:Auf der Suche nach den heißen Quellen von Gelting, Teil 2

Die Firma Enex bohrt in dem Geretsrieder Stadtteil wieder nach Thermalwasser, um daraus Öko-Strom und Wärme zu produzieren. Diesmal soll das Loch mit wissenschaftlicher Hilfe knapp fünf Kilometer tief werden. Ein Erfolg hätte Signalwirkung für die ganze Region.

Von Claudia Koestler

Was sich an und vor allem unter diesem Bohrturm tut, darauf blickt nicht nur die Region gespannt, sondern eine ganze Branche. Denn das Geothermieprojekt auf dem Hofgut Breitenbach bei Gelting hat Signalwirkung: Seit rund zwei Wochen wird dort erneut nach heißem Wasser gebohrt, diesmal mit der wissenschaftlichen Unterstützung der Technischen Universität München, des Leibniz-Instituts für Angewandte Geophysik aus Hannover und erfahrenen Ingenieurbüros. Wird die Firma Enex Power Germany bei diesem zweiten Versuch fündig, beweist sie zugleich ein neues Bohrziel für andere Geothermieprojekte: Dass nutzbares Heißwasser nicht nur in porösen, durchlässigen Gesteinschichten wie Riffstrukturen oder in bereits zerbröseltem Material zu finden ist, sondern auch in sogenannten Kluftzonen. Weil die wissenschaftlichen Ergebnisse auch anderen Projektentwicklern frei zugänglich sind, werde eine erfolgreiche Bohrung in Gelting dem weiteren Ausbau geothermischer Reservoire für regenerative Strom- und Wärmeversorgung in der Region einen Schub geben. Davon sind die Enex-Geschäftsführer Andreas Gahr und Robert Straubinger überzeugt. Bis Juli oder August soll ein Ergebnis vorliegen: Dann soll so viel Thermalwasser in Gelting aus der Tiefe sprudeln, dass damit Öko-Strom produziert und Heizungen gespeist werden können.

Am Donnerstag wurde die Wiederaufnahme der Bohrung mit einer Feierstunde gewürdigt. Zwischen 50 und 60 Millionen Euro kostet der zweite Anlauf, bei dem Enex auf einen neuen Pfad setzt, eine sogenannte Ablenkungsbohrung ("side track"), um das erhoffte Heißwasser aus einer geologischen Kluftstruktur zu fördern. Dazu wird zunächst das bestehende Bohrloch genutzt, doch bei rund 4200 Meter schert der Meißel nun aus und gräbt sich seitlich weiter in die Tiefe. Insgesamt wird er dann eine Strecke von 5700 Meter zurücklegen und bei einer Tiefe von 4852 Metern landen. Wenn dann mehr als 60 Liter Wasser pro Sekunde sprudeln, "dann ist es ein wirtschaftlicher Erfolg", sagt Gahr. Es darf aber auch gerne mehr sein.

Die erste, 35 Millionen Euro teure Bohrung in Gelting war 2013 bekanntlich noch fehlgeschlagen: Insgesamt betrug die Bohrstrecke 6037 Meter, bis vor wenigen Wochen die längste ihrer Art. Aber das Gestein, das sie in dieser Tiefe vorfanden, war extrem kompakt und vor allem zu trocken. An der Oberfläche kam zwar sehr heißes, aber viel zu wenig Wasser an. Von einer Fehlbohrung will Straubinger dennoch nicht sprechen: "Die Bohrung war hervorragend, nur das Wasser hat eben gefehlt", sagte er. Kurzum sei es "blöd gelaufen". Mit der Änderung des Bohrziels sei er nun aber überzeugt, dass sich der Erfolg einstellen wird.

"Wir sind mit diesem Projekt durch Höhen und Tiefen gegangen, auch mental", erklärte Andreas Tönies, Vorstandsmitglied der Firma Daldrup & Söhne, die die Bohrtechnik liefert. "Dass wir damals nicht fündig wurden, hat der europaweiten Geothermie einen Schlag versetzt und Investoren wie Versicherungen verunsichert", gab er am Donnerstag zu. Nach der Fehlbohrung 2013 sei es laut Gahr "eine Herkulesaufgabe" gewesen, Investoren für einen zweiten Versuch in Gelting zu finden. Gelungen sei dies zum einen, weil das Projekt nun zugleich der Wissenschaft dient und Forschungspartner die Suche nach Wasser in einer bis dato noch nicht genutzten Gesteinsschicht wissenschaftlich begleiten. Zum anderen, weil die Firma Daldrup & Söhne eine Rückzahlungsgarantie für die Bohrkosten von rund 20 Millionen Euro gewährt für den Fall, dass keine ausreichende Wassermengen gefunden werden. An der Notwendigkeit für einen weiteren Versuch in Gelting könne es nach Ansicht von Tönies keine Zweifel geben: "Wir alle werden die Geothermie langfristig zur Energieversorgung brauchen."

Gerade Oberbayern sei für die Nutzung von Geothermie geeignet. Durch Erdverschiebungen vor Millionen von Jahren entstand unterirdisch das sogenannte Süddeutsche Molassebecken. Bis kurz vor die Alpen fließt teilweise mehrere Kilometer tief unter der Erde Thermalwasser. Geothermiekraftwerke können das heiße Wasser aus der Tiefe nach oben fördern und nutzen mittels Wärmetauscher dessen Hitze, um Fernwärmenetze zu speisen. Zudem kann das Heißwasser mittels Verdampfung und Turbine auch zur Stromproduktion dienen.

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SZ vom 05.05.2017
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