Süddeutsche Zeitung

Ausstellung und Diskussion:Die Heimat mit dem Doppelnamen

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Im Erinnerungsort Badehaus wird geschichtskritisch über die Umbenennung von Föhrenwald in Waldram diskutiert.

Von Susanne Hauck, Wolfratshausen

Zum 65-jährigen Gründungsjubiläum des Wolfratshauser Stadtteils Waldram mehren sich die Zweifel an der Berechtigung dieses Namens. Vielen würde der alte Name "Föhrenwald" besser gefallen. Dies wurde beim Festakt mit vielen Ehrengästen und Zeitzeugen am Sonntag im Erinnerungsort Badehaus deutlich.

Bislang stand meist die Vergangenheit der Siedlung als Zwangsarbeiterlager in der Nazi-Zeit Reich und als Flüchtlingscamp für jüdische Displaced Persons nach dem Holocaust im Fokus des Badehauses. Nun waren es die Ur-Waldramer und ihre damaligen Lebensumstände. 1956 zogen die ersten Siedler hierher, nachdem das katholische Diözesansiedlungswerk und die Erzdiözese München und Freising das gesamte Gelände mit 46 Hektar gekauft hatten. Daran erinnerte Wolfgang Saal, der Vorsitzende der Siedlungsgemeinschaft Waldram. Die Wohneinheiten mit jeweils 103 Quadratmetern wurden nach und nach saniert und bevorzugt an vertriebene katholische und kinderreiche Familien vergeben. Das Leben war von großer Sparsamkeit geprägt, denn die Hypotheken mussten abbezahlt werden.

1957 wurde dem Antrag auf die offizielle Umbenennung von Föhrenwald in Waldram stattgegeben. Namensgeber war Abt Waldram, der Gründer des Klosters Benediktbeuern. Mit dem neuen Namen fremdelten einige, wie der Kurzfilm "Aus Föhrenwald wird Waldram" der Badehaus-Vorsitzenden Sibylle Krafft und weiterer Vereinsmitglieder zeigte. So schrieb die Lokalzeitung anfangs immer von "Waltram", auf einer Ansichtskarte heißt die Siedlung sogar "Waldraum".

Verdrängung der Erinnerung

Dass die katholische Kirche damals für den Neuanfang bewusst die Vergangenheit auslöschte, insbesondere die jüdische, war damals kein Thema, steht heute aber in der Kritik. "Es sollte alles getilgt werden, was mit Föhrenwald zu tun hatte", äußert sich etwa die Waldramerin und ehemalige Kreisheimatpflegerin Maria Mannes vor der Kamera. Auch andere Anwohner machen sich für den alten Namen stark. Und der ehemalige bayerische Ministerpräsident, der im Film zu Wort kommt, findet, dass Föhrenwald doch recht anheimelnd klinge. Edmund Stoiber ist Ehrengast des Abends. Als seine Eltern 1961 hierherzogen, war er 19 Jahre alt und auf dem Sprung zur Bundeswehr und dem Studium, daher habe er Waldram eher aus der Distanz wahrgenommen, erzählt er. Bei seinen Fußballfreunden sei die Vergangenheit des Orts nie ein Thema gewesen.

Das große Schweigen sprechen auch andere Redner des Abends an. Die Waldramerin Eva Greif etwa erinnern sich dran, dass in ihrer Kindheit einmal die Küche geweißelt wurde und plötzlich ein blauer Davidstern zum Vorschein kam. Der Vater habe nur lakonisch geantwortet, dass hier mal Juden gelebt hätten. "Waldram war immer ein lebendiger Ort, an dem alle zusammenhalfen und zusammen feierten", sagte Greif. "Nur die Erinnerung an die Zeit davor gab es nicht."

Dass dies heute anders ist, ist vor allem dem Verein Bürger fürs Badehaus Waldram-Föhrenwald zu verdanken, der das ehemalige Sanitärgebäude vor dem Abriss rettete, ein Museum daraus machte und die Geschichte des Orts ins kollektive Gedächtnis zurückholte. Aber auch bei der katholischen Kirche, die den Ortsteil bis zum heutigen Tag prägt, sind neue Zeiten angebrochen. So kündigte Manfred Bugl, der neue Direktor der Erzbischöflichen Stiftung Sankt Matthias in Waldram an, diese wolle sich mehr öffnen. Die Stiftung ist die älteste Einrichtung des zweiten Bildungswegs in Bayern. "Die Zusammenarbeit mit dem Badehaus soll besser und intensiver werden", versprach Bugl.

Rundherum war es ein Abend mit vielen Erinnerungen. An die Steinwüste etwa, die Waldram Ende der 1950er-Jahre noch war, an den herrlichen freien Blick zur Isar hin, die charismatischen Volksschullehrer Rudolf Baumgartel und Margarete Tschannerl, die noch mit "Fräulein" angesprochen wurde, die Seminaristen in Sankt Matthias, von denen einige begehrte Rock'n'Roll-Tanzpartner waren. Die Herkunft des legendären Waldram-Lieds, das die Waldramer Tanzlmusi zu Gehör brachte, konnte von Dieter Klug geklärt werden. Autor sei wohl Alois Zaby gewesen, Absolvent des ersten Abiturjahrgangs 1959, der den Text zur Melodie von "Mariechen saß weinend im Garten" dichtete, erläuterte der frühere Lehrer am Gymnasium Sankt Matthias.

Heimat-Ausstellung

Die Veranstaltung umfasste aber auch die Eröffnung der Wanderausstellung "Kann Spuren von Heimat enthalten", die sich mit Essen und Trinken, der kulturellen Identität und der Integration der Deutschen aus dem östlichen Europa auseinandersetzt. Die Vertriebenen brachten ihre Rezepte aus der alten Heimat mit, von böhmischen Knödeln über donauschwäbische Kuchenschnitten namens Damenkaprizen bis zum Schlesischen Himmelreich (Kassler mit Backobst) und den Königsberger Klopsen aus Ostpreußen. Den Einheimischen seien die Gerichte, die die Flüchtlingsfrauen auf den Tisch brachten, lange Zeit nicht recht geheuer gewesen, berichtet Andreas Otto Weber vom Haus des Deutschen Ostens, das die Ausstellung kuratiert hat. So sei etwa der als Zutat in Bayern unbekannte Mohn auf den böhmischen Mohnnudeln, von den Bauern abwertend als "Dreck" bezeichnet worden.

Waldramer Familien wie die Greifs, die Walkos, die Püschels, die Blümels, die Steffls und andere haben historische Küchengegenstände beigesteuert, die aus der alten Heimat erhalten geblieben sind. Eine Kaffeemühle, ein Fleischwolf, ein uraltes Kochbuch, ein altmodisches Messer zum Pilzesammeln. Aus dem Haushalt der Familie Brustmann stammen eine handgeschriebene Rezeptesammlung, eine Mohnmühle, ein Kartoffelstampfer und eine Schöpfkelle. Zu der Ausstellung gibt es auch ein Kochbuch mit Gerichten aus Siebenbürgen, der Slowakei, Galizien, Böhmen und Mähren, Pommern, Ostpreußen, Schlesien, dem Baltikum und der Bukowina.

"Kann Spuren von Heimat enthalten": Ausstellung im Erinnerungsort Badehaus, bis 30. April 2023, Öffnungszeiten Freitag 9 bis 17 Uhr, Samstag und Sonntag 13 bis 17 Uhr.

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