Corona-Pandemie:Bürgermeister fordern Ausflugsverbot

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Viele Münchner zieht es am Wochenende ins südliche Umland - trotz der aktuellen Einschränkungen. Die Bürgermeister dort wollen den Verkehr allerdings beschränken.

Von Petra Schneider, Kochel am See

Die Walchenseeregion hat wegen der Corona-Krise eine kleine Verschnaufpause. "Der Verkehr im Ort ist weniger, auch an schönen Tagen", sagt Bürgermeister Thomas Holz (CSU). Denn vor allem der Durchgangsverkehr in Richtung Österreich und Italien, der in Kochel rund 50 Prozent ausmacht, fällt zurzeit weg. Zufrieden ist Holz aber dennoch nicht: Denn dafür, dass eine Ausgangsbeschränkung gilt, sind die Parkplätze für seinen Geschmack immer noch zu voll.

Er könne nicht nachvollziehen, warum Leute in der momentanen Situation "zwei Stunden durch ganz Bayern fahren, um auf den Rabenkopf zu wandern", sagt Holz. Es sei doch nicht zielführend, wenn sich Ausflügler auf den Wanderwegen drängten und Bergwachteinsätze nötig würden, wie am vergangenen Wochenende am Jochberg, bei denen Retter und Verletzte zwangsläufig in nahen Kontakt kämen. Auch von den Einheimischen kämen Beschwerden: So sei am Samstag der Edeka-Parkplatz dermaßen voll gewesen, "hauptsächlich mit Autos aus München, Ebersberg, Starnberg und Fürstenfeldbruck", dass die Kochler nicht mehr zum Einkaufen konnten, weil wegen des Andrangs nicht genügend Abstand im Laden möglich war.

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Holz hat deshalb eine Ausflugssperre ins Spiel gebracht, die vorschreibt, dass sich Bürger nur noch innerhalb ihres eigenen Landkreises bewegen dürfen. Diese Forderung kam bereits von den Bürgermeistern aus dem Tegernseer Tal - was umgehend für Kritik gesorgt hatte. In wütenden Leserbriefen wurde der Vorstoß der Tegernseer als "dumpfe Polemik" und "Regionalegoismus" bezeichnet. Städter von Ausflügen ins Umland abzuhalten, habe weniger mit Corona und mehr mit einem generellen Münchner-Bashing zu tun, so die Kritik. Holz hält eine Ausflugssperre, wie sie auch in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen gelte, gleichwohl für sinnvoll.

Ein Ausflugsverbot würde schließlich nicht nur Münchner treffen, die dann nicht mehr zum Tegernsee oder an den Walchensee könnten, sondern genauso Kochler, die in Garmisch wandern wollten, sagt Holz. Am Montag haben sich auch die Bürgermeister von Lenggries, Jachenau, Sachsenkam, Gaißach und Münsing seinem Vorschlag angeschlossen und Landrat Josef Niedermaier(FW) beauftragt, diesen bei der Staatsregierung vorzubringen. Denn die Corona-Krise gehe doch umso schneller vorbei, je vernünftiger sich die Leute verhielten, ist der Lenggrieser Bürgermeister Werner Weindl (CSU) überzeugt. Mit der Forderung nach einer Ausflugssperre schließe man sich den Tegernseern und den Bürgermeistern des Landkreises Garmisch-Partenkirchen an, die ebenfalls einen Brandbrief an die Staatsregierung geschickt hätten.

Eine Verschärfung der gelten Regelungen ist derzeit allerdings nicht vorgesehen; Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat am Montag lediglich eine Verlängerung der Ausgangsbeschränkung bis 19. April angeordnet. Bis mindestens nach den Osterferien gilt also weiterhin, dass Kontakte auf Angehörige des eigenen Hausstands beschränkt sind, ein Mindestabstand von 1,50 einzuhalten ist und die Wohnung nur wegen "triftiger Gründe" verlassen werden darf. Eindeutig sind die Regeln nicht immer, der Tölzer Polizeihauptmeister Thomas Gaschke spricht von "Grauzonen". Bergwandern zum Beispiel - das sei als sportliche Betätigung alleine oder mit der Familie "in Ordnung", sagt er. Auch ein Tagesausflug von München in die Berge oder zum Walchensee "ist nicht verboten". Ob so etwas sinnvoll sei, sei eine andere Frage: Denn die Regelungen sollten ja gerade eine Streuung und großräumige Verbreitung des Virus verhindern.

Derzeit kontrolliert die Polizei täglich, auch an Wanderparkplätzen. Dort würden die Kennzeichen der parkenden Autos erfasst, um eine Grundlage für etwaige politische Entscheidungen zu bekommen, sagt Gaschke. Eine rechtliche Handhabe gegen Ausflügler aus anderen Landkreisen hat die Polizei derzeit nicht. Auch Ausweiskontrollen würden vorgenommen und Geldbußen von 150 Euro verhängt, wenn der Sicherheitsabstand nicht eingehalten wird oder sich Menschen, die nicht zu einem Hausstand gehören, zusammen im Freien aufhalten. Inzwischen komme es häufiger vor, dass Bürger "verdächtige Personenansammlungen" meldeten, sagt Gaschke. Dann rückt die Polizei an und klärt das ab. Am vergangenen Wochenende seien Kontrollen in der Jachenau und an der Walchensee-Süduferstraße vorgenommen worden und dort gegen mehrere Personen in Wohnmobilen und Autos Anzeigen erstattet worden. Denn beim Übernachten in Wohnmobilen handle es sich nicht um ein kurzfristiges Verlassen der Wohnung aus triftigen Gründen. Auch Ausfahrten mit dem Motorrad oder dem Cabrio sind nicht erlaubt - denn Sport sei zwar ein triftiger Grund, nicht aber Motorsport zum Selbstzweck. Auf der Kesselbergstrecke beobachtet Bürgermeister Holz momentan tatsächlich viel weniger Motorradfahrer als normalerweise.

"Ein Großteil der Bürger hält sich an die Regeln", sagt auch Polizeihauptmeister Gaschke. So gab es im südlichen Oberbayern am vergangenen Wochenende 504 Verstöße. In den meisten Fällen beließ es die Polizei bei einer mündlichen Verwarnung, nur etwa jeder Dritte kassierte eine Anzeige. Bürgermeister Holz und seine Kollegen finden, dass die geltenden Regeln nicht ausreichen. Sie fürchten, dass ohne Ausflugssperre die Besucherfrequenz in den Bergen und an den Seen steigt, wenn es wärmer wird. Wanderparkplätze sperren will Holz nicht, weil sonst wer weiß wo geparkt werde. Er habe Verständnis, wenn Leute, die in einer Zweizimmerwohnung ohne Garten festsäßen, mit den Kindern raus aus der Stadt wollten. Aber in Zeiten von Corona müsse man doch überlegen, ob man nicht vier Wochen auf einen Spaziergang am Walchensee verzichten könne. "Und lieber im Englischen Garten bleibt."

© SZ vom 03.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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