Süddeutsche Zeitung

Gefeierte Premiere:Künstlerische Dreieinigkeit

Tanz, Malerei, Gesang: Laura Tiffany Schmid, Jennifer Arnold und Anja Verbeek von Loewis präsentieren in Sankt Michael eine ungewöhnliche Performance.

Von Felicitas Amler

Unter der liebkosenden Hand einer Frau entsteht ein Manns-Bild. So scheint es, als die Tänzerin Laura Tiffany Schmid mit zarten Gesten über die Leinwand streicht, ganz als male sie. Fließend und geschwind bildet sich da eine archaische Figur heraus. Tatsächlich ist es Anja Verbeek von Loewis, die - ein paar Schritte vor der Bühne - den Pinsel führt. Ihre aufs Wesentliche reduzierten, aber gerade darum so raffinierten raschen Tuschzeichnungen werden während des Entstehens auf die Leinwand hinter der Tänzerin projiziert. Dazu erklingt Musik, gesungen, teilweise komponiert und aus großen Werken von Monteverdi, Mahler und Richard Wagner zusammengestellt von der Mezzosopranistin Jennifer Arnold.

Es ist eine Premiere, der die sechzig Zuhörer im Gemeindesaal der evangelischen Kirche Sankt Michael in Wolfratshausen am Montagnachmittag beiwohnen. Die drei Künstlerinnen aus München präsentieren hier erstmals eine Performance aus Tanz, Musik und Malerei. Ihr Titel: "Helenas Odyssee". Ein Experiment. Eines, das grandios geglückt ist und beim Publikum glänzend ankommt.

Die Gemeinde Sankt Michael bietet in ihrer Reihe "Begegnungen" jeden zweiten Montag im Monat Kunst und Unterhaltung - Lesungen zum Beispiel oder Vorträge. Pfarrer Christian Moosauer ist sichtlich stolz, als er diesmal die sehr ungewöhnliche Darbietung der drei Künstlerinnen vorstellt: Ein Highlight, so sagt er. Und: "Man kann's nicht beschreiben."

Alle drei Frauen sind in ihrem Metier klassisch ausgebildet; sie sind miteinander befreundet, haben teils schon zu zweit zusammengearbeitet und träumen seit längerem von einer Verschmelzung ihrer drei Künste zu einer einzigen "gleichwertigen Interaktion", wie Anja Verbeek von Loewis erklärt. "Für uns ist es auch ein bisschen aufregend", sagt sie. In der Ankündigung haben die drei dazu geschrieben: "Es ist die gemeinsame Reise in Unbekanntes, die in der Performance ihren künstlerischen Ausdruck findet." Sängerin Jennifer Arnold erklärt zwar zu Beginn die einzelnen Stationen, wie die Geburt der Helena oder das Werben Aphrodites um Paris. Doch man muss sie nicht präsent haben, um der assoziativen Darbietung gebannt zu folgen. Sie ist wirkungsstark, verlockend und schön, mitreißend und rau. Und ungeheuer intensiv.

Es geht um Frauenrollen, verkörpert durch mythologische Figuren: Helena, die schönste Frau der Welt; Aphrodite, die mit dem Versprechen der Liebe Paris für sich gewinnt; die schuldbeladene Klytämnestra; die naive Poppea. Laura Tiffany Schmid tanzt Charaktere, Gefühle, Haltungen meisterlich: Mal stolziert sie selbstbewusst, mal huscht sie schüchtern-verliebt, mal kämpft sie, mal unterliegt sie. Anja Verbeek von Loewis lässt das Geschehen gleichzeitig mit scheinbar mühelosem Strich auf dem Papier lebendig werden. Und die geschulte Opernsängerin Jennifer Arnold untermalt die Szenerie mit ihrer Stimme. "Choose me!", singt sie etwa den über drei Frauen urteilenden Paris an.

Immer wieder geht es um die Liebe. Und um die Schönheit. "Junge Mädchen pflücken Blumen,/ pflücken Lotusblumen an dem Uferrande" - so beginnt der vierte Teil von Gustav Mahlers "Lied von der Erde", der den Titel "Von der Schönheit" trägt. Während die drei Künstlerinnen dies auf ihre je eigene Weise interpretieren, entspinnt sich unter ihnen ein - gespielter - Dialog über das Wie. Eine Verfremdung inmitten der ohnehin verfremdeten Szenerie. Ein kleines augenzwinkerndes Spiel.

Die Performance endet - nach einem der Wesendonck-Lieder von Richard Wagner: "Im Treibhaus" - mit einem letzten "Choose me" und der Frage: "What is love?" Dann stellen sich die Frauen gemeinsam vor der Leinwand zum Schlussbild auf - einer künstlerischen Dreieinigkeit.

Die Performance hatte so großen Erfolg, dass Pfarrer Christian Moosauer versprach, sie auch in die evangelische Kirche Geretsried zu holen: "Da gäbe es sogar eine größere Bühne."

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Quelle:
SZ vom 14.06.2017
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