SZ-Rubrik "Heimatwerkstatt":Der Klang der Prinzessin

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Der Instrumentenbauer Hans Krinner ist mit seinen Unikaten bei Profi-Musikern gefragt. Mit seiner Werkstatt ist er in größere Räume nach Gaißach gezogen. Dort entstehen Flügelhörner, Trompeten, Posaunen und Harmonikas

Von Benjamin Engel, Gaißach

Die Kurven formen eine Prinzessin. Statt klassischer Rundungen prägt sie jedoch der ovale Schwung. Dass damit die Luft durch ihren Körper besser strömen kann, hat Hans Krinner erst später herausgefunden. Der 36-jährige Gaißacher hatte dem klassischen Flügelhorn eine prägnante Struktur geben wollen. Als er zu experimentieren begann, bog er das Mundstück oval statt traditionell rund. "Ich wollte etwas Eigenes mit Wiedererkennungswert", sagt der junge Instrumentenbauer. 2012 war der erste Prototyp fertig. Dem Flügelhorn gab ein professioneller Musiker aus Südtirol schließlich den Namen Prinzessin. "Das hat mir auch gut gefallen", schildert Krinner. Der Name blieb.

Mit seinen handgefertigten Flügelhörnern der Marke Prinzessin und den Landerer-Harmonikas aus Massivholz ist der Instrumentenbauer in einem Nischenmarkt erfolgreich. Professionelle Musiker greifen gerne zu seinen Unikaten. Nur der Platz im nur 150 Quadratmeter großen Betrieb in Bad Tölz reichte schon lange kaum mehr. Vor einem Jahr ist Krinner in das Gaißacher Gewerbegebiet an der Erlenstraße umgezogen. Erst vor wenigen Wochen hat er die Einrichtung abgeschlossen. Auf 900 Quadratmetern und drei Stockwerken ist nun genügend Raum für Ausstellungsräume und die Werkstatt. Im Obergeschoss können Musiker ihre Instrumente anspielen. Außerdem soll es Workshops mit bekannten Musikern geben. "Vorher waren wir eingepfercht, jetzt ist es schön luftig und groß", freut sich Krinner. Krinners Instrumente sind Unikate. Keines gleicht dem anderen. Sie zu gestalten, ist anspruchsvoll. Wie sie später klingen, lässt sich nicht vorausberechnen oder vermessen. "Viele Sachen können den Unterschied machen. Das findet man nur beim Ausprobieren heraus", schildert Krinner. Dafür kooperiert Krinner mit Erich Rinner. Der Professor für Trompete des Tiroler Landeskonservatoriums oder andere professionelle Musiker spielten jedes Instrument an. "Wenn es nicht passt, bauen wir es wieder auseinander", sagt Krinner. "Das macht den Unterschied." Professor Rinner habe er es auch zu verdanken, dass namhafte Musiker auf seine Instrumente aufmerksam geworden seien.

Zu einem Flügelhorn der Werkstatt greift mittlerweile Vlado Kumpan. Der bekannte Solist hat sein Instrument mit Krinner eigens für sich selbst entwickelt. Zu den Kunden zählen zudem Bernhard Peschl von den Münchner Philharmonikern - er spielt mit Rinner im Ensemble Blechschaden - oder Guy Touvron.

Schon als Kind hat Krinner angefangen, Schlagzeug und Trompete zu spielen. Sein Vater war Dirigent der Gaißacher Musikkapelle. Heute hat er selbst dieses Amt inne. Ein Praktikum bestärkte seinen Wunsch, Instrumentenbauer zu werden. Bei der Geretsrieder Firma Böhm & Meinl lernte er den Beruf. Anschließend spielte Krinner vier Jahre im Gebirgsmusikchor der Bundeswehr und entwickelte erste Instrumente. Mit nur 22 Jahren übernahm er ganz alleine ein Musikgeschäft in Bad Tölz. Er verkaufte erst hauptsächlich Instrumente im Einzelhandel, stellte diese Sparte vor fünf Jahren zugunsten der Eigenproduktion ein und setzt konsequent auf Nischenprodukte. "In der heutigen Zeit ist Spezialisierung wichtig", sagt der Mitdreißiger.

Im Haus entstehen inzwischen Konzerttrompeten, Ventil-Posaunen und Flügelhörner in einem aufwendigen Prozess. In den Werkstatträumen im ersten Stock füllen Mitarbeiter etwa die angelieferten Schallstück-Rohlinge mit Wasser auf. Im Eisfach kühlen sie auf Minus 86 Grad Celsius herunter. Das Eis verhindert, dass das Schallstück beim Biegen bricht oder zerdrückt wird. Mitarbeiter setzen die einzelnen Teile zusammen, löten, schleifen, feilen und polieren die Instrumente. Zum Schutz vor dem feinen Messingstaub tragen sie nach Bedarf Mundschutz. "Man sieht zum Schluss nur das glänzende Instrument. Aber bis es soweit ist, ist es viel Drecksarbeit", berichtet Krinner.

Die Handarbeit kostet etwas. Etwa 3000 bis 4000 Euro zahlen Kunden für das Flügelhorn "Prinzessin". Der Preis hängt beispielsweise davon ab, ob die Oberfläche vergoldet oder versilbert ist.

Um die Kunden von der Qualität seiner Instrumente zu überzeugen, ist der junge Mann viel auf Messen und Ausstellungen präsent. Anfangs sei es schwierig gewesen, Käufer etwa von der ungewöhnlichen Form seines Flügelhorns zu überzeugen. Doch das unermüdliche Werben zahlt sich aus. "Mit Referenzen von Profis geht es immer leichter."

Insgesamt verkauft Krinner um die 150 Blechblasinstrumente im Jahr. Noch einmal die gleiche Anzahl Harmonikas der Marke "Landerer" kommen hinzu. Sie sind nach dem Hausnamen der Familie in Gaißach benannt. 50 bis 60 Arbeitsstunden braucht es, um eines der Unikate aus Massivholz anzufertigen. Ein befreundeter nach Italien ausgewanderter Schreinerstellt das Gehäuse her. In Gaißach folgt der Feinschliff. In der Gestaltung sind die Kunden ziemlich frei, können das Material für Gehäuse oder Tasten selbst aussuchen. Im Regal stehen Harmonikas aus Oliven- oder Eibenholz. Es sei sogar schon vorgekommen, dass ein Kunde das Holz seines eigenen Apfelbaums extra mitgebracht habe, sagt Krinner.

Im Betrieb sind mittlerweile zehn Mitarbeiter beschäftigt. Krinner selbst ist hauptsächlich mit Planungen, Entwicklung, Verkauf und Vertrieb beschäftigt. "Das allerschönste ist, wenn man ein Instrument baut und der Kunde daran Freude hat", räumt er aber ein.

© SZ vom 05.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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