Süddeutsche Zeitung

Fußgängerzone:Radeln zwölfeinhalb Stunden erlaubt

Der Tölzer Stadtrat lässt Radfahrer weiterhin zwischen 21 und 9.30 Uhr durch die Marktstraße fahren. Das Thema bleibt umstritten.

Von Klaus Schieder

Es gibt kaum ein Thema, das der Tölzer Stadtrat mit solcher Inbrunst diskutiert wie das Radfahren in der Marktstraße. Seit Jahren schon schlingert das Gremium hin und her zwischen Plazet und Veto: Mal ist das Radeln in der Fußgängerzone probeweise erlaubt, dann wird es wieder verboten, mal soll es morgens gestattet sein, dann wieder nicht, mal so rum, mal andersrum. Nach dem mit sechs zu sechs Stimmen gefassten Beschluss im städtischen Bauausschuss soll das Fahrradfahren in der Marktstraße künftig zwischen 21 und 9.30 Uhr möglich sein. Dagegen wandte sich allerdings eine Gruppe von sechs CSU-Stadträten, die das rückgängig machen möchte. Ihr Antrag, das Radeln abermals ganz zu untersagen, wurde im Stadtrat mit der knappen Mehrheit von elf zu neun Stimmen abgelehnt.

Ein völliges Verbot schaffe "Klarheit und Rechtssicherheit", sagte CSU-Fraktionssprecher Ingo Mehner für die Gegner einer Öffnung der Marktstraße. Außer ihm gehören dazu Ludwig Bauer, Christof Botzenhart, Anton Heufelder, Anton Mayer und Josef Steigenberger. Zu ihnen gesellten sich Bürgermeister Josef Janker (CSU), sein Stellvertreter Andreas Wiedemann (FWG) und Stadtrat Michael Lindmair (FWG). Wiedemann verwies darauf, dass man den Probebetrieb im Jahr 2012 nicht zuletzt wegen Klagen aus der Bevölkerung wieder eingestellt habe. In der Marktstraße gehe es um Sicherheit, "die kann ich auch mit einer zeitlichen Beschränkung nicht aufbauen".

Das Argument, dass es Kindern erlaubt sein sollte, morgens auf dem Weg zu den Schulen durch die Fußgängerzone zu radeln, vermochte er nicht nachzuvollziehen: "Ich sehe fast keine Kinder, die durchfahren." Anton Mayer brachte einen neuen Aspekt ins Spiel. Die Schulranzen seien heutzutage so schwer, dass die Mädchen und Buben "das in der Marktstraße nicht dertreten", sagte er. Dagegen wiederholte Lindmair, was er schon im Bauausschuss gegen eine nächtliche Öffnung vorgetragen hatte: Die Fußgängerzone mit ihren 318 Metern sei so kurz, dass man ohne Zeitverlust auch absteigen und gehen könne.

Zu den Befürwortern einer Radl-Genehmigung gehört Franz Mayer-Schwendner (Grüne). Er äußerte ob des Stimmen-Gleichstands im Bauausschuss zwar Verständnis für den Vorstoß der CSU-Räte, machte in ihrer Argumentation aber drei Schwachstellen aus: Sie zeigten keine Alternativen fürs Radeln durch das Stadtzentrum auf; sie müssten Kindern erklären, warum sie früh nicht durch die Fußgängerzone fahren dürfen, Lastwagen hingegen schon; sie stellten sich gegen die Ansicht von Fachbehörden wie Polizei und Landratsamt - "aber der Stadtrat ist ja schlauer". Peter Wiedemann (FWG) sieht das Hauptproblem in den Radlern, die bergab übers Kopfsteinpflaster rasen. Er fragte, ob es nicht möglich sei, das Radeln in der Marktstraße bergauf zu erlauben, in der Gegenrichtung aber zu verbieten. Das sei rechtlich nicht möglich, erwiderte Ludwig Janker (CSU), Mitglied der Verkehrskommission. Für ihn bringt die vorgesehene Öffnung mehr Schulwegsicherheit, allerdings müsse man noch eine Lösung für passende Verkehrskontrollen finden.

Von einer Einbahnregelung für Radfahrer in einer Fußgängerzone habe er noch nie gehört, warf Bauamtsleiter Christian Fürstberger ein. Was Kontrollen anbelange, müsse man erst Polizei und Zweckverband Kommunale Verkehrssicherheit abfragen, was sie noch für Kapazitäten hätten. Bürgermeister Janker kann sich eine stichprobenartige Überwachung vorstellen, die vor allem Rennradler stoppen soll. Die CSU-Fraktion werde dazu einen weiteren Antrag im Bauausschuss einbringen.

Erst das Verbot, dann die Kontrollen regeln - hinter dieser Vorgehensweise standen nicht alle christsozialen Stadträte. Robert Paintinger hält die Reihenfolge für "tricky", mithin für verkehrt. Er plädierte dafür, "dass wir die Marktstraße von 21 bis 9.30 Uhr offen lassen und sehen, was wir im Bauausschuss machen können, um zu kontrollieren". Schließlich bemühe sich Bad Tölz ja auch um den Ruf, eine fahrradfreundliche Stadt zu sein. Dem schloss sich René Mühlberger an: "Wenn wir die Türe für die Radfahrer wieder schließen, haben wir nichts geändert."

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SZ vom 19.05.2017
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