Süddeutsche Zeitung

Gemeinde Dietramszell:"Panikmache ist nicht angebracht''

Gefahrenstoffe und mögliche Verpuffungen: In Ascholding liegt der Kindergarten genau gegenüber der Biogasanlage. Nun streitet die Gemeinde, ob das für die Kinder gefährlich ist.

Petra Schneider

Der Streit zwischen Josef Maier, Ex-Landratskandidat der ÖDP, und dem ehemaligen zweiten Bürgermeister von Dietramszell, Georg Rieger, schwelt seit über einem Jahr: Grund ist die Biogasanlage, die Rieger auf seinem Hof betreibt. Nach Ansicht von Maier gefährdet die Anlage die 23 Kinder des benachbarten Kindergartens an der Isarstraße in Ascholding. Dieser sei etwa 40 Meter von der Anlage entfernt, schätzt Maier. Die Störfallkommission des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfehle in einem Leitfaden aber einen Mindestabstand von 800 Metern.

Gefährlich sei vor allem der Schwefelwasserstoff, der in jeder Biogasanlage entsteht. In geringen Konzentrationen führt das Gas mit dem typischen Geruch nach faulen Eiern zu Reizungen der Schleimhäute, in höheren Konzentrationen ist es tödlich. Der Sicherheitsbeauftragte von Dietramszell, Gustav Happak, hatte der Gemeinde empfohlen, den Kindergarten vorübergehend zu schließen, bis die Situation geklärt sei.

Riegers Biogasanlage besteht seit einigen Jahren, vor zwei Jahren hat er sie erweitert. Er erzeugt Strom, der ins Netz eingespeist wird, sowie Wärme für den Bauernhof, zwei Werkstätten und sechs Wohnungen.

Die Gemeinde indes verwies auf das Landratsamt. "Wir können die Gefahrenlage durch die Biogasanlage nicht beurteilen'', erklärte Bürgermeisterin Leni Gröbmaier in der jüngsten Gemeinderatssitzung am Dienstag. Deshalb habe man die Angelegenheit an das Landratsamt weitergeleitet, das schließlich die Genehmigung für die Anlage erteilt habe. Dort wartet man noch auf eine Stellungnahme der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft.

"Von einer 800-Meter-Regel ist uns nichts bekannt", sagte Landrat Josef Niedermaier, der zur Gemeinderatssitzung gekommen war. Von den zuständigen Stellen sei bisher keine Empfehlung eingegangen, den Kindergarten zu räumen. Er wolle das Problem nicht herunter spielen, aber Risiken gebe es bei jeder Form der Energieerzeugung.

"Da müssten wir alle Dörfer evakuieren"

Auch Betreiber Georg Rieder reagiert vorerst gelassen. Schwefelwasserstoff sei in jeder Güllegrube vorhanden, erklärte er auf Abfrage. "Da müssten wir alle Dörfer evakuieren.'' Zudem würden in seiner Anlage überwiegend Mais und Gras verwendet. Das gefährliche Gas entstehe aber hauptsächlich dann, wenn tierische Nebenprodukte, etwa der Pansen aus Rindermägen, eingesetzt würden.

Sein Nachbar Josef Maier sieht das freilich anders. Je älter eine Biogasanlage sei, desto undichter werde das System. Zudem befinde sich der Gastank der Riegerschen Anlage drei Meter über dem Boden. Weil Schwefelwasserstoff schwerer ist als Luft, würde das Gas bei Undichte am Boden entlang wabern, "genau in Höhe der Kinder''.

Für Maier sind zudem der Lärm und die Geruchsbelästigung ein ständiges Ärgernis. "Wir können keine Fenster mehr aufmachen, weil der Maishäcksler so laut ist, und es an 365 Tagen im Jahr stinkt.'' Auch das sieht Georg Rieger anders: Das Gärsubstrat, das auf die Wiesen aufgebracht werde, rieche deutlich weniger aggressiv als die Gülle, weil bei der Vergärung der Ammoniak "entschärft'" werde. "Vom Kindergarten hat sich bei mir noch nie jemand beschwert'', erklärte Rieger.

Die Eltern sähen die Situation relativ entspannt, bestätigte Elternbeiratsvorsitzende Elisabeth Walch auf Anfrage. "Wir sind froh, dass wir in Ascholding überhaupt noch einen Kindergarten haben.'' Die Biogasanlage sei rechtlich genehmigt, und man müsse nun die Ergebnisse des Gutachtens abwarten. "Panikmache ist nicht angebracht'', findet sie.

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SZ vom 21.10.2010/isa
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