Freilichtmuseum Glentleiten:Bierspione in Großweil

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Auch alte Werbeschilder von Brauereien gehören zu den Exponaten der hochkarätigen Ausstellung in Glentleiten. Ihr Geschick in Werbung und Marketing haben die Bayern den Engländern geklaut - genau wie das Geheimnis gleichbleibender Bierqualität. (Foto: Manfred Neubauer)

Eine Ausstellung zeigt die Entwicklung der Wirtschaft im Freistaat. Die Schau lüftet auch Geheimnisse des bayerischen Erfolgs, etwa in der Braukunst und der Garnelenzucht

Von Thekla Kraußeneck, Großweil

Dass das Bier in Bayern am besten schmeckt, ist der Welt bekannt. Doch wer weiß schon, dass es womöglich nie so weit gekommen wäre, hätten die Bayern nicht in England spioniert? Dieses und andere Geheimnisse lüftet das Haus der Bayerischen Geschichte in der Ausstellung "Bierspione und Garnelenzüchter - Bayerische Wirtschaft 1818 bis 2018" im Freilichtmuseum Glentleiten in Großweil. Franz Josef Pschierer, Staatsminister für Wirtschaft, Energie und Technologie, hat die Ausstellung anlässlich des 100-jährigen Bestehens des Freistaats Bayern und des 200. Geburtstags seiner ersten Verfassung eröffnet. Neben ihm sprachen Josef Mederer, Bezirkstagspräsident von Oberbayern, und Richard Loibl, Direktor des Hauses der Bayerischen Geschichte.

Man hätte die Ausstellung auch "von der Dampflok zur Artificial Intelligence" nennen können, sagte Wirtschaftsminister Mederer - doch das Spannungsfeld zwischen den Bierspionen und den Garnelenzüchtern sei für Besucher deutlich reizvoller. Die Vernissage fand im voll besetzten Veranstaltungssaal des nagelneuen Holzbaus statt, in dem nun der Eingangsbereich der Glentleiten, ein Shop, ein Restaurant und ein kleines Kupfersudhaus Platz finden. Dort braut die Brauerei Karg jeden Donnerstag fünf Hektoliter Bier. Das Gebäude verbindet in seiner Architektur historische mit modernen Baustilen - und diesen Bogen schlägt auch die Ausstellung. Sie beleuchte "die wechselvolle Geschichte Bayerns", der sich in 200 Jahren "vom Agrarstaat zum Technologiestandort mit Weltrang" gewandelt habe, sagte Pschierer.

Die Marke "Made in Germany" sei vor 100 Jahren noch nicht konkurrenzfähig gewesen, anders die Produkte aus England. In Bayern aber habe man - die zwölf Jahre der Nazi-Diktatur ausgenommen - stets auf eine hohe Industriedichte geachtet. Deshalb gehöre der Freistaat heute mit Baden-Württemberg zu den beiden prosperierendsten Bundesländern Deutschlands. 100 Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs stehe Bayern auch heute wieder vor einem Strukturwandel. Der betreffe vor allem die Digitalisierung, das Breitband und den Mobilfunk, außerdem fehlten dem Arbeitsmarkt Fachkräfte. Essenziell sei darüber hinaus das Heimatgefühl der bayerischen Arbeitnehmer, sagte Pschierer. Es sei da ein Alleinstellungsmerkmal für den wirtschaftlichen Erfolg. Auch die Touristen fühlten sich dort am wohlsten, wo sich auch die Einheimischen wohl fühlten - deshalb halte er die Tradition hoch, betonte der Wirtschaftsminister.

Und eines gehört für die Touristen auch untrennbar zu Bayern: das Bier. Dieses war um 1800 jedoch vor allem dafür bekannt, entweder herausragend oder ungenießbar zu sein, sagte Richard Loibl. Deshalb machten sich im Jahr 1833 drei Münchner Spione auf den Weg nach England, um dort die neueste Brautechnologie auszuspionieren. Dazu benutzen sie einen modifizierten Spazierstock, der sich in unbeobachteten Momenten rasch in den Bierkessel tunken lässt. Wie bei einer Spritze zog der Spion mit dem Griff ein wenig Bier in den Stock hinein und erhielt so eine Probe, dich sich anschließend analysieren ließ. Den Bayern wurde noch etwas anderes klar: welch große Bedeutung Werbung und Marketing für den Vertrieb haben. Und so mauserten sie sich nicht nur zu hervorragenden Brauern, sondern auch zu weltweit erfolgreichen Werbespezialisten.

Dies ist eine von etlichen Anekdoten, die der Besucher aus der Ausstellung "Bierspione und Garnelenzüchter" mitnimmt. In der Zollinger Halle, einem ehemaligen Warngauer Sägewerk mit unverwechselbar gewölbtem Lamellendach, hat das Haus der Bayerischen Geschichte aufwendige Konstruktionen errichtet: In riesigen Ringen stehen oder hängen die Exponate, eine Rakete, ein Auto, alte Brauereischilder, das Modell eines Ingolstädter Horchs und ein wuchtiger Stromerzeuger, der so groß ist wie eine Waschmaschine. Auf den Innen- und Außenseiten der Ringe stehen zusätzliche Informationen, Grafiken zeigen etwa die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in Bayern an oder verbildlichen die Erzeugung von Elektrizität im Freistaat.

"Hochkarätig" nennt Bezirkstagspräsident die Ausstellung - und übertreibt damit nicht. Highlight ist ein großer Tisch, auf dem eine detaillierte Satellitenaufnahme des Freistaats abgebildet ist. In den Tischrändern stecken tabletartige Geräte; wer diese über die Karte hält, bekommt nach dem Prinzip der Augmented Reality, der erweiterten Wirklichkeit, Zusatzinformationen zu den Orten angezeigt, die sich direkt unter den Geräten befinden.

Die Ausstellung ist bis 9. September 2018 zu sehen, geöffnet ist sie täglich von 9 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist kostenfrei, jedoch muss ein Ticket für das Freilichtmuseum gelöst werden. Dieses kostet sieben Euro für Erwachsene und zwei Euro für Kinder ab sechs Jahren.

© SZ vom 16.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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