Frauen in Führungspositionen:Schlechte Quote

Frauen in Führungspositionen wie die Vorstandsvorsitzende der Kreissparkasse Renate Waßmer sind im Landkreis immer noch selten. In der Kommunalpolitik ist der Frauenanteil noch geringer. Die Tölzer Gleichstellungsbeauftragte Karin Weiß fordert deshalb ein neues Rollenbild.

Von Benjamin Emonts

Frauen als Unternehmerinnen

Deutlich weniger Frauen als Männer haben Führungsjobs. Immerhin: Seit Januar 2016 müssen börsennotierte Unternehmen bei Neubesetzungen im Aufsichtsrat eine gesetzliche Frauenquote von 30 Prozent erreichen.

(Foto: dpa)

Renate Waßmer wirkt offen und selbstbewusst, sie blickt ihrem Gegenüber in die Augen und grüßt mit einem kräftigen Händedruck. Frauen, so findet sie, seien eine Spur kommunikativer, sie begegneten den Kollegen mehr auf Augenhöhe und "denken weniger in Hierarchien". Die 48-Jährige hat damit bislang großen Erfolg. Als Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Bad Tölz-Wolfratshausen ist sie für 460 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verantwortlich und eine der einflussreichsten Personen im Landkreis. Frauen in Führungspositionen aber gibt es in Deutschland und auch im Landkreis immer noch deutlich weniger als Männer. Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, kurz DIW, besetzen Frauen nur 30 Prozent der Spitzenpositionen in der Bundesrepublik. Auch in politischen Gremien, das zeigt ein Blick über den Landkreis, sind die Frauen deutlich unterrepräsentiert.

"Dreißig Prozent ist ziemlich wenig vor dem Hintergrund, dass so viele Frauen hohe Abschlüsse haben und teilweise besser sind als die Männer", sagt Elke Holst. Die renommierte Wirtschaftswissenschaftlerin am DIW in Berlin beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der Rolle der Frau im Beruf. Ihr Ergebnis: Frauen bekommen nicht nur weniger Verantwortung im Job, sie verdienen durchschnittlich auch weniger. Für das Münchner Umland gilt das offenbar auch. Karin Weiß, die Gleichstellungsbeauftragte im Tölzer Landratsamt, schätzt die Zahl der Frauen in Führungspositionen im Landkreis auf höchstens 30 Prozent. Bei einem Blick ins Tölzer Landratsamt sieht sie ihre These bestätigt. Von 31 Sachgebieten, so rechnet sie vor, "werden lediglich sechs von Frauen geleitet". Das ergibt einen Anteil von knapp 20 Prozent.

Noch geringer ist der Frauenanteil in der Politik. Die Penzberger Bürgermeisterin Elke Zehetner (parteifrei) ist eine von wenigen Bürgermeisterinnen in der Region. Nach fast zwei Jahrzehnten als Beamtin in der Münchner Stadtverwaltung setzte sich die Familienmutter im Jahr 2016 überraschend gegen zwei langjährige Kommunalpolitiker durch. In den 34 Rathäusern des Landkreises Weilheim-Schongau ist sie damit eine von insgesamt drei Bürgermeisterinnen, Felicitas Betz hat außerdem in Polling das Sagen und Manuela Vanni in Peißenberg. Im Nachbarlandkreis Bad Tölz-Wolfratshausen leiten Frauen insgesamt zwei von 22 Kommunen, Margit Menrad ist Bürgermeisterin von Icking und Leni Gröbmaier in Dietramszell. Frauen generell sind in der Kommunalpolitik schwach vertreten: In den Stadt- und Gemeinderäten des Kreises Tölz-Wolfratshausen liegt der Frauenanteil nach Mitteilung des Landratsamtes bei lediglich 20 Prozent. In der Stadt Bad Tölz kommen auf 21 Männer vier Frauen, in Gemeinden wie Benediktbeuern und Bad Heilbrunn auf 15 Männer zwei Frauen. Es zeigt sich: Je südlicher und ländlicher die Region, desto geringer die Frauenquote. Die modern ausgerichtete Stadt Geretsried hat in ihrem Stadtrat den höchsten Frauenanteil mit zehn von 31 Sitzen. Im Kreistag haben Frauen 16 von 61 Sitzen. "Es ist noch reichlich Luft nach oben, was den Frauenanteil in den politischen Schaltzentralen betrifft", findet Gleichstellungsbeauftragte Weiß.

Sparkassen-Chefin Waßmer hat in ihrem Unternehmen 20 Prozent der Führungspositionen mit Frauen besetzt. Sie selbst sagt, ihr seien als Frau nie Steine in den Weg gelegt worden auf ihrer Karriereleiter. Sie räumt aber auch ein: "Mit einem Kind wäre es sehr schwierig geworden. Das hätte ich wahrscheinlich nicht gewollt und nicht gekonnt." Gleichstellungsbeauftragte Weiß kennt das Problem: Der Verlauf einer Karriere entscheide sich oft in einem Alter, in dem viele Paare mit der Familienplanung beginnen. Das Rollenverständnis aber sei immer noch fest zementiert. "Solange Frauen nach wie vor die Hauptlast der Familienarbeit leisten und damit den Großteil der unbezahlten Arbeit übernehmen, sehe ich schwarz. Es muss selbstverständlich werden, dass sich auch Männer vermehrt in diesem Bereich engagieren", sagt sie. Und Wirtschaftsexpertin Elke Holst fordert: "Wir brauchen mehr Flexibilität. Es muss ein Umdenken stattfinden, ein kultureller Wandel."

Nur wie? "Wir müssen reden, reden, reden, hinweisen, sensibilisieren, stärken, werben, Rollenbilder und Geschlechterstereotype aufweichen", sagt Gleichstellungsbeauftragte Weiß. Konkret könnten das Kurse zur Stärkung des Selbstwerts sein, Wiedereinstiegskurse, Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf, flexible Arbeitszeiten, Home-Office, Betriebskindergärten. Außerdem müsse man Führungsstile, Aufstiegsrituale und Karrieredefinitionen, die von Männern für Männer bestimmt seien, hinterfragen. "Frauenförderung muss Chefsache werden, Frauen in der Führungsebene müssen selbstverständlich werden, erst dann wird sich etwas ändern", sagt Weiß.

Immerhin: Es wächst die Zahl der weiblichen Unternehmerinnen, erfolgreiche Gründerinnen wie Petra Waldherr-Merk gibt es immer mehr. Die 52-jährige Lenggrieserin hat im Jahr 2005 den Mut und das Risiko aufgebracht, eine eigene Likörmanufaktur zu eröffnen, die nach den Rezepten der Großtante Kräuterliköre brennt. Inzwischen verkauft das mittelständische Unternehmen erfolgreich bis nach Österreich, Schweiz und in die USA. "Wenn man etwas wirklich will und überzeugt ist, dann findet sich immer ein Weg", sagt Waldherr-Merk. Laut der Industrie- und Handelskammer (IHK) für München und Oberbayern werden rund 40 Prozent aller Unternehmensgründungen mittlerweile von Frauen durchgeführt. Sie paarten unternehmerische Leidenschaft mit dem "Wunsch nach Selbstbestimmung und Unabhängigkeit", so heißt es in einem Bericht des IHK. Petra Waldherr-Merk kann das nur bestätigen: "Der Wunsch, eigenständig zu sein, war immer die Triebfeder in meinem Leben."

Renate Waßmer führt nach dem Treffen wieder zum Ausgang, die nächsten Termine warten bereits. Auf Menschen zuzugehen und mit ihnen zu sprechen, bereite ihr einfach große Freude, sagt sie. Offenheit und Kommunikation seien besondere Stärken der Frauen.

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