Auszeichnung in Wolfratshausen:Mit Bildung gegen geistige Brandstifter

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Bei der Verleihung des Franz-Geiger-Preises hob Vereinsvorsitzende Gerlinde Berchtold hervor, wie wichtig gerade heute das Eintreten für demokratische Werte sei. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Der Franz-Geiger-Preis geht 2025 an den Wolfratshauser Kinder- und Jugendförderverein, der Heranwachsende unterstützt und demokratische Werte vermittelt.

Von Benjamin Engel, Wolfratshausen

Franz Geiger hat sich einst im Widerstand gegen die Nazi-Diktatur für demokratische und rechtsstaatliche Werte stark gemacht. Daran erinnerten Gerlinde Berchtold als Vorsitzende des nach dem Wolfratshauser Sozialdemokraten benannten Vereins und Michael Grasl. Der Münsinger Bürgermeister hielt die Laudatio auf den Wolfratshauser Kinder- und Jugendförderverein (KJFV), der am Mittwochabend den Franz-Geiger-Preis in der Fachschule für Heilerziehungspflege und -pflegehilfe bekam. Die Auszeichnung wurde zum zweiten Mal verliehen.

Franz Geiger habe sich nicht unterjochen lassen, sagte Gerlinde Berchtold

„Franz Geiger hat sich nicht unterjochen lassen“, betonte Berchtold. Zugleich hob sie hervor, dass diese Haltung auch in der Gegenwart geboten sei. Denn aktuell sei es wichtiger denn je, sich für demokratische Werte stark zu machen. Genau dies leiste auch der Kinder- und Jugendförderverein, der in seiner Bildungs- und Betreuungsarbeit das Bewusstsein dafür vermittle.

Von einer Auszeichnung, die für drei Jahrzehnte vorbildlicher und interkommunaler Jugendarbeit im Norden des Landkreises Bad Tölz-Wolfratshausen stehe, sprach Laudator Grasl. Davon profitierten insbesondere die Nachbarkommunen Egling, Icking, Eurasburg und Münsing. Der im Jahr 1994 gegründete KJFV hat Grasl zufolge zurzeit 132 Beschäftigte und betreut mit seinen Angeboten an acht Schulen insgesamt 857 Kinder und Jugendliche. Dieses Engagement werde dringend benötigt, vermittle Gemeinschaft und unterstütze die Heranwachsenden dabei, zu selbständigen Persönlichkeiten heranzureifen, so der Bürgermeister. „Aus politischer Grundbildung und Wertevermittlung entsteht oft soziales Engagement.“

Den mit 1000 Euro dotierten Preis übergaben Renato Wittstadt und Gerlinde Berchtold vom Franz-Geiger-Verein an Geschäftsführer Fritz Meixner und seinen Stellvertreter Walter Bernlochner vom Kinder- und Jugendförderverein. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Der Sozialdemokrat Franz Geiger war Soldat im Ersten Weltkrieg, wo er einen Arm verlor. Er war als Gemeindeschreiber tätig und lange SPD-Gemeinderat in Wolfratshausen. „Er hat sich gegen die Verleihung der Ehrenbürgerwürde an Adolf Hitler ausgesprochen“, sagte Grasl. „Diese Zivilcourage haben nur ganz wenige aufgebracht.“ Daraufhin sei er suspendiert und wegen Mitgliedschaft in der SPD, Störung der öffentlichen Ordnung und Widerstand gegen das Nazi-Regime verhaftet worden, so der Laudator. Gegen undemokratische Tendenzen anzukämpfen, gehe nur mit Bildungsarbeit. Daran müsse die Gesellschaft immer wieder erinnert werden.

1969 ist Franz Geiger im Alter von 84 Jahren gestorben. Knapp zwei Jahre davor hatte er dem Verein „Bayerisches Seminar für Politik“ ein Grundstück in Wolfratshausen geschenkt. Zu dessen Gründungsmitgliedern zählten SPD-Mitglieder aus Wolfratshausen und Weidach. Im Juli 2009 bildete sich der Franz-Geiger-Verein, um Bildungsmaßnahmen jeglicher Art zu fördern. Dafür wurde das Grundstück des Namensgebers verkauft. 50 Prozent des Erlöses den finanziellen Grundstock des Vereins, dessen Vorsitzende bis 2023 Roswitha Beyer war.

Die Laudatio hielt der Münsinger Bürgermeister Michael Grasl. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Die frühere Stadträtin der SPD war zur Feier für den mit 1000 Euro dotierten Preis ebenso gekommen wie der stellvertretende Vereinsvorsitzende Renato Wittstadt und Bürgermeister Klaus Heilinglechner (BVW). Im vergangenen Jahrzehnt unterstützte der Franz-Geiger-Verein unter anderem den Erinnerungsort Badehaus und den Förderverein der Geretsrieder Franz-Marc-Schule, schoss für Bildungsmaßnahmen nach eigenen Angaben seit dem Jahr 2013 jährlich um die 15000 Euro zu. Erstmals vergab der Verein den Franz-Geiger-Preis voriges Jahr anlässlich des 55. Todestags des Namensgebers an den Verein der Jugendsiedlung Hochland bei Königsdorf.

Was der KJFV als zweiter Preisträger geschaffen habe, sei für ihn faszinierend, auch wenn er schon seit eineinhalb Jahren dessen stellvertretender Geschäftsführer sei, sagte Walter Bernlochner. Das funktioniere nur, weil alle im Kinder- und Jugendförderverein zusammenarbeiteten und sich vernetzten. Untrennbar verbunden ist der KJFV mit seinem langjährigen Geschäftsführer Fritz Meixner. Der erinnerte in seiner Dankesrede an die fünf Tätigkeitsschwerpunkte des Vereins: Begegnen, Begleiten, Beraten Bilden und Betreuen der Kinder und Jugendlichen. Als Beispiel nannte Meixner die Jugendsozialarbeit an Schulen. „Ein unverzichtbares Angebot in einer Zeit, wo Ängste und psychische Auffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen immer mehr zunehmen“, so der KJFV-Geschäftsführer.

Der KJFV-Geschäftsführer Meixner mahnte mehr Bildungsinvestitionen an

Die Mitarbeiter als tragende Säulen des Vereins seien Wegbegleiter und keine Erwachsenen mit erhobenem Zeigefinger, so Meixner. Wer nicht wolle, dass junge Menschen blind geistigen Brandstiftern und Rattenfängern hinterherrennen, müsse in die Bildung investieren. Der bayerischen Staatsregierung warf Meixner vor, dafür viel zu wenig zu investieren, etwa in Mittelschulen. Kindertagesstätten litten unter Fachkräftemangel und würden mit Quereinsteigern geflutet, so Meixner. „Das trägt sicher nicht zu mehr Qualität bei.“

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