Süddeutsche Zeitung

Energieversorgung von Wohngebäuden:Runter vom Gas

Zwei Drittel der Haushalte im Landkreis heizen mit Gas. Das wird immer knapper und teurer. Lenggrieser CSU und Energiewende Oberland diskutieren im Alpenfestsaal Alternativen.

Von Petra Schneider

Seit Russland die Gaslieferungen durch die Pipeline Nord Stream 1 um 60 Prozent reduziert hat und bald womöglich komplett stoppt, steigen die Preise. Dass viele Bürgerinnen und Bürger sich nun Gedanken machen, welche Alternativen es zum Gas gibt und wie man Energie einsparen kann, merkt die Bürgerstiftung Energiewende Oberland (EWO): Die Telefone stehen kaum mehr still, "wir kommen mit den Fragen nicht hinterher", sagte EWO-Energiemanager Andreas Scharli kürzlich bei einem Treffen der Lenggrieser CSU zum Thema "Alternative zu Öl und Gas - nachhaltige Wärmeversorgung von Wohngebäuden" im Alpenfestsaal.

Die durch den Krieg in der Ukraine ausgelöste Energiekrise wirkt wie ein Katalysator für die Energiewende - was Scharli zu einer optimistischen Einschätzung veranlasst: "Ich glaube, dass wir das Ziel, bis 2035 unabhängig von fossilen Energien werden, hinkriegen." Der CSU-Ortsverband Lenggries hatte den EWO-Energiemanager eingeladen, um über nachhaltige Wärmeversorgung von Wohngebäuden zu informieren und Fragen der etwa 30 Teilnehmer zu beantworten. Scharli verwies auf die Notwendigkeit und das "riesige Einsparpotenzial", das durch Wärmedämmung und neue Fenster erzielt werden könne. Zwar sei im Januar die KfW-55-Förderung bei Neubauten gestrichen worden, Dämmmaßnahmen in Bestandsgebäuden würden aber nach wie vor bezuschusst. Und zwar nicht unerheblich, wie überhaupt die Bundesregierung den Umstieg auf erneuerbare Energien massiv unterstütze: So würden beim Austausch alter Heizungen 30 bis 45 Prozent der gesamten Investitionskosten für eine neue Anlage bezuschusst.

Denn einige Anstrengungen sind nötig, um die Wärmewende zu schaffen: Im Landkreis heizen knapp 65 Prozent der Haushalte mit Gas, 16 Prozent mit Öl. Immerhin 15 Prozent werden über Erneuerbare gedeckt. Gering ist der Anteil von Fernwärme, der derzeit bei unter vier Prozent liegt. Der Anteil der Erneuerbaren, also Biomasse, sei im Landkreis relativ hoch, sagte Scharli. Aber der große Anteil an Gasheizungen, die zwei Drittel ausmachen, müsse sinken. Als Alternativen schlug er den Umstieg auf Pellets und Hackschnitzel vor: Vor allem Pelletheizungen hätten sich in den vergangenen Jahren bewährt, neuere Modelle liefen vollautomatisch, und die Preise für den nachwachsenden Rohstoff seien gleichbleibend "relativ günstig". Verheizt würden nur Reststoffe; für Pellets etwa die zehn Prozent, die in Sägewerken als Sägespäne übrig blieben.

Dennoch will die EWO ein neues Energieholzgutachten in Auftrag geben, denn mit geplanten Projekten wie dem Heizwerk bei der Feuerwehr in Bad Tölz, das über ein Fernwärmenetz das Badeteil versorgen soll, steige der Bedarf an Energieholz. Kommunen, die über eine Fernwärmeleitung ihre Liegenschaften versorgen, sollten nach Ansicht von Scharli darüber nachdenken, auch Privathaushalte entlang der Trasse anzuschließen. In Lenggries, das ein Fernwärmenetz von der Hackschnitzelanlage bei der Schule gelegt hat, wurde das nicht gemacht, weil die Gemeinde dann einen "Betrieb gewerblicher Art" anmelden müsste - was für die Kämmerei erheblichen Verwaltungsaufwand bedeutet. Ein Thema bei der klimaneutralen Verbrennung von Biomasse seien die Feinstaub-Emissionen, sagte Scharli, auch wenn die Filter moderner Anlagen verbessert wurden.

In Neubauten würde aber ohnehin eine andere Heiztechnik bevorzugt: Wärmepumpen, die aus der Außenluft, aus dem Grundwasser oder der Erde Wärme entnehmen, die dann das Haus heizt. Wenn im Winter die Wärme aus der Umgebung nicht reicht, muss mit Strom, etwa aus PV-Modulen oder einem Gaskessel, nachgeholfen werden. "Wärmepumpen im Neubau ja, im Bestand vielleicht", fasste Scharli zusammen.

Was den Bereich Strom betrifft, kann der Landkreis dank des Walchenseekraftwerks den Bedarf mehr als decken. Noch, denn dieser werde steigen - für E-Mobilität und Wärmeerzeugung. Potenzial sieht Scharli vor allem bei der Photovoltaik: PV-Anlagen auf Hausdächern, deren Eignung sich mithilfe des Solarkatasters des Landkreises bestimmen lasse. Auch Mieter müssten auf Sonnenstrom nicht verzichten: So gebe es "Steckerfertige PV-Anlagen" für den Balkon. Zwei Module mit maximal 600 Watt Leistung seien erlaubt, sagte Scharli. "Für einen Schweinsbraten reicht das nicht". Aber für die Deckung des "elektrischen Grundrauschens", etwa eines Kühlschranks, seien solche Balkon-Module eine "super Sache".

Scharli räumte mit einem "Stammtischmärchen" auf, wonach Solarmodule nicht recycelt werden könnten: Sie bestünden zu knapp 67 Prozent aus Glas und zu 17 Prozent aus Aluminium. Der recyclingfähige Anteil betrage somit rund 85 Prozent, und die Module dürften kostenlos am Wertstoffhof abgegeben werden. Scharli ist überzeugt, dass es ohne PV-Freiflächenanlagen nicht gehen wird. Bislang gebe es im Landkreis nur im Tölzer Farchet und in Icking Solarfelder. Dass die Zehn-Hektar-Freiflächenanlage im Dietramszeller Ortsteil Manhartshofen am Widerstand von Nachbarn gescheitert ist, kritisierte der Energiemanager scharf: Demokratische Spielregeln müssten eingehalten werden. "Der Gemeinderat entscheidet und nicht drei Privathanseln."

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