Gay Pride:Eine Parade für die Liebe

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Homosexuelle aus dem Oberland feiern in Bad Tölz erstmals ein Pride Weekend mit mehr als 500 Menschen. Bundes- und Landtagsabgeordnete sprechen, und Bürgermeister Janker plädiert für "leben und leben lassen".

Von Thekla Krausseneck

Im Tölzer Schützenheim ist die Luft bereits ziemlich stickig. Nur zehn Menschen mehr im Veranstaltungssaal und keiner könnte mehr atmen, geschweige denn sich bewegen. Einige haben das Glück, sich aus dem Biergarten noch Stühle holen zu können, alle anderen müssen stehen. Der Verein SchuTz, Schwule und Lesben in Bad Tölz und im Oberland, fühlt sich ein wenig überrannt, wenn auch zufrieden: 250 Menschen waren erwartet worden, gekommen waren weit über 500, in einem Polizeibericht vom Sonntag ist die Rede sogar von 650 Frauen und Männern. Das Tölzer "Pride Weekend", das der Verein anlässlich seines 20-jährigen Bestehens veranstaltet, ist ein Event, wie es im Oberland so noch nie stattgefunden hat. Es soll zeigen, dass Homosexualität nicht mehr nur in der Stadt, sondern auch auf dem Land offen existieren kann - und dass man sich als homosexueller Mensch in Bad Tölz durchaus willkommen fühlen darf.

Drei Stunden zuvor: Dem bunten Queer-Abend geht eine Parade voraus, die kurz vor ihrem Beginn ganz auszufallen droht. Schwarze Sturmwolken verdunkeln den Himmel, starker Wind pfeift durch die Marktstraße, schwere Tropfen fallen auf die Dächer der Zelte. Wo sich gerade noch Menschen um Info-Stände drängten, werden Flyer und Regenbogen-Fahnen rasch in Kisten geworfen, damit sie nicht weggeweht werden. Die Besucher drücken sich in Hauseingänge. Nur noch wenige Minuten, ehe das Unwetter richtig lospeitscht.

Milady Charleen - Selige Münchner Maikönigin und Ralf im bürgerlichen Leben - lässt sich vom Wind und Regen ihren Optimismus nicht nehmen. Zum dunklen Vollbart trägt sie ein weißes Korsett, einen Reifrock und eine Gardine als Schleier. Wozu eigentlich? "Um zu zeigen, dass es Vielfalt gibt", sagt sie. Zusammen mit anderen Travestiekünstlern, die angereist sind, bringt sie die Botschaft des "Pride Weekends" auf den Punkt. "Wir alle sind normal, jeder nach seiner Façon." Das Kostüm beeinträchtige nicht die Männlichkeit; deshalb habe sie auch den Bart stehen lassen. "Wir lieben euch, nehmt's uns, wie wir sind."

"Hauptsache, sie lieben sich": So zitiert der Miesbacher Landrat Wolfgang Rzehak seine fünfjährige Tochter, als er kurz nach drei Uhr ans Mikrofon tritt. Es gießt in Strömen, in Grüppchen drängen sich die Zuhörer unter Regenschirme, während über ihnen Blitze den Himmel teilen. Es sind nicht nur eine Handvoll Tapferer, die dem Regen trotzen, sondern sehr viele Menschen, die zuhören, als Rzehak von seiner Tochter erzählt. Wofür denn die Regenbogenfahne stehe, habe sie gefragt. "Die steht für Vielfalt", habe er geantwortet. "Für meine fünfjährige Tochter ist das völlig normal - die hat kein Problem damit, wenn ein Mann einen Mann küsst. Die sagt dann, Hauptsache, die lieben sich."

Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Doris Wagner beginnt ihre Rede mit den klaren Worten: "Für mich gibt es keine Liebe zweiter Klasse." Es beschäme sie, im Bundestag neben Abgeordneten sitzen zu müssen, die gegen die Gleichstellung homosexueller Paare stimmten. Ganz ähnlich äußert sich die Grünen-Landtagsabgeordnete Claudia Stamm, Schirmfrau des "Pride Days", die mit Nachdruck sagt, es sei völlig normal, im Oberland eine homosexuelle Partnerschaft zu leben. "Leider hinkt die Landespolitik da hinterher, deshalb gibt es für mich viel zu tun." Die Grüße der Stadt Bad Tölz überbringt CSU-Bürgermeister Josef Janker dennoch persönlich. Er nutzt die Gelegenheit, um mit Klischees aufzuräumen. Etwa heiße es, Bad Tölz sei Provinz - dabei sei es offener als so manch andere Kommune. Und die Uhren gingen in Tölz auch völlig richtig - "leben und leben lassen", lautet sein Appell.

Dass die Bedingungen für Schwule und Lesben in Deutschland sich zwar verbessert haben, man mit der Arbeit aber noch nicht am Ende sei, stellt Ralf Schaffelhofer klar, Bayerischer Mr. Leather und Schirmherrn der Veranstaltung. Noch habe man die Köpfe und Herzen vieler Menschen habe nicht gewonnen. Paraden seien daher wichtige Instrumente, um die Belange der homosexuellen Gemeinschaft zu kommunizieren - aber auch um zu feiern.

Danach hat der Regen etwas nachgelassen. Was nun? Peter Priller hat sich noch nicht entschieden. Vorsichtig fragt er ins Mikrofon: "Wer ist dafür, dass wir gehen?" Die Menge bricht in Jubel aus. Gegenprobe: "Wer ist dafür, dass wir nicht gehen?" Stille, dann Gelächter.

Und als hätten sie es gewusst, bessert sich das Wetter, kaum dass die Parade begonnen hat. Die Mitglieder von SchuTz gehen mit der Regenbogenfahne voraus und ziehen eine lange Reihe von Abordnungen hinter sich her. Darunter der Verein lesbischer und schwuler Polizeibediensteter in Bayern; "Lust", ein Tanzsportclub auch für Schwule und Lesben; Querpass Bayern, ein Verband schwuler Fußballer; und die "Philhomoniker". Die Gruppe Samba Sambuco begleitet den Umzug mit energischen Trommel-Schlägen, die im gesamten Kurviertel zu hören sind.

Der einzige Wermutstropfen: Von den Balkonen hängen trotz der Bitte, die Priller im Vorfeld geäußert hatte, keine Regenbogenfahnen, abgesehen von einer Zahnarztpraxis in der Wilhelmstraße, durch welche die Parade jedoch nicht führt. Ob dies ein Ausdruck von Intoleranz oder von Gleichgültigkeit ist - wer weiß das schon; am Straßenrand stehen kaum Menschen, die man fragen könnte. Zu den wenigen gehört das Ehepaar Renate und Klaus Weller, das sich die Parade aus Neugier ansieht. Tölz empfinde sie als offen, sagt Renate Weller. Dassnur wenige Zuschauer da sind, könnte auch am Wetter liegen; sie selbst hätten wegen des Gewitters den Anfang verpasst.

Im Schützenheim wird es schließlich unerwartet eng. "Wir platzen aus allen Nähten", sagt Mitorganisatorin Uta Jacobi, gestresst, übermüdet, aber glücklich. Immer wieder hört man Stimmen, die sich eine Wiederholung im kommenden Jahr wünschen. Eine Art "zweites Event nach Leonhardi", scherzt Jacobi. "Aber das ist natürlich Blödsinn, das schaffen wir nicht." Der Verein sei dazu einfach zu klein.

Das Programm, das SchuTz auf die Beine gestellt hat, ist vielfältig und für Bad Tölz ungewöhnlich. Die "Schwuhplattler" zeigen kleine Tanzeinlagen, die Philhomoniker singen A cappella. Aus dem Biergarten werden Stühle in den Saal getragen, jeder Meter Raum wird genutzt. Obschon es so eng ist - die Stimmung könnte kaum besser sein. Nach jedem Auftritt wird enthusiastisch gepfiffen und geklatscht. Das Gemeinschaftsgefühl ist so einzigartig wie der Tölzer Pride Day.

© SZ vom 4. 8. 2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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