Süddeutsche Zeitung

Für die Umwelt:Ein Laden ganz ohne Plastik

Im "Ois ohne" in der Tölzer Hindenburgstraße soll es vom Frühjahr an Trockenlebensmittel, regionale Molkereiprodukte und Non-food geben. Die Kunden müssen die Verpackung selbst mitbringen. Finanziert wird das Geschäft über eine Genossenschaft.

Von Klaus Schieder

Vor der Erfindung des Supermarkts gab es in kleinen Tante-Emma-Läden ein wenig von allem. In schief gestellten Glasbehältern lagen bunte Bonbons und andere Süßigkeiten verlockend beisammen, Mehl, Reis und Zucker wurden noch mit Handschaufeln in Tüten gefüllt und auf einer mechanischen Waage abgemessen. An diese Zeiten dürfte der neue Laden erinnern, den der Verein "Oberland plastikfrei" und Vertreter des Bundes Naturschutz im Frühjahr an der Hindenburgstraße in Bad Tölz eröffnen wollen. Für das Geschäft, das ganz ohne Kunststoffmüll auskommen soll, wurden bislang mehr als 32 000 Euro gesammelt. Aber klar, sagt Initiatorin Diana Meßmer, "wir brauchen noch Geld".

Für den Start wären 40 000 bis 50 000 Euro nötig. Dies hat die künftige Mitbetreiberin Anna Meßmer ausgerechnet. Knapp 32 500 Euro kamen von 379 Unterstützern über ein Crowdfunding zusammen, das bis zum Sonntag lief. Um die 8000 Euro spendete Peter Wiedemann, Chef einer Parfümeriekette und Stadtrat (FWG), für das Projekt "Tölz plastikfrei". Außerdem soll der neue Laden, der den Titel "Ois ohne" trägt, als Genossenschaft geführt werden: Die Mitglieder zeichnen Anteile, wobei für sie der Sinn des plastikfreien Verkaufs, weniger die Rendite im Vordergrund steht. Die Gründungsversammlung findet am 11. Februar statt. "Das schaut nicht schlecht aus", findet Diana Meßmer.

Sollte das Geld dann nicht reichen, werde man einen Kredit aufnehmen, avisiert Anna Meßmer. Einen Businessplan für "Ois ohne" habe man ja schon erstellt. Das Crowdfunding übers Internet einfach noch eine Weile laufen zu lassen, um die Summe zu erhöhen, lehnt sie ab: "Wir können nicht immer alle vertrösten und alles nach hinten schieben." Außerdem hat man nach langer Suche auch schon einen 60 Quadratmeter großen Laden in der Hindenburgstraße 11 gefunden, zwischen der Kreuzung mit der Nockhergasse und dem Baustoffhandel Sigmund Bauer.

Die Miete ist dort nicht so exorbitant teuer wie in einer der Top-Adressen von Bad Tölz, beispielsweise in der Marktstraße, der Salzstraße oder am Anfang der Hindenburgstraße. "Wir haben alle mögliche Läden abgeklappert, aber da zahlt man mehr als das Doppelte", erzählt Diana Meßmer. Demzufolge müsste man dann auch mehr als das Doppelte durch die Laufkundschaft verdienen. Eine Premiumlage sei für das plastikfreie Geschäft nach Einschätzung von Marketing-Experten jedoch gar nicht nötig, sagt die Initiatorin. "Wir erwarten ohnehin nicht mehr als ein Prozent der Bevölkerung, die dort einkaufen." Außerdem liege der Laden in der Hindenburgstraße auf dem Weg zum Tölzer Schulzentrum. Viele Kinder und Jugendliche wünschten sich ja einen anderen Snack zu Mittag als Pommes frites und Döner. Und den sollen sie in "Ois Ohne" bekommen.

"Wir wollen einen kleinen Mittagstisch anbieten", bestätigt Anna Meßmer. Ansonsten soll das Sortiment aus Trockenlebensmitteln bestehen, also Nudeln, Reis, Samen, Getreide, Trockenobst und auch einer Müsli-Station. Dazu kommen Molkereiprodukte wie Milch, Joghurt und Butter, die "wirklich regional" hergestellt seien, so Anna Meßmer. Ebenso Non-food-Artikel wie Reinigungsmittel, Kosmetik, Zahnpasta, Shampoos, Brotzeitboxen oder Holzbürsten. Obst und Gemüse wird hingegen nicht angeboten. Das sei zu schnell verderblich, erklärt die Mitbetreiberin. Außerdem gebe es in Tölz andere Möglichkeiten, Äpfel, Kartoffeln oder Paprika ohne Plastiktüten einzukaufen, unter anderem auf dem Wochenmarkt. Das Angebot in "Ois Ohne" kann sich auch noch ändern. "Die Sache wird sich noch entwickeln, man wird sehen, wie viel Durchlauf wir haben und was sich die Kunden wünschen."

Die müssen ihre Verpackung mehr oder weniger selbst mitbringen: Gläser, Boxen, Tupperware, Stoffbeutel. Für Artikel wie Reinigungsmittel oder Shampoos dürfen sie auch alte Plastikbehälter dabei haben. Das gehe bis jetzt nun mal nicht anders, sagt Anna Meßmer. Aber wichtig sei eben, dass man das alte Plastik dann so häufig wie möglich wiederverwende. Im Übrigen gibt es in dem Laden auch Flaschen mit Spritzaufsatz oder Drehverschluss. Drei Mitarbeiter sind für den Verkauf angestellt, von denen immer einer im Laden steht, für den Mittagstisch auch zwei. Und falls dieser Personalstand nicht reicht? "Wir haben das Glück, dass wir viele Ehrenamtliche haben, die sich für ein paar Stunden reinstellen", sagt Anna Meßmer. Vor allem kurz nach der Eröffnung rechnet sie schon mit einem Hype. "Ich denke, dass sich Viele den Laden anschauen wollen." Mit seinen Glasbehältern und Mehlschaufeln wie anno dazumal.

Weitere Informationen im Internet unter www.ois-ohne.de oder www.startnext.com/ois-ohne

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SZ vom 29.01.2019
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