Gefahr durch Keime:Heute geschlossen

In Wurst- und Schinkenprodukten der Geretsrieder Firma Sieber wurden Listerien-Keime gefunden. Verbraucherschutzministerium und Landratsamt warnen vorbeugend vor dem Verzehr und rufen alle Waren zurück

Von David Costanzo, Geretsried

An der Eingangstür pappt ein gelber Zettel. "Heute geschlossen", heißt es am Werksverkauf-Häuschen der Geretsrieder Großmetzgerei Sieber in der Böhmerwaldstraße. Eigentlich sollte am Samstag von 9 bis 13 Uhr geöffnet sein. Ab und zu schaut mal ein Kunde durch die verschlossene Glastür. Die meisten Autofahrer machen ohne auszusteigen kehrt, weil in der Bude kein Licht brennt. Warum es an diesem Tag keine "frischen, bayrischen Spezialitäten günstig" gibt, wie das Werbeschild verspricht, hat sich am Samstagmorgen kaum herumgesprochen.

Der Grund steht in einer Mitteilung, die das Bayerische Verbraucherschutzministerium noch am späten Freitagabend versendete - zu dem für eine Behörde untypischen Zeitpunkt um 21.46 Uhr: Das Ministerium warnt vor Siebers Wurst und Schinken, weil sie möglicherweise mit Listerien belastet sind und damit gefährlich für die Gesundheit sein können. Das Landratsamt hat einen Rückruf aller Produkte aus den Geschäften angeordnet und verboten, neue Waren auszuliefern. Landrat Josef Niedermaier (Freie Wähler) geht davon aus, dass Sieber mehrere Hundert Tonnen Fleisch vernichten muss.

Gefahr durch Keime: Laden dicht, Licht aus: Dieser Zettel klebt am Samstag an der Eingangstür des Sieber-Werksverkaufs in der Böhmerwaldstraße in Geretsried.

Laden dicht, Licht aus: Dieser Zettel klebt am Samstag an der Eingangstür des Sieber-Werksverkaufs in der Böhmerwaldstraße in Geretsried.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Niedermaier ist der Chef von vier Lebensmittelkontrolleuren und drei Veterinären - und sein Landratsamt die vollziehende Behörde vor Ort. Darum rotieren er und seine Leute schon seit Freitagmorgen. Da waren neue Befunde über verschiedene Wurstwaren Siebers bekannt geworden - fünf von rund 50 Untersuchungen seien positiv auf die Bakterien ausgefallen, die Alten, chronisch Kranken, Schwangeren und Säuglingen gefährlich werden können. Der Landrat betont, dass drei der fünf Proben aus dem Landkreis stammen und dass die Belastungen weit unter dem Grenzwert liegen. Das solle heißen: Wenn es nur diese Tests gäbe, wäre niemals eine Warnung ausgesprochen worden.

Wenn es da nicht die Vorgeschichte gäbe: Seit 2012 erkrankten immer wieder Menschen in ganz Süddeutschland an Listerien, die Experten entdeckten mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Zusammenhang des Bakterientyps mit einer von Siebers früheren Wammerl-Proben. Möglicherweise geht es laut LGL-Präsident Andreas Zapf um eine Verbindung zu 80 Erkrankungen in ganz Süddeutschland - darunter könnten auch Todesfälle sein. Die Untersuchungen laufen noch, die Ermittler erhoffen sich bald weitere Erkenntnisse.

Gefahr durch Keime: 1825 gegründet, ehemals Königlich Bayerischer Hoflieferant: Die Großmetzgerei Sieber blickt auf eine lange Tradition zurück

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(Foto: Hartmut Pöstges)

Was also tun? Experten aller Ebenen beraten den ganzen Freitag in Telefonkonferenzen - Robert-Koch-Institut, Bundesinstitut für Risikobewertung, Verbraucherschutzministerium, Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), Mediziner, Veterinäre, Lebensmittelkontrolleure, Juristen. Und am Ende obliegt es dem Landrat von Bad Tölz-Wolfratshausen, eine Entscheidung zu treffen. "Wir haben einen kühlen Kopf bewahrt und alle Fakten hingelegt. Manchmal muss man jemandem weh tun, um anderen zu helfen", sagt Niedermaier. "Verbraucherschutz geht vor." Rückruf, Lieferverbot: Noch am Freitagabend machen sich zwei seiner Abteilungsleiter und ein Vize auf nach Geretsried, um Sieber den amtlichen Bescheid mündlich zu überbringen. Der schriftliche Bescheid wird anschließend bis zwei Uhr nachts erarbeitet.

Sieber reagiert am Wochenende nicht auf Anfragen, zeigt sich laut Niedermaier aber kooperativ. Schon seien Lieferlisten übermittelt worden, die das Landratsamt an Land und Bund weiterleitet. Jetzt werde untersucht, ob die Warenströme zu den Infektionen passen. Die Ermittlungen dauern an.

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