Süddeutsche Zeitung

Fridays for Future:Pflicht und Ethik

Wie die Leiter der Gymnasien in Bad Tölz und Penzberg auf Schulstreiks für den Klimaschutz reagieren

Von Felicitas Amler, Bad Tölz/Penzberg

Am Tölzer Gabriel-von-Seidl-Gymnasium ahnen Schüler, was sie womöglich mit dem Demonstrieren während der Schulzeit riskieren: Neun Verweise, so sagt Direktor Alexander Göbel, seien schon in den vergangenen Wochen erteilt worden, nachdem Einzelne zu "Fridays for Future" nach München gefahren seien. Wie das Gymnasium auf die aktuelle Protestaktion am Ort reagieren werde, wisse er aber noch nicht, sagte Göbel der SZ am Freitagmorgen.

Das sieht in Penzberg anders aus. Dort hat Direktor Bernhard Kerscher die Eltern schon vorab informiert. Sie konnten ihre Kinder förmlich abmelden - auf eigene Verantwortung. Die aber sollten sich dann auch dazu verpflichten, am nächsten Ramadama in Penzberg teilzunehmen. Kerscher räumt ein, er sei als Schulleiter in einer schwierigen Situation. Einerseits müsse er auf die Schulpflicht hinweisen. Andererseits finde er: "Wir sind Pädagogen, wir haben - zusammen mit den Eltern - die Kinder dazu gebracht, dass sie mitdenken." Und dass sie das mit Blick auf die Ökologie tun, ist gerade am Penzberger Gymnasium erwünscht. "Wir sind Umweltschule", sagt Kerscher.

Auch sein Tölzer Kollege betont, er persönlich stehe "voll hinter der Sache", für welche die Kinder und Jugendlichen kämpfen: "Klimaschutz ist wichtig." Als Biologie- und Chemielehrer sei er "heiß an diesem Thema interessiert", sagt Göbel. Dennoch hebt er die rechtliche Seite des Schuleschwänzens, und sei es für eine gute Sache, hervor. Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen seien im Einzelfall möglich. Wie es im Fall einer großen Anzahl aussähe, lässt Göbel offen. Er habe allerdings Eltern darauf aufmerksam gemacht, so erklärt er, dass es nicht möglich sei, ein Kind für eine Demo "zu entschuldigen". Der Tölzer Direktor verweist auf Artikel 119 des Bayerischen Erziehungsgesetzes, wonach Eltern eine Ordnungswidrigkeit begehen, wenn sie nicht dafür sorgen, dass ihr Kind der Schulpflicht nachkommt. "Das kann mit einer Geldbuße belegt werden."

Bernhard Kerscher

"Wir sind Pädagogen, wir haben - zusammen mit den Eltern - die Kinder dazu gebracht, dass sie mitdenken."

Göbel sagt, die Schüler könnten schließlich auch am Freitagnachmittag - außerhalb der Schulzeit - demonstrieren. In Deggendorf und Garmisch sei dies geschehen, und zwar durchaus mit großer Medienwirksamkeit. Die Frage, ob er als Jugendlicher für oder gegen etwas demonstriert habe, verneint der 51-jährige Göbel. Er betont aber: "Ich war natürlich auch voller Idealismus. Mir schwingt die Zeit der Neunzigerjahre noch nach - die große Aufbruchstimmung für den Umweltschutz." Er erinnert an den Slogan "Jute statt Plastik" und bedauert: "Leider ist das ein bisschen eingeschlafen."

Auch der Penzberger Direktor spricht im Zusammenhang mit dem Klimawandel von seiner eigenen Rolle, und zwar selbstkritisch. "Ich bin 65 Jahre alt", sagt Kerscher, "ich gehöre zu der Generation, die es mit verursacht hat." Er finde eine Demonstration für den Klimaschutz der Stadt Penzberg "sehr angemessen", sagt er. Schließlich sei dies ein Ort, der den Kohle-Bergbau aufgeben musste und eine Konversion ohne diesen Rohstoff geschafft habe. Kerscher selbst unterrichtet am Penzberger Gymnasium Ethik. Er sagt, er lehne "eine Haudraufhaltung" wegen der Klima-Demonstrationen ab. Umso mehr, als die höchsten Repräsentanten dieses Landes hinter den Jugendlichen stünden: die Bundeskanzlerin, der Bundespräsident und 20 000 Wissenschaftler.

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SZ vom 16.03.2019
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