Flussfestival:Aus dem Vollen

Das Kulturspektakel an der Loisach endet mit einer imposanten Aufführung von Haydns "Schöpfung" und einem poetischen Dankeschön an alle Beteiligten - zumindest fast

Von Klaus Peter Volkmann, Wolfratshausen

Mit einem Abenteuer und einer Überraschung ist am Sonntagabend das vierte Wolfratshauser Flussfestival zu Ende gegangen. Tagsüber ist der Blick zum Himmel für Mitwirkende und Organisatoren noch eine Zitterpartie gewesen, abends jedoch steht fest: Haydns "Schöpfung" kann wie geplant als großes Open Air über die Bühne gehen. Und so wagen sich unter der Leitung von Henri Bonamy 120 Mitwirkende auf das Podium im Fluss: das Sinfonieorchester und der Philharmonische Chor des Konzertvereins Isartal sowie drei ausgezeichnete Gesangssolisten. Vor der voll besetzten Tribüne beweisen sie, dass in Wolfratshausen nicht nur moderne Unterhaltung, sondern auch große Klassik einen festen Platz hat.

Das Ensemble hatte Haydns Oratorium bereits eine Woche zuvor in der Loisachhalle aufgeführt. Die Freiluft-Bühne ist eine ganz andere Herausforderung. Musizieren im Freien hat seine Tücken. Akustische Unwägbarkeiten, die Auswirkungen von Temperatur und Luftfeuchte auf die Stimmung der Instrumente, eine für so viele Musiker nur bedingt geeignete Bühne - der Chor singt unter einem Dach, das Orchester unter freiem Himmel: All das kann Spielqualität und Hörerlebnis erkennbar beeinflussen. Das Orchester kommt um diese Erfahrung nicht herum, die Gunst des Publikums leidet aber nicht. Vielmehr werden die Zuhörer reichlich entschädigt durch das Erleben der zauberhaften Atmosphäre beim Blick in die freie Natur und auf die Kulisse der Stadt.

Flussfestival: Unter der Leitung von Henry Bonami bringen Chor und Orchester des Konzertvereins Isartal eine illustre Inszenierung von Haydns "Schöpfung" auf die Bühne.

Unter der Leitung von Henry Bonami bringen Chor und Orchester des Konzertvereins Isartal eine illustre Inszenierung von Haydns "Schöpfung" auf die Bühne.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Haydns "Schöpfung" folgt der Beschreibung des Geschehens in der Bibel. Nach dem in Musik übersetzten orientierungslosen Zustand des Nichts in der Ouvertüre bereitet der Erzengel Raphael gemeinsam mit dem Chor die Entstehung des Lebens vor: "Es werde Licht!" Eine Explosion in strahlendem C-Dur mit vollem Tutti - und das Schöpfungswerk kann beginnen.

Im weiteren Verlauf gibt es Momente, in denen man meinen könnte, Loisach-Ufer und Bergwald seien Vorbilder gewesen für Gottes neue Welt. So beschreibt Raphael, wie "leise rauschend im stillen Tal der helle Bach gleitet". Und der Erzengel Gabriel erzählt davon, wie "der dichte Wald den steilen Berg bekrönt" und "Vögel im offenen Firmament des Himmels fliegen". Nicht minder berührend die prägnanten musikalischen Porträts der "lebenden Geschöpfe", vom "brüllenden Löwen" über das "edle Ross mit fliegender Mähne" bis zum "Heer der Insekten" und dem "am Boden kriechenden Gewürm".

Erzähler sind die Gesangssolisten Roswitha Schmelzl (Sopran) als strahlend klarer Gabriel, Taro Takagi (Tenor) als lupenrein-heller, lyrisch angelegter Uriel und Manuel Adt (Bass) als Erzengel Raphael, der mit kraftvollem Volumen und ausdrucksvoller Gestaltung überzeugt. Sein "Adam" im dritten Teil neben Schmelzl als "Eva" entpuppt sich als Idealbesetzung zweier einander perfekt ergänzender Stimmcharaktere im Duett.

Auch der große Projektchor (Leitung Johannes Buxbaum) lässt keine Wünsche offen. Die groß angelegten Chorsätze, in denen Haydn das Staunen über die Wunder der Natur und die Ehrfurcht vor Gott mit Lobpreis und Dank zum Ausdruck bringt, gelingen tadellos.

Flussfestival: Zum Abschluss gibt es eine Show mit Tanz und Stand-up-Paddlern.

Zum Abschluss gibt es eine Show mit Tanz und Stand-up-Paddlern.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Bonamy erweist sich als souverän agierender Dirigent des Ensembles. Sein Bemühen, dem Orchester die ungewohnte, weil eher begleitende Rolle mit kontrollierter Dynamik und filigraner Phrasierung zu vermitteln, wird nicht zuletzt durch die Mikrofon-Verstärkung der Solisten und die begrenzte Resonanz des Orchesterklangs im Freien erleichtert.

Dass Haydns "Schöpfung" mit zwei Konzerten in Wolfratshausen kurz nacheinander so reges Interesse findet, mag mit der Beliebtheit des Oratoriums und der besonderen Atmosphäre am Fluss zu tun haben. Vielleicht wirkt das Werk in unserer Zeit aber auch wie ein Spiegel - in der gegenwärtigen Rückbesinnung auf die Wunder dieser Schöpfung und im Blick auf die Gefahren, denen sie ausgesetzt ist.

"Wenn falscher Wahn euch nicht verführt ..." - diese mahnenden Worte richtet der Erzengel Uriel vor dem Schlusschor an die Zuhörer. Diese bedanken sich mit fast frenetischem, lang anhaltendem Beifall. Der Abend ist damit aber nicht zu Ende. Statt des angekündigten Feuerwerks beginnt fast nahtlos eine von Dominik Halamek arrangierte kleine Show mit zauberhaften auf das Loisach-Ufer projizierten Lichteffekten. Aus dem Dunkel im Fluss tauchen Stand-up-Paddler auf, es gibt eine Tanzeinlage auf der Bühne - und einen Aufmarsch der vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer.

Flussfestival: Magische Momenteam Fluss gilt es festzuhalten.

Magische Momenteam Fluss gilt es festzuhalten.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Ein gelungenes Dankeschön, das noch gelungener ausgefallen wäre, hätte nicht die Tontechnik alles versucht, die Belastbarkeit des menschlichen Trommelfells auszutesten und damit die Romantik der vorangegangenen Töne und Lichtspiele am Fluss zunichte zu machen.

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