Süddeutsche Zeitung

Folgen des Zuzugs:Pflegeplätze dringend gesucht

Die Zahl der alten Menschen im Landkreis wird stark ansteigen. Um sie versorgen zu können, müssen jetzt die nötigen Strukturen geschaffen werden, fordern Experten.

Von Claudia Koestler

Schon heute suchen Familien im Landkreis oft vergebens nach Kurzzeitpflegeplätzen oder einer Tagespflege für ihre alten Angehörigen. Nach Prognosen des Landratsamtes könnten in wenigen Jahren zusammen mit dem stationären Bedarf sogar mehr als 500 Plätze fehlen - und das dazu nötige Personal. "Wir werden mehr und wir werden älter, das ist nicht wirklich eine neue Erkenntnis", sagte Felicitas Wolf, Sachbearbeiterin für die Seniorenplanung im Landratsamt, am Freitag bei der Sitzung des Seniorenbeirats des Landkreises. Aber: Jetzt müsse gehandelt werden, um einem drohenden Pflegenotstand im Landkreis entgegenzuwirken.

"Bürger und Politiker, schaut auf dieses Thema", forderte auch Sozialamtsleiter Thomas Bigl. Er sei "teilweise sehr erschrocken, wie die Herausforderungen der Zukunft noch immer weggelächelt" würden. "Das ist kein Thema für später, sondern steht jetzt vor der Tür", sagte er. Wer heute etwas bauen wolle, auch wenn es um Pflegeeinrichtungen gehe, stoße auf viele Widerstände. "Solchen Diskussionen werden wir uns stellen müssen." Waltraud Bauhof fragte nach: "Ist das ein Aufruf, ein Reißnagel im Sitz der Politik zu sein?" Ja, entgegnete Bigl: "Immer wieder - denn er ist berechtigt."

Die Not in Zahlen

2016 zählte der Landkreis noch rund 3300 Menschen mit generellem Pflegebedarf. Bis zum Jahr 2028 werden es etwa 4250 sein. Hatten im vergangenen Jahr 142 Pflegekräfte 550 Menschen in ambulanten Pflegeeinrichtungen versorgt, werde die Zahl nach den Prognosen bis 2028 auf mindestens 188 Pflegekräfte wachsen müssen, um die dann 800 Pflegebedürftigen zu versorgen. Somit steige der Bedarf alleine in der ambulanten Pflege um rund 33 Prozent. Bei der Tagespflege erwartet Felicitas Wolf, Seniorenplanerin des Landratsamts, dass 2028 etwa 70 Plätzen fehlen. In der Kurzzeitpflege gab es im vorigen Jahr 28 Plätze, 2028 werden zwischen 52 und 81 gebraucht. In der vollstationären Versorgung beträgt der zusätzliche Bedarf bis dahin sogar 456 Plätze. cjk

Den Prognosen des Bayerischen Landesamtes für Statistik zufolge steigt die Anzahl der über 65-Jährigen bis 2035 im Landkreis um über 40 Prozent, während die Bevölkerung nur um rund zehn Prozent wächst. Entsprechend wird die Zahl der Menschen mit Pflegebedarf steigen. "Um das zu bewältigen, brauchen wir deutlich mehr Fachkräfte", forderte Wolf. "Wir müssen heute überlegen, wie wir dazu sinnvoll Geld in die Hand nehmen."

Wegen der Herausforderungen in der Pflege hatte der Landkreis 2012 erstmals ein Seniorenpolitisches Gesamtkonzept entwickelt. In diesem Jahr soll es fortgeschrieben werden. Inzwischen umfasst das Werk mehr als 200 Seiten. Wolf stellte die Maßnahmen und Handlungsfelder des Konzepts dem Seniorenbeirat vor.

Als grundsätzliche Tätigkeitssäulen werden darin eine integrierte Orts- und Entwicklungsplanung genannt, das Wohnen zu Hause und die Unterstützung pflegender Angehöriger. Dazu kommen Beratung, Information und Öffentlichkeitsarbeit, Betreuung und Pflege sowie Hospizdienste und Palliativvorsorge. In einigen dieser Bereiche sei der Landkreis heute bereits gut aufgestellt, sagte Wolf. Doch es gebe eben auch zahlreiche "Baustellen", wie sie es nannte. Vor allem müssten im Landkreis zahlreiche neue Pflegeplätzen geschaffen werden, insbesondere Tagespflegeplätze in zentraler Lage. In der Kurzzeitpflege gelte es, "innovative Lösungen" zu finden. Die Sterbebegleitung und die Palliativpflege müssen weiterentwickelt und die Barrierefreiheit vorangetrieben werden. Dazu sollten Hol- und Bringdienste etabliert werden, neben der Sicherstellung der ambulanten Versorgung. Sehr hohe Priorität habe obendrein die Sicherstellung der Nahversorgung, auch der medizinischen. Das Thema Wohnen sei eine "Dauerbaustelle". Derzeit gebe es im Landkreis nur wenige günstige und alternative Wohnformen und noch weniger barrierefreie Angebote. "Hier sind die Genossenschaften dringend gefragt, tätig zu werden", sagte Wolf. Darüber hinaus werde die Unterstützung von pflegenden Angehörigen in den kommenden Jahren noch wichtiger, und Lücken in der Pflegeberatung der Krankenkassen müssten geschlossen werden.

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SZ vom 10.04.2017
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