Draußen tröpfelt Dezemberregen auf die Sportplätze. Drinnen ist es still und dämmrig. Der große Raum strahlt Freundlichkeit aus mit seinen hellen Holzmöbeln, so wie hier sieht es vielleicht auch in Schweden aus. Die roten Servietten, die weißen Tischdecken, alles ist glatt. Ralf Musto sitzt an einem Tisch am Fenster. Wie er sich fühlt? "Schwer zu beschreiben", sagt er. "Ich bin müde. Unendlich müde."
"Musto's Restaurant" schließt am Samstag, 14. Dezember. "Unterm Strich kommt nicht genug Kundschaft, um zu überleben", sagt der Wirt. Die Lage sei schlecht, im Sommer gebe es zu wenige Parkplätze, im Winter zu wenig Straßenbeleuchtung. Die Wolfratshauser, sie gingen nicht gerne aus. "Vielleicht haben wir zu lange gehofft, dass es noch was wird", sagt Musto. Er hat gekämpft. Das Restaurant am Sportplatz war für ihn ein Lebenstraum.
Früher hat Musto hier ein bisschen für den Wolfratshauser Verein BCF gekellnert. "Es gab Kuchen und ein paar Semmeln", sagt er, für mehr habe die Küche nicht gereicht. Aber Musto wollte ein richtiges Restaurant. Die Gemeinde unterstütze ihn bei der Finanzierung seines Projekts. 2015 ging das Gasthaus in Betrieb.
Musto war damals 45 und hatte zuvor im Vertrieb gearbeitet. Aber: "Wenn du mal auf das letzte Drittel deines Arbeitslebens zusteuerst, dann fragst du dich, was du wirklich machen willst." Als der Münchner sechs Jahre alt war, zeigte ihm seine Mutter, wie man Pfannkuchen backt. Kochen wurde seine Leidenschaft. Mit 18 kellnerte er im Jagdschlössl in München. Beim Stammtisch im nahe gelegenen Griechen habe der Wirt dort irgendwann zu ihm gesagt: "Ich möchte, dass du für mich arbeitest. Egal, was du dort verdienst, ich zahl' dir das Doppelte." Nach dem Abitur machte Musto eine Ausbildung zum Bankkaufmann und studierte Betriebswirtschaft. Vor 15 Jahren zog der heute 49-Jährige nach Wolfratshausen.
Das Telefon klingelt, Musto steht auf. "Leider nicht. Wir schließen am Samstag", hört man seine Stimme gedämpft aus der Küche. "So geht das die ganze Zeit", sagt er, als er zurück kommt. Graublaue Augen blicken durch eine kantige Brille, sie sehen ein bisschen wässrig aus. Musto trägt Glatze und einen ein schwarzen Rollkragenpulli, er ist schlank. "Wenn du Service machst, läufst du 15 Kilometer am Tag." Er steht wieder auf, verschwindet in der Küche, stellt ein Tellerchen auf den Tisch. "Frisch gebackener Apfelkuchen für den Kindergarten morgen", sagt Musto und lächelt.
Morgens von sieben Uhr an kocht der Wirt zusammen mit seinem Team für drei Wolfratshauser Kindergärten. Mittags stehen Vorbereitungen für den nächsten Tag an, nachmittags "Bestellungen, Einkäufe, Papierkrieg mit Behörden", zählt er auf, "abends ab 17.30 Uhr ganz normal Service". Dass die Restaurantbesucher sich wohlfühlen, sei ihm sehr wichtig gewesen. Die Gäste hätten gesagt: "Ich weiß nicht, was für einen Wein wir letztes Mal hatten, aber Sie wissen das bestimmt noch", erzählt Musto. "Natürlich wusste ich das noch." Im Internet loben viele Gäste die herzliche Atmosphäre.
Gekocht hat Musto am liebsten Fleisch und hausgemachte Nudeln. Seine Eltern hatten, als er klein war, ein Haus am Gardersee. Daher Mustos Liebe zur italienischen Küche. Sein Vater kam ursprünglich aus Ungarn. Mustos Favorit auf der Speisekarte: Spaghetti mit Riesengarnelen. Der Bestseller bei den Gästen: Cordon bleu vom Kalb, gefüllt mit Parmesan und Parmaschinken, dazu Orecchiette in Salbeibutter. Musto lächelt. Er wandle gerne altbekannte Gerichte auf neue Weise ab.
Wie es jetzt weitergeht, weiß er nicht. Drei Gastronomen hätten sich um die Nachfolge im Sportheim beworben. Offiziell endet Mustos Pachtvertrag erst Ende März. Aber der 49-Jährige hält selbst bis Sonntag nicht mehr durch. "Ich hab keinen Bock mehr", sagt er.
Verbittert wirkt er dabei nicht. Er sagt: "Unterm Strich ist es nur viel Geld und viel Arbeit. Da gibt es schlimmere Dinge." Über Weihnachten will er zur Ruhe kommen und nachdenken, wie es weitergeht. Fest steht, dass er in der Gastronomie bleiben möchte. Auch wenn er und seine Frau dafür nach Hamburg ziehen müssten.