Süddeutsche Zeitung

Ausstellung im Meierhof:Vom Aufstieg und Wandel eines Lumpeninstruments

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Die Ausstellung "Zither-Größen" im Benediktbeurer Forum Heimat und Kultur erzählt kurz und knapp die Geschichte der Zither.

Von Sabine Reithmaier, Benediktbeuern

Die Rolle der Zither wandelt sich. Zwar ist das Instrument im Bewusstsein der meisten Menschen nach wie vor verbunden mit alpenländischer Volksmusik oder dem Harry-Lime-Thema aus Carol Reeds Film Der Dritte Mann. Doch längst behauptet sich die Zither auch in anderen Musikszenen. Das verdeutlicht die Ausstellung "Zither Größen" im Benediktbeurer "Forum Heimat und Kultur", die die verschiedenen Facetten des Instruments beleuchtet.

Es ist die zweite Ausstellung, die das eigentlich in Bruckmühl beheimatete Zentrum für Volksmusik, Literatur und Popularmusik, kurz Zemuli, hier veranstaltet, im Frühjahr war schon Christoph Brech mit seinem Video "Alpensinfonie" im Meierhof zu Gast. Nach der Zither-Ausstellung wird das Forum für ein Jahr schließen. Rund eine Million Euro will der Bezirk investieren, um den Raum mit seiner historischen Gewölbedecke noch ausstellungstauglicher zu gestalten. Nach der Sanierung sind wechselnde Sonderausstellungen geplant, auch die Präsentation kostbarer Exponate aus bezirkseigenen Sammlungen.

In der aktuellen Ausstellung lernt der Besucher an sechs Stationen Zither-Persönlichkeiten aus verschiedenen Jahrhunderten kennen, dazu wird das Instrument des Vorgestellten präsentiert. Die Texte sind knapp gehalten. Wer mehr erfahren will, muss im kleinen Begleitheft nachlesen oder sich das Themenheft zur Zither vornehmen, das das Zemuli zu diesem Anlass herausgegeben hat. Doch allein die Größenentwicklung der Zithern verdeutlicht, wie sehr sich das Instrument verändert hat.

Die Tour startet mit dem "Zither-Maxl". Herzog Max in Bayern (1808-1888) sorgte als zitherspielende Hoheit dafür, dass das "Lumpeninstrument" nobilitiert, an Fürstenhöfen gespielt und in ganz Bayern bekannt wurde. Als er das Instrument 1836 in Bamberg bei einem Konzert von Johann Petzmayer erstmals erlebte, verpflichtete er den Zithervirtuosen sofort als Lehrer, kaufte sich beim Haidhauser Zitherbauer Ignaz Simon eine Helmzither in Salzburger Form mit goldenem Blattwerk und legte los.

Auch der Münchner Bierbrauerssohn Georg Freundorfer (1881-1940) war ein virtuoser Zitherspieler, obwohl er angeblich weder Noten lesen noch schreiben konnte. Ihn zog es schon Anfang des 20. Jahrhunderts in den Norden Deutschlands. Auch wenn es heute fast unvorstellbar ist, so war die Zither dort damals ein hochgeschätztes Instrument. Das rasante Tempo der Industrialisierung im 19. Jahrhundert hatte bayerische und österreichische Arbeiter gezwungen, ihre Heimat zu verlassen und anderswo Arbeit zu suchen. Viele brachten ihr Instrument als ein Stück Heimat mit, fast in jeder Arbeiterfamilie existierte eine Zither. Entsprechend gut besucht waren Freundorfers Auftritte, der sowohl als Solist als auch mit seinem Salonorchester große Erfolge feierte.

Die bayerischen Grenzen noch weiter hinter sich ließ Edi Kiem (1881-1966). Er unternahm mit seiner Konzertzither von Adolf Meinel Tourneen bis nach Südamerika und kam jahrelang nicht nach Hause. Bruder Pauli schickte ihm vorsorglich in einem Brief ein Foto von sich mit, "sonst weißt du vielleicht nicht mehr, wie ich aussehe". Der Kiem Pauli (1882-1960), der eigentlich Emanuel hieß, blieb im Land und konzentrierte sich auf das Sammeln von Volksliedern. Berühmt seine Klappzither, die er auf Wanderungen mittrug, um Gehörtes sofort nachzuspielen.

Natürlich fehlt die alpenländische Volksmusik auf der Reise durch die Zithergeschichte nicht. Sie ist vertreten durch die Wegscheider Musikanten, ein legendäres Quartett aus dem Isarwinkel, noch heute Vorbild vieler Volksmusikanten. Mit dem von ihnen geprägten Klang und ihrer Spielweise mit drei Zithern und Kontragitarre gaben Hans Kraus, Josef Gerg und Josef Riesch zusammen mit Benedikt Trischberger (Kontragitarre) über 50 Jahre lang auf Bühnen und in Wirtsstuben den Ton an.

Die einzige Frau in der Runde ist Lili Grünwald-Brandlmeier (1911-1997), der die Professionalisierung der Zitherausbildung zu verdanken ist. Ihr gelang es, das Instrument am Richard-Strauss-Konservatorium in München zu etablieren, sie unterrichtete dort von 1976 an Zither als künstlerisches Hauptfach. Einer ihrer ehemaligen Studenten, der Kochler Zitherspieler Georg Glasl, lehrt das Instrument heute an der Hochschule für Musik und Theater München, der einzigen Hochschule Deutschlands, an der man Zither studieren kann. Angeregt durch sein außergewöhnliches Spiel haben inzwischen zahlreiche renommierte Komponisten für die Zither geschrieben. Glasls Instrument in Psalterform, gebaut von Klemens Kleitsch, kann im Stehen gespielt werden und unterscheidet sich von den herkömmlichen Zithern durch die Größe und das gesteigerte Klangvolumen.

Natürlich kann man all die Instrumente auch wirklich erleben. Nicht nur an einer Hörstation, die die passenden Originalklänge bietet. Das Zemuli hat ein Begleitprogramm zusammengestellt. Die Palette reicht von einem Konzert der Zitherklasse Georg Glasl (22. Oktober) über literarische Streifzüge zum Zither-Maxl (5. November) bis zum Duo Hornsteiner / Kriner aus dem Werdenfelser Land (12. November) oder einer Singstunde mit Volksmusikpfleger Leonhard Meixner (13. November). Und wer möchte, kann an einer Mitmachstation auch ausprobieren, wie das Zitherspielen funktioniert.

Zither-Größen. Ein Instrument setzt sich durch. Bis 20. November, geöffnet Sa. / So., 10.30 bis 19 Uhr, Forum Heimat und Kultur, Meierhof, Benediktbeuern.

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