Süddeutsche Zeitung

Wirtschaft in Geretsried:Dem Dorfladen droht die Schließung

Das Genossenschaftsprojekt verzeichnet zehn Prozent Umsatzrückgang bei gleichzeitig steigenden Personal- und Betriebskosten.

Von Felicitas Amler, Geretsried

So dramatisch war die Lage des zentralen Geltinger Geschäfts wohl noch nie: "Sollte sich der Trend fortsetzen, wird unser Dorfladen Anfang nächsten Jahres in dieser Form nicht mehr bestehen können", haben Vorstand, Aufsichtsrat und Verkaufsteam Mitte November an die gut 250 Genossenschaftsmitglieder geschrieben. Silke Noeller-Granget, die sich den Vorstand mit Martin Goder teilt, bestätigt im Gespräch mit der SZ, wie ernst es ist. "Wir mussten die Notbremse ziehen", sagt sie, "und die Genossen aufrütteln." Derzeit liege der Umsatz mehr als zehn Prozent unter Vorjahresniveau - bei gleichzeitig steigenden Betriebskosten.

Thomas Vielreicher, stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats, erklärt, in früheren Jahren habe der Laden etwa 45 000 Euro Umsatz monatlich erwirtschaftet, nun liege man nur noch bei 40 000 Euro. Gleichzeitig seien wegen des höheren Mindestlohns die Personalausgaben um 1000 Euro monatlich gestiegen. Und bei all diesen Berechnungen seien die höheren Energiekosten noch gar nicht berücksichtigt. Vielreichers Fazit: "Wir brauchen zwanzig Prozent mehr Umsatz." In letzter Zeit aber blieben viele Kunden aus, weil das Geschäft die erhöhten Kosten seiner Lieferanten weitergeben müsse.

Im Jahr 2017 hatte der Jahresumsatz des Dorfladens die halbe Million überschritten und war 2018 auf 496 000 Euro zurückgegangen, der Überschuss war damals von 10 000 auf 6500 Euro gesunken. Von einem Plus kann nun aber gar nicht mehr die Rede sein. Der Dorfladen ist gefährlich im Minus.

Die Appelle, die jetzt erklingen, sind aber keineswegs neu. Schon in den vergangenen Jahren hatten die Verantwortlichen für das genossenschaftliche Geschäft immer wieder beklagt, dass ein Großteil der Kundschaft nur einzelne Produkte im Dorfladen kaufe und ansonsten in den Supermarkt oder Discounter gehe. So sagt Noeller-Granget nun auch auf die Frage, was dem Laden helfen würde: "Wenn die Leute nicht nur ihre vergessene Milch bei uns kaufen würden." Sie betont, dass viele Artikel im Geltinger Dorfladen nicht einmal teurer seien, etwa die Berchtesgadener Butter oder die Produkte von "Unser Land" und von La Selva.

Der Dorfladen hatte im Jahr 2008 mit großem Elan begonnen. "Es läuft super", sagte die damalige Geschäftsführerin Helga Neumann zu Beginn. Zwischen 200 und 250 Kunden kamen seinerzeit am Tag ins Geschäft. "Super Umsätze, positive Rückmeldungen" der Kunden für das Grundsortiment an Waren, Obst, Gemüse, Käse, Wurst, Semmeln und Brot, meldete die Geschäftsführerin.

Über die Jahre veränderte sich allerdings die Tendenz, dazu kamen gelegentlich Personalquerelen. Im aktuellen Brandbrief an die Genossen heißt es aber, noch in diesem Sommer habe sich der Dorfladen "in einigermaßen ruhigem Fahrwasser befunden". Erst nach den Sommerferien habe sich dies geändert. "Dass die Umsätze direkt nach den Ferien zurückgehen, ist für das Dorfladen-Team nichts Neues. Aber in diesem Jahr setzt sich dieser Trend verstärkt weiter fort."

Der Brief endet mit einem Appell an das Verantwortungsbewusstsein der Genossenschaftsmitglieder, die ja Miteigentümer seien, selbst dort einzukaufen, Gutscheine zu verschenken und Neukunden zu motivieren. "Unterstützen Sie uns mit Ihrer Erfahrung und Ihrer Tatkraft! Wir versuchen von unserer Seite bereits an allen möglichen Stellschrauben nachzujustieren, aber ohne ausreichende Umsätze hilft das leider alles nichts!"

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